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Neuer Schicksalsschlag für das Schweizer Messer

Kultobjekt in der Krise. RTS

Die typischen Schweizer Souvenirs spüren die flauen Zeiten im Tourismusgeschäft.

So auch die Messerschmiede Wenger in Delémont. Sie stellt das “Swiss Army Knife” her, hat bis auf weiteres Kurzarbeit eingeführt und wartet auf das Weihnachtsgeschäft.

Das weltbekannte Offiziersmesser oder Schweizer Armeemesser leidet lange schon unter den Auswirkungen des 11. Septembers. Ins Flugzeug darf es nicht mehr mitgenommen werden.

Lange Jahre war für ausländische Besucher das Taschenmesser aus der Schweiz das Kultobjekt schlechthin. Es galt als “must” und wurde in allen Formen, Grössen und Ausstattungen in den Schweizer Souvenirläden gekauft und mitgenommen.

Das ist auch heute noch so. Rund 80% der Messer gehen ins Ausland. Doch sind es zahlenmässig deutlich weniger.

Anschläge führen zu Verkaufsrückgang

Die guten Zeiten für das Messer sind fürs erste vorbei. Nach den Anschlägen vom 11. September wurden weltweit die Sicherheitsvorkehrungen strenger. Das Schweizer Messer gilt seither als eine Art “Waffe”, und die Lust der Reisenden es als Mitbringsel nach Hause zu nehmen, ist spürbar zurückgegangen.

Der Rückgang ist so stark, dass die vor 110 Jahren gegründete Messerschmiede Wenger im jurassischen Delémont im Jahr 2000 die Belegschaft von 280 auf 210 Mitarbeitende abgebaut hat. Jetzt wurde für 48 Mitarbeitende Kurzarbeit eingeführt.

Dafür, so Maurice Cachot, der Direktor von Wenger, seien diverse Gründe verantwortlich: Nebst dem 11. September der Krieg in Irak, die Folgen der Lungenkrankheit Sars oder die Frankenstärke.

“Wir stellen eine weltweite Stagnation der Verkäufe fest”, sagt Cachot, “somit fahren wir auch überall Verluste ein”. Dazu komme, dass die Firmen bei ihren Kundengeschenken sparen würden. “Die Gadgets machen sonst 30% unseres Umsatzes aus.”

Der andere Hersteller des Armeemessers, die 1884 gegründete Victorinox in Ibach/SZ, bestätigt die Aussgen. “Im September 2001 kamen die Verkäufe des Armeemessers in den Duty Free Shops der Flughäfen praktisch zum Erliegen, sagt CEO Carl Elsner. “Damit verloren wir 10% unseres Gesamtumsatzes.”

Auch in diesem Jahr hätten die weltweiten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Umsätze des Taschenmessers erneut um 10% einbrechen lassen, sagt der Victorinox-Chef.

Konjunkturflaute in der Schweiz

Zu all dem kommt noch ein Rückgang der Zahl der Touristen in der Schweiz in diesem Jahr von 5%. Diese Tatsache bedeutet für die Messerschmiede Wenger auch einen Umsatzrückgang von 5%.

Gesamthaft ist der lukrative Markt des beliebten Taschenmessers insgesamt um rund einen Viertel eingebrochen. Nicht eingerechnet ist hier, dass auch der einheimische Markt rückläufig ist.

Wenger und Victorinox sind auch die beiden Lieferanten für die Schweizer Armee. Dort wird das “richtige” Armeemesser gebraucht. Allerdings, die Bestände werden im Rahmen der Reorganisation der Schweizer Armee (Armee 21) von 600’000 auf 400’000 Armeeangehörige verringert. Somit braucht es auch weniger Messer.

Alte Zeiten kommen nicht wieder

Damit sei nicht gesagt, dass sich keine Schweizer Armeemesser mehr verkaufen. Im Flughafen von Genf werden die Reisenden auf Merkblättern darauf aufmerksam gemacht, dass die Passagiere Messer mit kleiner Schneide (weniger als 6 cm) im Handgepäck mitführen dürfen. Bedingung: Es muss sich um einen Direktflug handeln.

Im Verkaufsgeschäft “Coutellerie du Mont-Blanc” in Genf relativiert eine Verkäuferin das Geschäft rund um das Schweizer Traditionsmesser: “Es stimmt, in unserem Geschäft direkt im Flughafen gingen die Verkäufe tatsächlich stark zurück. Aber in der Ladenstrasse im Flughafengelände verkaufen wir das Messer weiterhin gut.”

Zwei Drittel der Kundschaft seien Ausländer. “Sie legen jetzt halt das Messer im Geschenkkarton in ihr Reisegepäck, das sie am Flughafen aufgeben”, sagt die Verkäuferin.

“Klar geben wir die Hoffnung nicht auf”, sagt Wenger-Direktor Moritz Cachot. Er glaubt aber nicht daran, dass die “guten alten Zeiten” des Schweizer Armeemessers je wieder kommen.

Dafür gebe es psychologische Barrieren: “Der böse Geist der Gewalt all der Attentate der letzten Jahre liegt über dem Messer. Es hat einen Teil der Anziehungskraft verloren, weil es nun auch als Waffe betrachtet wird.”

Warten auf Weihnachten

In Ibach, wo Victorinox rund 950 Personen beschäftigt, hat man reagiert und passt die Strategie an. Mehr und mehr wird der Akzent weg vom Armeemesser hin zu Uhren und anderen Souvenirs “made in Switzerland” gelegt.

Bei Wenger setzt man wieder vermehrt auf den einheimischen Markt, stellt Haushaltmesser her und hofft, die Konjunktur werde sich erholen. “Die Kurzarbeit im Betrieb erlaubt uns, die Lage neu einzuschätzen ohne Entlassungen vornehmen zu müssen”, sagt Wenger-Chef Cachot gegenüber swissinfo.

Traditionell nehmen die Verkäufe der Taschenmesser im zweiten Semester zu. Vor allem wegen der Feste am Ende des Jahres. Ein aufschlussreicher Testmarkt wird also der Weihnachtsmann 2003 abgeben.

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen von Urs Maurer)

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