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Amerikas Ansehen in der Welt wieder stärken

Wollen beide ins Weisse Haus: Hillary Clinton und Barack Obama. Keystone

Auch wenn der Entscheid über die Präsidentschafts-Kandidatur bei den Demokraten noch aussteht, ist für den amerikanischen Historiker Allan Lichtman klar: Die Republikaner verlieren die Wahlen.

swissinfo sprach mit Lichtman über die Bedeutung der Wahlen und die Herausforderungen, vor denen die USA stehen, deren Ansehen in der Welt in den letzten Jahren stark gesunken war.

swissinfo: Unter einem internationalen Gesichtspunkt betrachtet hört man oft, diese Präsidentschafts-Wahlen seien die wichtigsten seit Jahrzehnten. Teilen Sie diese Ansicht?

Allan Lichtman: Es sind sehr wichtige Wahlen, aber nicht die wichtigsten seit Jahrzehnten. Auch die Wahlen 2000 nach der Clinton-Ära waren sehr wichtig, sie läuteten damals eine fundamentale Neuausrichtung der US-Politik ein.

Acht Jahre später stehen wir am Ende der Ära Bush. Die Ideologie des Konservatismus bröckelt. Damit haben diese Wahlen erneut das Potenzial für eine Transformation.

swissinfo: Was macht diese Wahlen so wichtig für den Rest der Welt?

A.L.: Die USA stehen vor bedeutenden Entscheiden in ihrer Aussenpolitik, vor allem was den Krieg in Irak angeht.

Weitere Herausforderungen sind die wirtschaftliche Krise und die Umwelt- und Klimapolitik. Und nicht zu vergessen die Entwicklung unserer Beziehungen zu Russland und China.

swissinfo: Falls die Demokraten ins Weisse Haus einziehen, was würde sich gegenüber der Politik von George W. Bush verändern?

A.L.: Die Demokraten werden eine andere Irak-Politik aufgleisen, eine andere Politik bei der Gesundheits-Versicherung, den Steuern und der Umwelt verfolgen.

Wir werden ohne Zweifel auch eine Rückkehr erleben zu einer multilateraler ausgerichteten Politik.

swissinfo: Das Image der USA hat in den letzten Jahren stark gelitten. Welchen Herausforderungen muss sich der neue Präsident, die neue Präsidentin stellen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen?

A.L.: Am wichtigsten ist sicher der Krieg in Irak. Wenn dieser nicht nur in der muslimischen Welt sehr unpopuläre Krieg andauert, wird es sehr schwierig für den neuen Präsidenten, einen Wandel herbeizuführen, was das Ansehen der USA angeht.

Egal wie mächtig ein Land auch sein mag, die Lektion, die es zu lernen gilt, ist: “Man kann nicht im Alleingang handeln.”

swissinfo: Denken Sie, dass der heutige Anti-Amerikanismus vor allem mit der Person George W. Bush zusammenhängt?

A.L.: Ja. Ich glaube, das ist so. Ich bin überzeugt, dass der Wille da ist, dem neuen Präsidenten eine Chance zu geben. Es braucht zwar viel Einsatz, die von der Regierung Bush gesäte Feindseligkeit wieder abzubauen.

Ich glaube aber, dass die Welt offen ist für einen Wechsel, der aus den USA selber kommt, und dass das Ansehen Amerikas mit einer klaren Neuausrichtung seiner Politik wieder wachsen kann.

swissinfo: Wo gibt es Ihrer Ansicht nach den grössten Handlungsbedarf im Verhältnis zwischen den USA und Europa?

A.L.: In erster Linie müssen Handelsfragen, Klimawandel und die Rolle Europas in Afghanistan und Irak angegangen werden.

swissinfo: Denken Sie, dass die transatlantischen Beziehungen je wieder so eng sein werden wie im Kalten Krieg?

A.L.: Wahrscheinlich werden wir nie mehr so enge Beziehungen sehen wie damals, als ein solch klarer gemeinsamer Feind Europa und die USA verband.

Dennoch hat eine neue Regierung reelle Chancen, die transatlantischen Beziehungen wieder deutlich zu verbessern.

swissinfo: Früher im Jahr prognostizierten Sie, die Republikaner würden die Wahlen verlieren. Stehen Sie noch zu dieser Prognose?

A.L.: Ja. Diese Voraussagen fussen auf einer Serie von Abwägungen, die klar machen, dass es zu einem Wechsel kommt. Das Volk hat genug von den Republikanern. Das wird sich bis im November nicht ändern.

John McCain wäre nichts als nochmals vier Jahre vom Gleichen. Er wird die Wahlen nicht gewinnen.

swissinfo: Sie glauben also nicht, dass der andauernde Kampf zwischen Hillary Clinton und Barack Obama den Demokraten schadet?

A.L.: Nein, ich denke nicht. Dass der Entscheid noch offen ist, wirkt sich grundsätzlich zu Gunsten der Demokraten aus.

Das allgemeine Interesse gilt ihnen, nicht den Republikanern. Die Demokraten verzeichnen zahlreiche Neu-Wähler, die Teilnahme an den Vorwahlen ist sehr hoch.

swissinfo: Wie schätzen Sie die Rede von Barack Obama ein, mit der er auf die Kontroverse um die Hasstiraden des Predigers Jeremiah Wright reagierte?

A.L.: Ich denke, es war eine ausgezeichnete Rede. Obama ging nicht bloss den einfachsten Weg, indem er sich von Wright distanzierte, sondern machte eine wohlüberlegte Aussage dazu, wie die Rassenfrage uns alle betrifft, Schwarze und Weisse – und wie wir uns dieser Frage stellen müssen.

swissinfo: Könnte das Thema Obamas Chancen beeinträchtigen?

A.L.: Nein. Ich denke, es ist gut, dass es jetzt schon Schlagzeilen machte. Auf längere Sicht könnte es ihn gar stärken.

Eines ist allerdings klar: Die Republikaner werden das Thema auf jeden Fall wieder aufgreifen.

swissinfo: Wer hat die besseren Chancen, die Kandidatur der Demokraten zu gewinnen, Clinton oder Obama?

A.L.: Zurzeit denke ich, es wird wahrscheinlich Obama sein. Aber noch gilt es abzuwarten.

swissinfo: Macht es für die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA einen grossen Unterschied, ob Demokraten oder Republikaner im Weissen Haus sitzen?

A.L.: Wie der Rest der Welt wird die Schweiz auf die eine oder andere Weise von der Politik der USA auf der Weltbühne beeinflusst.

Für die bilateralen Beziehungen spielt es jedoch kaum eine grosse Rolle, welche Partei die Präsidentschaft stellt.

swissinfo, Rita Emch, New York

Allan Jay Lichtman (geb. 1947) ist Professor für Geschichte an der American University in Washington D.C.

Er ist Autor von bisher sechs Büchern, darunter “The Thirteen Keys to the Presidency” und “The Keys to the White House”, in denen er das von ihm entwickelte “Schlüssel”-System präsentiert, mit dem er den Ausgang der US-Präsidentenwahlen voraussagt.

Sein neustes Buch “White Protestant Nation – The Rise of The American Conservative Movement” erscheint im Juni.

Lichtman hat als politischer Kommentator für amerikanische und ausländische Fernseh-Anstalten gewirkt. Er ist ein gefragter Interview-Gast und trat als Gastdozent in der ganzen Welt auf.

Lichtman lebt in Bethesda, Maryland. Seine Ehefrau hat Schweizer Vorfahren und das Paar hat die Schweiz schon öfter besucht.

Allan Lichtmans System nutzt 13 historische Faktoren, um vorauszusagen, ob der Kandidat der regierenden Partei (unabhängig davon, ob der amtierende Präsident zur Wiederwahl antritt oder nicht) bei den Präsidentschafts-Wahlen die meisten Stimmen erhalten wird oder nicht.

Die “Schlüssel” (Faktoren) basieren auf einer Auswertung aller Präsidentschafts-Wahlkämpfe seit dem Bürgerkrieg (1860) bis 1980.

Das System basiert auf der Idee, dass die Wahl eine Abstimmung über die Leistung der amtierenden Partei ist: Wenn alles gut läuft, bleibt diese vier weitere Jahre im Weissen Haus. Wenn es schlecht läuft, nicht.

Nach eigenen Angaben hat Lichtman mit Hilfe seines Modells den Ausgang jedes Präsidentschafts-Wahlkampfes seit 1984 korrekt vorhergesagt.

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