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“Ich habe die Spanienkämpfer immer bewundert”

RDB

Es sei eine Schande, dass die Schweizer, die im spanischen Bürgerkrieg gekämpft haben, erst jetzt rehabilitiert werden, sagt der Zürcher Filmemacher Richard Dindo im Gespräch mit swissinfo. Dindo widmete den Spanienkämpfern bereits 1974 einen Film.

Mehr als 70 Jahre nach dem Spanischen Bürgerkrieg werden die Strafurteile gegen die Schweizerinnen und Schweizer, die im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Franco-Diktatur gekämpft haben, aufgehoben.

Das hat das Parlament am Donnerstag beschlossen. Die Rehabilitierung der Spanienkämpfer geht auf eine Initiative des sozialdemokratischen Nationalrats Paul Rechsteiner zurück. Laut Rechsteiner haben die Spanienkämpfer 1936-1938 auch die Freiheit der schweizerischen Demokratie verteidigt.

1974 widmete der Zürcher Filmemacher Richard Dindo den Spanienkämpfern den damals kontrovers diskutierten Dokumentarfilm “Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg”.

swissinfo: Was geht Ihnen durch den Kopf nach der Rehabilitierung der Spanienkämpfer, 35 Jahre nach Erscheinen Ihres Filmes?

Richard Dindo: Es ist eine Schande und historisch unerklärlich, warum die Spanienkämpfer in all den Jahrzehnten vom Parlament nicht rehabilitiert wurden. Ihre eigentliche moralische und geschichtliche Rehabilitation war eigentlich mein Film, dank dem sie überhaupt ins öffentliche Bewusstsein gedrungen sind.

Wenn es die Spanienkämpfer seit 1974 in der Schweiz gibt, als Schweizer und Schweizerinnen, die in Spanien für die Demokratie gekämpft haben, dann dank einem Film, der vom Schweizer Fernsehen, wenn auch mit Ach und Krach und in einer zensurierten Fassung ausgestrahlt wurde. Diese Ausstrahlung durch das Schweizer Fernsehen war in den Augen der Spanienkämpfer ihre Rehabilitation, quasi unter den Augen des Volkes.

swissinfo: Weshalb hat Ihrer Meinung nach, die Politik so lange damit zugewartet, die ehemaligen Spanienkämpfer zu rehabilitieren?

R.D.: Das wird für immer das Geheimnis dieses bürgerlichen Parlamentes bleiben. Es gibt allerdings Leute in diesem Land, die, wenn sie die Wahl haben zwischen einem Spanienkämpfer oder einem Filmemacher und einer ausländischen Diktator, den Diktator vorziehen und sich diesem näher fühlen.

swissinfo: Was hat Sie dazu bewegt, einen Dokumentarfilm zu diesem Thema zu drehen?

R.D.: Eine Freundin von mir kannte einen Spanienkämpfer und sagte mir, ich müsse unbedingt einen Film über ihn machen. Als ich ihn besuchen wollte, sagte mir seine Frau am Telefon, er sei gestern gestorben.

So entschloss ich mich, einen Film über eine ganze Gruppe zu machen. Ich hatte schon immer eine grosse Verehrung für Widerstandskämpfer, also für Leute, die mit der Waffe in der Hand gegen eine Diktatur kämpfen. Die spanische Republik liegt mir am Herzen wie die Kommune von Paris. Das sind zwei grosse Ereignisse in der westlichen Geschichte. Beide sind verbunden mit schmerzlichen Niederlagen.

swissinfo: Wie erlebten Sie die Ausstrahlung des Films in den Kinosälen?

R.D.: Ich glaube, vor allem viele Linke waren berührt zu erfahren, dass es Schweizer, dass es Schweizer Anti-Faschisten gab. Das war für sie eine Art historische und politische Erfahrung.

Eine Amerikanerin, die eine Zeitlang in der Schweiz gelebt hatte, schrieb mir in einem Brief aus New York, wo der Film an einem Festival lief, sie sei froh gewesen, gesehen zu haben, dass es auch noch andere Schweizer gibt, als die, die sie während in ihrem Aufenthalt kennen gelernt habe.

swissinfo: Wie haben Sie damals die Begegnungen mit den Spanienkämpfern erlebt?

R.D.: Ich habe meine Filme immer aus Sympathie für die Menschen gemacht, die ich filmte. Diese Sympathie war bei den Spanienkämpfern vielleicht am stärksten, mit einigen von ihnen, vor allem mit Johnny Linggi und Hans Hutter, verband mich bis zu ihrem Tode eine eigentliche Freundschaft.

swissinfo: Haben Sie eine Vorliebe für die dunklen Kapitel der Schweizerischen Zeitgeschichte?

R.D.: Es geht da ein wenig um eine alternative, nicht-bürgerliche Geschichtsschreibung. Von denen reden und jenen das Wort geben, denen es entzogen wurde und die nie angehört wurden; das heisst, den Kleinen, den Sprachlosen, den Unangehörten eine historische Bedeutung geben.

swissinfo: Welche Projekte verfolgen Sie derzeit?

R.D.: Ich mache gerade einen Film über den Maler Gauguin, wieder so eine Art von Künstlerrebell, und dann einen andern, ganz anderen, über Amerikaner und Amerikanerinnen, die überzeugt davon sind, dass die Menschheit den Planeten Mars erobern und dort irgendwann in den nächsten paar tausend Jahren eine neue Zivilisation gründen sollte, zwecks Erkundigung nach dem Ursprung des Lebens und auch um das definitive Überleben der Menschheit zu garantieren, falls auf der Erde einmal etwas sehr Dummes passieren sollte.

swissinfo-Interview: Antonio Suárez Varela

Rund 800 Schweizer hatten im Krieg von 1936 bis 1939 in den internationalen Brigaden gegen General Francos Faschisten gekämpft. Ein Viertel von ihnen fiel im Kampf, der grösste Teil der anderen wurde von Schweizer Militärgerichten verurteilt.

Rund 20 der Verurteilten leben heute noch, wie der sozialdemokratische Ständerat Claude Janiak in der Kleinen Kammer sagte. Ihnen gehe es allein um ihre Ehre. Schadenersatz oder Genugtuungszahlungen seien ausgeschlossen.

Ständerat Hannes Germann von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bekundete hingegen Mühe damit, im Nachhinein “Geschichte umzuschreiben”. Der Spanienkrieg sei nicht einfach ein Krieg zwischen Demokratie und Faschismus gewesen. Beide Seiten hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.

Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf bezeichnete die Rehabilitierung als verhältnismässig. Der damalige Kampf für Demokratie und Freiheit verdiene aus heutiger Sicht Anerkennung.

Die Schweiz ist eines der letzten Länder, das die Urteile gegen seine Spanienkämpfer aufhebt.

Bis 2006 blieben zahlreiche Vorstösse erfolglos.

1973 holte der Filmautor Richard Dindo mit seinem Werk “Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg” die Freiwilligen ein erstes Mal aus der Vergessenheit.

1986 sagte SP-Bundesrat Otto Stich an einer Feier, dass die Geschichte den Spanienkämpfern Recht gegeben habe.

1994 erklärte Bundesrätin Ruth Dreifuss die Spanienkämpfer für “politisch und moralisch vollständig rehabilitiert”.

Herbst 2006: Parlamentarische Initiative Paul Rechsteiner für eine Amnestie.

November 2007: Gründung der IG Spanienfreiwillige.

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