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Coronavirus: “So erlebe ich mein Bern in dieser Zeit” – Teil 4

Albert Einstein weiss, wie Abstand halten geht. swissinfo.ch

"Die Bedrohung ist real, und das macht Angst. Was jetzt zählt, sind Rücksicht, Vorsicht und gesunder Menschenverstand", sagt Gaby Ochsenbein. Die frühpensionierte ehemalige Redaktorin von swissinfo.ch schreibt in dieser beispiellosen Zeit über ihre Beobachtungen und Fragen – aus persönlicher Sicht.

Bevölkerung und politische Parteien, ob links oder rechts, haben den vom Bundesrat verordneten  Lockdown grosso modo akzeptiert. Aufgemuckt wird kaum, und das ist erstaunlich. Sukzessive wurde in den letzten zwei Wochen die ganze Nation auf die Corona-Krise und die Einschränkungen im öffentlichen Leben eingeschworen.

Der Appell, Abstand zu halten und wenn immer möglich zu Hause zu bleiben, wurde Tag für Tag dringlicher, die Behörden-Stimmen ernster, bis auch der Hinterletzte begriff: Die Lage ist ernst. Die Schweiz kann übrigens froh sein um ihren nationalen Corona-Experten Daniel Koch. Mit seiner unaufgeregten Redensart ist er der perfekte Botschafter und dürfte im Beliebtheitsgrad Tennisstar Roger Feder bald Konkurrenz machen.

Die Wucht der Bilder

Corona ist auch eine mediale Geschichte: Diese wiederkehrenden und dramatischen Bilder von durch Spitalkorridore rasendem Pflegepersonal in Italien, von todkranken Menschen auf den Intensivstationen –  der blanke Horror. Das lässt niemanden kalt.

Und Angst haben viele. Auch ich ein Stück weit. Weder möchte ich krank werden, noch jemanden anstecken. Ich könnte ja Virus-Trägerin sein…

So benutze ich seit Tagen weder Zug, Tram noch Bus, sondern gehe zu Fuss oder nehme das Velo. Und wenn ich einkaufe, desinfiziere ich im Laden als erstes die Hände. Und wo immer ich bin, passe ich auf, dass mir niemand zu nahe kommt, Abstand halten ist normal geworden. Ob man sich das wieder abtrainieren kann, wenn alles vorbei ist?

Persönlich kenne ich niemanden, den es erwischt hat. Gehört habe ich aber schon diverse Geschichten. So erzählte mir ein Bekannter, er sei mit einer Frau auf einer Schneeschuhtour gewesen, deren Mann positiv getestet wurde. Das verunsicherte ihn. Ein paar Tage spürte er ein Kratzen im Hals – aber es ging vorbei.

Oder eine Freundin von mir legte ihre Banknoten drei Tage lang an die Sonne und reinigte sie vorsichtshalber noch mit Brennsprit.

Ängstlich sind viele, sie bleiben zu Hause und gehen gar nicht mehr nach draussen.

Fertig Normalität

Wie gesagt: Den meisten ist der Ernst der Lage bewusst. Allerdings gibt es noch immer Leute, die mit einer Selbstverständlichkeit auf dem knapp zwei Meter schmalen Aare-Uferweg joggen – gerne zu zweit und nebeneinander – und einem dabei in den Nacken oder ins Gesicht pusten. Kann ich mich so  anstecken? Ich drehe den Kopf zur Seite und halte den Atem an.

Das neuartige Virus hat uns quasi über Nacht aus der schweizerischen Komfortzone geschleudert und uns den Alltag geraubt. Jetzt plötzlich merken wir, wie fragil unsere Gesellschaft ist. Nicht mehr der Mensch hat das Sagen, sondern ein unsichtbares Minibiest dominiert und bedroht die ganze Welt. Wann all das vorbei ist, wissen wir nicht, auch nicht, wie es danach sein wird.

Kein schlechter Zeitpunkt vielleicht, um endlich meine Patientenverfügung auszufüllen. Aber eben: Ich will heute noch nicht mein ganzes Pulver verschiessen, denn Corona wird uns noch eine Weile in Atem halten.

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