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Deutschland erhöht den Druck auf die Schweiz

Auch in Berlin: Schweizer Botschaft und Reichstag sind direkte Nachbarn. Keystone

Der Druck auf die Schweiz wächst, im Steuerstreit auf deutsche Forderungen einzugehen – auch, weil nun die Sozialdemokraten mit in der Regierung sind. Wie aber steht es um die Chancen für ein Steuerabkommen zwischen beiden Ländern unter der neuen Bundesregierung?

Die Welle der Selbstanzeigen bei deutschen Finanzbehörden ebbt nicht ab. Im Gegenteil: Laut einer Umfrage des Handelsblatts zeigten sich bis Ende Oktober 2013 deutschlandweit mehr als 20’000 reumütige Steuerhinterzieher selbst an – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2012. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Deutsche mit nicht-versteuerten Vermögen in der Schweiz.

Die Gründe für diese hohe Zahl dürften einerseits das Scheitern des Deutsch-Schweizerischen Steuerabkommens vor einem Jahr sein, auf das viele Steuersünder gehofft hatten, um sich steuerehrlich machen zu können. Die Weissgeldstrategie der Schweizer Banken zwingt sie andererseits nun, genau dies zu tun. Credit Suisse und Julius Bär beispielsweise haben ihren deutschen Kunden eine Frist bis Jahresende gesetzt, um nachzuweisen, dass sie ihre Steuerpflicht erfüllt haben. Andernfalls droht ihnen im Jahr 2014 die Aufhebung ihrer Schweizer Konten.

Wird sich der langjährige Steuerstreit zwischen Deutschland und der Schweiz also demnächst in Luft auflösen, weil sich im Laufe des kommenden Jahres nach und nach alle deutschen Steuerhinterzieher per Selbstanzeige steuerehrlich gemacht haben, wie es jüngst ein Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung prophezeite?

Altfälle wird es weiterhin geben

Thomas Eigenthaler, Chef der deutschen Steuergewerkschaft, sieht das anders. «Niemand weiss, wie viele Steuerhinterzieher sich noch immer nicht selbst angezeigt haben. Es gibt mit Sicherheit immer noch Fälle, die im Orbit des Dunkeln liegen. Sonst würden sich die Schweizer Banken nicht bemühen, solche Schwarzkunden mit der Weissgeldstrategie abzudrängen“, sagt er.

Wie also könnte eine Lösung des zähen Steuerstreits aussehen? Wie steht es um die Chancen für einen erneuten Anlauf für ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz unter der neuen deutschen Bundesregierung?

Vor genau einem Jahr scheiterte das von Wolfgang Schäube und Eveline Widmer-Schlumpf ausgehandelte Steuerabkommen im deutschen Bundesrat am Widerstand der Sozialdemokraten.

Das Abkommen sah unter anderem eine pauschale und einmalige Nachversteuerung von deutschem Schwarzgeld auf Schweizer Konten zu Sätzen von 21 bis 41 Prozent vor. Dies ermögliche deutschen Steuersündern, ihr Schwarzgeld zu viel günstigeren Sätzen zu legalisieren, als sie in Deutschland hätten zahlen müssen, kritisierten die Gegner.

Sie kritisierten ferner zahlreiche Schlupflöcher für Steuersünder wie zum Beispiel die Möglichkeit, unversteuerte Gelder aus der Schweiz in andere Steueroasen zu transferieren. Die Steuersünder wären zudem anonym geblieben.

Seit Langem fordern unter anderem die deutschen Sozialdemokraten die Einführung eines automatischen Informationsaustausches. Dieser Transfers von Daten deutscher Kunden, die Schweizer Banken ungefragt an deutsche Finanzbehörden übermitteln müssten, käme einer Aufhebung des Schweizer Bankgeheimnisses gleich.

Informationsaustausch als Ziel

Die deutsche Bundesregierung jedenfalls hat sich vorgenommen, in der frisch begonnen Legislaturperiode «weiterhin entschlossen gegen Steuerhinterziehung vorzugehen» . Als Ziel formulieren die Koalitionäre einen automatischen Informationsaustausch als internationalen Standard – eine alte Forderung der Sozialdemokraten. Bis dieser eingeführt ist, wollen sie laut Koalitionsvertrag «weitere bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen über einen automatischen Informationsaustausch abschliessen“. Ferner sieht der Koalitionsvertrag vor, die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige zu verschärfen: Künftig sollen Steuerpflichtige ihre Steuern für zehn, statt wie bisher für fünf Jahre nacherklären, um Straffreiheit zu erlangen.

Deutschland baut Druck auf

«Das wird bilateralen Druck gerade auf die Schweiz erzeugen, weil das natürlich Unruhe unter den Kunden auslösen wird, die sich noch nicht selbst angezeigt haben“, sagt Steuergewerkschafter Eigenthaler und weist zugleich auf etwas hin, was im Koalitionsvertrag nicht erwähnt ist: der künftige Umgang mit Angeboten von Steuerdaten-CDs. Da die SPD mit an der Regierung ist, kann Finanzminister Wolfgang Schäuble den Ankauf von Daten-CDs nun nicht mehr ablehnen, schätzt er. «Die CD-Frage bleibt nach wie vor im Raum. Insofern bleibt auch hier der Druck auf die Schweiz aufrecht erhalten.»

Eigenthaler weist auf ein drittes Druckmittel des deutschen Fiskus gegenüber den Schweizer Banken hin: die sogenannten Gruppenanfragen. Sie ermöglichen es den deutschen Finanzbehörden, Informationen zu einer Gruppe von Fällen abzufragen, die ein gleichartiges Hinterziehungsmuster aufweisen. «Mit dieser Methode hat man noch wenig Erfahrung, aber wenn die Gespräche nicht richtig in Gänge kommen, wird man die Gruppenanfragen sicher forcieren», schätzt Eigenthaler. Seinem Eindruck nach sei die Schweizer Bankenwelt in die Defensive geraten, während der deutsche Fiskus eine aktivere Rolle übernommen hat.

Ein sogenanntes Drittstaaten-Abkommen zwischen der Schweiz und der EU verpflichtet die Schweiz, in bestimmten Fällen eine Art Quellensteuer für den deutschen Fiskus zu erheben. Bislang beschränkte sich diese Richtlinie rechtlich jedoch nur auf natürliche Personen.

Laut Koalitionsvertrag will die neue Bundesregierung den Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtlinie auf alle Kapitaleinkünfte und alle natürlichen und juristischen Personen ausdehnen – das heisst auch auf Trusts, Stiftungen und Kapitalgesellschaften.

«Ein Abkommen in alter Form wird es nie mehr geben»

Die deutsch-schweizerischen Steuerbeziehungen bleiben also unruhig. Die Schweizer Politik müsse sich nun überlegen, wie sie vorgehen wolle, so Eigenthaler. Hinsichtlich der Chancen für ein neues Steuerabkommen der Nachbarländer ist der Steuergewerkschafter überzeugt, dass es in keinem Fall eine Neuauflage des ursprünglich geplanten Abkommens geben wird.

«Wenn es zu einem Informationsaustausch für die Zukunft kommt, wenn somit das Ziel des Koalitionsvertrages erfüllt wäre, dann könnte es gut sein, dass man erneut nach einer Regelung für die Vergangenheit sucht», prognostiziert er: «Je offener sich die Schweizer Seite diesbezüglich zeigt, umso eher wird man auf deutscher Seite bereit sein, mit der Vergangenheit doch etwas pauschaler umzugehen.»

Läuft es auf eine multilaterale Einigung hinaus?

Die neue Bundesregierung ist erst wenige Tage im Amt. Konkrete Pläne für Neuverhandlungen der Steuerfrage dürfte es noch kaum geben. Auf Anfrage von swissinfo.ch bestätigte ein Sprecher des weiter amtierenden Finanzministers Wolfgang Schäuble jedoch, dass die Bundesregierung einen «multinationalen Ansatz» weiterverfolge, was bedeuten dürfte, dass sie eine Einigung über Verträge der Schweiz mit der EU zu erreichen hofft.

Auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hatte Ende November in Genf angekündigt, die Schweiz wolle einen Rahmenvertrag mit der Europäischen Union (EU) aushandeln, um die Vergangenheitsbewältigung des Finanzplatzes zu regeln.

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