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Zwei unterschiedliche Demokratiemodelle

Roter Teppich vom dem Elysée Keystone

Medial omnipräsente Wahlen, Konfrontation zwischen Mehrheit und Opposition, grosse Macht des Präsidenten, Einparteienregierung: Das politische System in Frankreich ist anders als das der Schweiz.

In der Schweiz werden Proportionalität und Kollegial-Regierung gepflegt, und der Präsident ist lediglich “Primus inter pares”, Erster unter seinesgleichen.

Die Verfassung der 5. Republik gibt dem Präsidenten in Frankreich seit 1958 weit reichende Machtbefugnisse. Er steht der Diplomatie und der Armee vor, und er ernennt oder entlässt die Regierung und deren Chef.

Er wird in zwei allgemeinen Wahlgängen direkt gewählt. Die Amtsdauer wurde von sieben auf fünf Jahre verkürzt und entspricht nun jener der Abgeordneten der Nationalversammlung, der grossen Parlamentskammer. Diese wird gleich nach dem Präsidenten im Majorzsystem gewählt.

Das politische Leben ist in Frankreich stark von der Polarisierung zwischen links und rechts geprägt, wobei die beiden Seiten abwechslungsweise die Rolle der Mehrheit und der Opposition übernehmen.

Nach seiner Wahl ernennt der Präsident einen Premierminister, der dann seinerseits 30 bis 50 Regierungsmitglieder ernennt. Der Premier muss sich gegenüber der Nationalversammlung verantworten, die theoretisch seine Abwahl verlangen kann. Das ist allerdings noch nie vorgekommen.

Dagegen macht der Präsident von seinem Recht Gebrauch, die Regierung auszuwechseln. Die fünf Männer, die seit 1958 an der Spitze des Staates standen, wechselten ihre Premierminister insgesamt 18 Mal aus, einige mussten mehrmals selber die Regierung umbilden.

Kohabitation

Während nahezu 30 Jahren gehörten Präsident und Nationalversammlung der gleichen Partei an. 1986 aber sah sich der sozialistische Präsident François Mitterrand nach einem Sieg der Rechten im Parlament gezwungen, den Gaullisten Jacques Chirac zum Premierminister zu ernennen.

Von 1993 bis 1995 musste Mitterrand erneut eine Kohabitation eingehen (diesmal mit Edouard Balladur), anschliessend geschah dies auch Chirac: Er musste von 1997 bis 2002 mit dem sozialistischen Premier Lionel Jospin zusammenarbeiten, da die Linke im Parlament die Mehrheit errungen hatte.

Repräsentative Demokratie

Frankreich hat eine vorwiegend repräsentative Demokratie. Alle fünf Jahre wählen die Bürgerinnen und Bürger einen Präsidenten und ein Parlament. Die Partei, die bei den Abgeordneten die Mehrheit erhält, kann alle Minister ernennen.

Ausserdem wählt das Volk alle sechs Jahre die Gemeinde- und Regionalbehörden. Der Präsident der Republik kann ausserdem direkt zu einem Referendum an die Urnen rufen, die Befugnis dazu gibt ihm die Verfassung. Seit 1958 kam das zehnmal vor.

Nur zwei Referenden wurden abgelehnt: 1969 die Reform der Regionen und des Senats (was zum Rücktritt von General de Gaulle führte) und 2005 der Vertrag über die europäische Verfassung.

Schweizer Demokratie

Die Schweiz hingegen hat ein System der Mitbestimmung. Das Stimmvolk kann mindestens vier Mal pro Jahr abstimmen. Dazu gibt es Instrumente der direkten Demokratie wie die Volksinitiative (eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern schlägt eine Verfassungsänderung vor,) oder das Referendum, das ergriffen werden kann, um einen vom Parlament verabschiedeten Beschluss dem Volk zur Entscheidung vorzulegen.

Alle vier Jahre wählen die Bürgerinnen und Bürger ausserdem die Gemeindebehörden sowie das Parlament und die Regierung ihres Kantons. Aufgrund des Föderalismus sind die meisten Gesetze, die den Alltag der Menschen regeln, Kantonsgesetze.

Kollegial-Regierung

Auf Bundesebene werden die beiden Parlamentskammern alle vier Jahre neu gewählt, der Nationalrat (die grosse Kammer) nach Proporz (Verhältnis), der Ständerat nach Majorz (Mehrheit).

Die beiden Kammern bilden zusammen die Vereinigte Bundesversammlung, die ihrerseits die sieben Mitglieder der Regierung, den Bundesrat wählt. Die Schweiz hat seit über einem Jahrhundert eine Regierung, die aus verschiedenen Parteien zusammengesetzt ist und ihre Entscheide gemeinsam trifft. Ihre Zusammensetzung widerspiegelt mehr oder weniger das Gleichgewicht der Kräfte im Parlament.

Die Amtsdauer eines Bundesrates oder einer Bundesrätin beträgt vier Jahre und kann verlängert werden. Im Allgemeinen werden die Regierungsmitglieder bis zu ihrem Rücktritt wiedergewählt. Seit der Gründung der modernen Schweiz 1848 gab es nur drei Ausnahmen.

Ehrenpräsident

Das Präsidium wird im Turnus für ein Jahr von einem der sieben Mitglieder übernommen, nach dem Dienstaltersprinzip. Während des Präsidialjahrs steht der Präsident oder die Präsidentin gleichzeitig dem eigenen Departement vor.

Die Macht des schweizerischen Bundespräsidenten ist deshalb mit jener des französischen Staatspräsidenten überhaupt nicht vergleichbar. Es handelt sich im wesentlichen um ein Ehren- und Repräsentationsamt: Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident vertritt die Regierung im Land und das Land im Ausland.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Am Rande der französischen Präsidentschaftswahlen bringt swissinfo eine Serie von Artikeln mit Blick über die Grenzen, die auf die gemeinsamen und die unterschiedlichen Punkte zwischen der Schweiz und Frankreich eingehen.

In der Schweiz ist der Bundesrat gemäss Verfassung “die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes”.

Er ist verantwortlich für die auswärtigen Angelegenheiten, die Sicherheitspolitik und jene inneren Angelegenheiten, die nicht in die Kompetenz der Kantone fallen.

Jeder Schweizer Kanton hat eine eigene Regierung. Diese steht der Verwaltung vor, ernennt die Beamten und spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen.

1993 wurde die Konferenz der Kantonsregierungen gegründet, um das Gewicht der Kantone bei der politischen Willensbildung auf Bundesebene zu stärken.

Sie befasst sich mit allen grundlegenden Fragen der Beziehungen zwischen Bund und Kantonen.

Anders als die Landesregierung werden die Kantonsregierungen vom Volk gewählt.

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