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Dialog und Integration gegen den Schatten der Nacht

Keystone

Nach der hässlichen Nacht von Istanbul im November 2005 kommt es am 11. Juni im Rahmen der Euro 08 in Basel erneut zur Begegnung Schweiz-Türkei. Politik und Polizei geben sich betont gelassen.

“Neunzig Minuten lang werden wir uns als Gegner auf dem Fussballfeld begegnen. Die Zeit vorher und nachher wollen wir nutzen, um uns gegenseitig kennen zu lernen und uns wirklich zu begegnen”, betont der baselstädtische Regierungspräsident Guy Morin gegenüber swissinfo.

In Basel leben 12’000 türkischstämmige Einwohnerinnen und Einwohner. Sie stammen mehrheitlich aus der ärmlichen Osttürkei und kamen in den 1980er-Jahren in die Schweiz. Die meisten sind Kurden. Sie flüchteten vor der Unterdrückung durch den Staat und vor der wirtschaftlichen Not.

“Das wird ein Fest geben”

Das Verhältnis zwischen ihnen und den Baslern sei “vollkommen friedlich”, sagt Morin. 4000 Türken sind mittlerweile eingebürgerte Schweizer. Sechs haben sogar die Wahl in den Grossen Rat (Kantonsparlament) geschafft.

Einer von ihnen ist der sozialdemokratische Grossrat Hasan Kanber. Er freut sich auf die Euro 08 und erhofft sich ein “völkerverbindendes Moment”. Kanber hat in den vergangenen Wochen die türkischen Fussball- und Kulturvereine der Region angeschrieben und sie gebeten, in ihren Clublokalen Betten bereitzustellen.

Sein Aleviten-Verein will in dessen Zentrum Gäste aus der Türkei unterbringen. “Das wird ein Fest geben. Und natürlich sind auch Schweizer willkommen”, sagt Kanber.

“Ich erhalte viele Signale, dass sie sich auf die Euro 08 freuen und auch aktiv am Gelingen mithelfen werden”, stellt auch Guy Morin fest. Türken sind als freiwillige Fanbetreuer besonders willkommen, da sie die Sprache der türkischen Fussballfans verstehen.

Begegnungen auch in Bern

Integrativ wirken sollen auch verschiedene kulturelle Aktivitäten vor und nach der Euro 08. Geplant sind Ausstellungen, Konzerte, aber auch Fussballspiele zwischen jugendlichen Türken und Schweizern.

Die vielfältige türkische Kultur den Schweizern näher bringen, will der Türkische Tag am 4. Mai in Bern. Auf dem Bundesplatz werden Musik- und Tanzgruppen aus den beiden Ländern auftreten, türkische Literaten werden lesen, Fotografen ausstellen.

“Letztes Jahr fand der Tag in Zürich statt. Er war ein grosser Erfolg. Wir hoffen, dass sich das in Bern wiederholen wird”, sagt der türkische Botschafter in der Schweiz, Alev Kilic.

Schlechte Erinnerungen

Integration, das Betonen der Gemeinsamkeiten, der Dialog, das gehört in Basel zum Sicherheitskonzept für die Euro 08.

Viele Schweizerinnen und Schweizer haben schlechte Erinnerungen an ein Fussballspiel der Nati gegen die Türkei. Nach dem WM-Qualifikationsspiel im November 2005 kam es im Istanbuler Sükrü-Saracoglu-Stadion zu schweren Ausschreitungen. Türkische Spieler und Ordnungskräfte prügelten auf die Schweizer Spieler ein. Auch ein Spieler und ein Betreuer der Schweizer Nati wurden danach wegen Tätlichkeiten gebüsst und für einige Spiele gesperrt. “Nie mehr gegen die Türkei”, lautete damals die Devise im Schweizer Lager.

Grosse Polizeipräsenz

“Das Sicherheitsdispositiv für das Spiel Schweiz-Türkei am 11. Juni ist dasselbe wie für die andern Spiele. Wir sind ja eher eine Kurdenstadt”, sagt Klaus Mannhart, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel Stadt gegenüber swissinfo. Der Match gilt offiziell als Spiel mit mittlerem Risiko.

“Wenn besondere Massnahmen nötig sein würden, dann entscheiden wir kurzfristig.” Die Polizeipräsenz werde während der ganzen Euro 08 gross sein, versichert er. “Zahlen über die Anzahl Polizeikräfte kommunizieren wir nicht.”

Die Polizei setze auf die sogenannte 3D-Strategie. Das heisst: Dialog, Deeskalation und – wenn nötig – Durchgreifen. “Theoretisch kann jeder Match aus den verschiedensten Gründen aus dem Ruder laufen”, so Mannhart.

swissinfo, Andreas Keiser, Basel

Basel erwartet 250’000 Besucherinnen und Besucher zu den sechs Spielen im Stadion St. Jakob-Park und 750’000 Besucher der Fanzonen.

Der neue St. Jakob-Park in Basel, Sitz des FC Basel, wurde 2001 eingeweiht. 2005 wurde er ausgebaut, so dass er heute 42’500 Zuschauerinnen und Zuschauern Platz bietet. Damit ist er das grösste Stadion der Schweiz.

3 Gruppenspiele der Euro 2008 finden hier statt:
– Schweiz-Tschechien (Samstag, 7. Juni, 18.00 Uhr)
– Schweiz- Türkei (Mittwoch, 11. Juni, 20.45 Uhr)
– Schweiz-Portugal (Sonntag, 15. Juni, 20.45 Uhr)

Ausserdem werden in Basel zwei Viertelfinalspiele ausgetragen, am 19. und 21. Juni, je um 20.45 Uhr.

Im Stadtzentrum wird es eine “Fanmeile” geben (vom deutschen Badischen Bahnhof bis zum SBB-Bahnhof), darin zwei “UEFA-Fanzonen”. Eine weitere “Fanzone” wird in der Gemeinde Liestal eingerichtet.

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