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Neue Episode im Steuerstreit Schweiz-Deutschland

In Frankfurt am Main, Deutschlands wichtigstem Finanzplatz, sitzt ein Schweizer in U-Haft. Er werde verdächtigt, im Auftrag der Schweiz deutsche Steuerfahnder ausspioniert zu haben. Reuters

In Deutschland sitzt ein 54-jähriger Schweizer wegen Spionageverdachts in Untersuchungshaft. Laut seinem Anwalt wird er verdächtigt, im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes deutsche Steuerfahnder ausspioniert zu haben. Der Schweizer Verteidigungsminister äusserte sich am Dienstag zur Spionageaffäre, ohne konkrete Angaben zu machen.

Am Freitag gab der deutsche Generalbundesanwalt bekannt, dem in Frankfurt am Main festgenommenen Schweizer werde vorgeworfen, während über fünf Jahren für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Weitere Angaben zu dem Fall machte er nicht.

Am Montag äusserte sich Valentin Landmann, laut Schweizer Radio SRF der Anwalt des Schweizers, zu den Vorwürfen: “Er wird beschuldigt, für den schweizerischen Nachrichtendienst (NDB) deutsche Steuerfahnder ermittelt zu haben, die illegal in der Schweiz tätig waren”, sagte Landmann.

Ob der Schweizer Nachrichtendienst tatsächlich ein Auftraggeber des Verdächtigten gewesen war, sagte der Anwalt nicht.

Bereits am Wochenende nannten die Zeitungen “Sonntagsblick” und “Die Welt” den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) als Auftraggeber des Mannes.

Geklaute Steuerdaten

Um deutschen Steuersündern auf die Schliche zu kommen, hatten mehrere Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, in der Vergangenheit CDs mit gestohlenen Steuerdaten gekauft. Dies sorgte für Verstimmungen in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz.

Von Seiten der Schweizer Behörden waren bisher kaum konkrete Informationen zum Fall erhältlich.

Der Schweizer Verteidigungsminister Guy Parmelin sagte mit Verweis auf die laufenden Verfahren, er könne keinen Kommentar abgeben und sich nicht zu Spekulationen äussern.

Festhalten könne er nur Grundsätzliches. So könne er sagen, dass die Schweiz und Schweizer Banken regelmässig Opfer von Spionage würden.

Die Aufgabe des Schweizer Nachrichtendienstes sei es, dies aufzudecken, damit die Schweiz rechtzeitig handeln könne. Parmelin betonte weiter, der Nachrichtendienst handle im Rahmen des geltenden Gesetzes, um die Schweiz und ihre Einwohner zu schützen. Der Dienst sei dabei strikten Kontrollen unterworfen.

Parmelin verwies zudem auf Artikel 2 des geltenden Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS). Darin heisst es: “Der Bund trifft vorbeugende Massnahmen […], um frühzeitig Gefährdungen durch Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst, gewalttätigen Extremismus […] zu erkennen und zu bekämpfen.”

Schutz des Finanzplatzes

Das BWIS wird voraussichtlich am 1. September 2017 vom neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) abgelöst. In diesem steht explizit geschrieben, dass der Bundesrat “in besonderen Lagen den NDB zur Wahrung weiterer wesentlicher Landesinteressen einsetzen kann”. Als solche gälten der Schutz der verfassungsrechtlichen Grundordnung der Schweiz, die Unterstützung der schweizerischen Aussenpolitik und der Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gab am Freitag auf Anfrage lediglich bekannt, “Kenntnis von der Verhaftung eines Schweizer Bürgers in Deutschland” zu haben.

Weitere Angaben könnten aufgrund des Daten- und Persönlichkeitsschutzes nicht gemacht werden. Und die Bundesanwaltschaft teilte mit, die Mitteilung der deutschen Bundesanwaltschaft zur Kenntnis genommen zu haben.

Scharfe Kritik aus deutschem Bundesland

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verurteilte am Montag die mutmassliche Ausforschung deutscher Steuerfahnder durch einen Schweizer scharf: “Wenn das stimmt, ist das ein echter Skandal”, sagte sie an einer Kundgebung zum Tag der Arbeit in Köln.

Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, betonte in der Zeitung “Rheinische Post”, die Regierung des Bundeslandes werde sich nicht einschüchtern lassen. Die Finanzverwaltung erwerbe Steuer-CDs, weil sie Steuerhinterziehung nicht anders aufklären könne.

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