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“Die Unternehmen passen sich den neuen Transparenz-Erfordernissen an”

Laut Stéphane Graber ist die Rohstoffbranche bereits zahlreichen Aufsichtsbehörden unterstellt. rts

Stéphane Graber ist Generalsekretär der Swiss Trading and Shipping Association (STSA), dem Branchenverband des Rohstoffhandels in der Schweiz. Er nimmt Stellung zur Kritik der fehlenden Transparenz in einer Industrie, die seiner Meinung nach eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt, aber noch weithin unbekannt ist.


swissinfo.ch: NGOs und Medien prangern seit Jahren die Missbräuche einiger im Rohstoffhandel tätigen Unternehmen an. Man hat den Eindruck, die Unternehmen seien gegenüber der öffentlichen Meinung noch wenig sensibel. Sind sich die Unternehmen der Probleme, die sie mit ihren Tätigkeiten verursachen, wirklich bewusst?

Stéphane Graber: Das Unwissen über den Handel führt in der Schweiz häufig zu fehlerhaften Verwechslungen und Ungenauigkeiten. Zweck des Handels ist der Transport von Waren von einem Produktionsort an einen Verbrauchsort. Der Handel spielt eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Länder und der Industrie.

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Die Schweizer Rohstoffunternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Wie alle anderen Wirtschaftszweige wenden sie anerkannte Sorgfaltsprüfungspflichten an. Sie sind seit 2013 zusammen mit den Behörden und den NGOs dabei, freiwillige Richtlinien zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt auszuarbeiten.

swissinfo.ch: Warum führt man nicht eine Marktaufsicht für die Rohstoffbranche ein, wie es die Erklärung von Bern verlangt?

S.G.: Die Idee einer solchen Aufsichtsbehörde geht von der fälschlichen Annahme aus, der Sektor sei nicht reglementiert. Er ist jedoch bereits zahlreichen Aufsichtsgremien unterstellt. Für die grössten Unternehmen des Sektors sind es über 80.

Dieses Durcheinander kommt daher, dass sich die Frage der Aufsicht auf Ebene der verschiedenen Aktivitäten und der vielfältigen Produkte stellt. Eine weitere Aufsichtsbehörde einzuführen würde folglich nichts bringen, ausser ein bürokratisches Monster zu schaffen, was zu Kompetenzkonflikten und Verwirrungen führen würde. 

“Die Harmonisierung ist fundamental für eine globalisierte Tätigkeit wie den Rohstoffhandel.”

swissinfo.ch: Allgemeiner gefragt: Warum lehnen Sie die Einführung von verbindlichen Regeln ab?

S.G.: Im Grundsatz befürwortet der Handelssektor eine Sorgfaltspflicht. Deswegen hat er im Frühling 2015 eine Motion im Schweizer Parlament unterstützt, die in diese Richtung ging [und letztlich von einer kleinen Mehrheit der kleinen Kammer abgelehnt wurde]. Die Frage ist nicht die Verbindlichkeit oder Freiwilligkeit der Massnahmen. Wichtig ist vielmehr die Einführung stichhaltiger Standards betreffend der sozialen und ökologischen Verantwortung, die international anerkannt und angewendet werden. Die Harmonisierung ist nämlich fundamental für eine globalisierte Tätigkeit wie den Rohstoffhandel.

swissinfo.ch: Kritik gibt es nicht nur von NGOs und Medien. Auch die Schweizerischen Akademien der Wissenschaften fordern in ihrem letzten Informationsbulletin eine grössere Transparenz im Sektor des Rohstoffhandels. Was antworten Sie ihnen?

“Es gab bisher keinen wirtschaftlichen Grund, mit der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren.”

S.G.: Zuerst einmal muss betont werden, dass die Preise von Rohstoffen auf den Handelsmärkten bekannt und transparent sind. Die Handelsunternehmen sind nicht in direktem Kontakt mit dem grossen Publikum, sondern sie beliefern Unternehmen wie Nestlé, Starbucks oder Carasso. Es gab bisher keinen wirtschaftlichen Grund, mit der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Wir sind jedoch in einem neuen Zeitalter der Kommunikation und Transparenz angekommen. Die Konsumenten interessieren sich nun auch für die Lieferanten der Marken, die sie kaufen. Die Handelsunternehmen haben das gemerkt und passen sich an diese neuen Ansprüche an. Vor drei Jahren hätte unser Verband Ihnen sicherlich keine Auskünfte gegeben. Heute kommunizieren wir proaktiv, und inzwischen sind wir in der Schweiz recht bekannt.

(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)

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