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“Ein Traum wird Wirklichkeit”

Nicole Petignat ist seit 21 Jahren Fussball-Schiedsrichterin, seit vier Jahren auch an Elitespielen der Schweizer Männer.

Ihre guten Leistungen öffnen ihr die Türen für Spiele auf europäischer Ebene. In einem Interview mit swissinfo spricht sie von ihren Gefühlen.

Die fussballbegeisterte Jurassierin lebt in der Deutschschweiz und hat seit vielen Jahren eine Vorreiterrolle inne.

Dank ihren Fähigkeiten konnte sie das Finalspiel des Frauenweltcups in den USA leiten, ebenso Spiele der bisherigen NLA der Schweizer Männer.

Jetzt steht sie vor einer noch grösseren Herausforderung: Sie wird als erste Frau in einem internationalen Spiel der UEFA als Schiedsrichterin amten.

swissinfo: Wie erfuhren Sie von Ihrer Ernennung durch die UEFA?

Nicole Petignat: Ich bekam einen Telefonanruf eines leitenden UEFA-Vertreters. Er fragte mich, ob ich am 14. August frei sei.

Als ich dies bejahte, sagte er mir, dass ich beim Europacupspiel zwischen den Schweden von AIK Stockholm und den Isländern von Fylkir als Schiedsrichterin amten werde.

Ich war ganz gerührt, denn damit geht für mich ein Traum in Erfüllung. Als Schiedsrichterin auf dieser Ebene zum Einsatz zu kommen, ist eine grosse Ehre und eine Anerkennung meiner Fähigkeiten, das ist fantastisch! Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass die UEFA das “Risiko” eingehen würde, die Leitung eines solchen Spiels einer Frau zu übertragen.

Werden Sie sich auf diesen Tag besonders vorbereiten?

Nein, ich stelle mir dieses Spiel wie einen Match der Schweizer Nationalliga vor. Ich trainiere wie gewohnt. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich nicht weiss, was mich erwartet. In der Schweiz kenne ich die Mannschaften. Das ist aber nicht unbedingt ein Vorteil.

Stehen Sie nicht zusätzlich unter Druck, weil sie die erste Frau sind, der diese Ehre zuteil wird?

Es stimmt, dass ich mich irgendwie besonders verantwortlich fühle. Denn wenn ich eine gute Leistung zeige, ebne ich damit anderen Schiedsrichterinnen den Weg. Sie können sich dann ein relativ hohes Ziel stecken. Das ist eine gute Motivation. Ich darf keine Fehler machen, so dass auch anderen Frauen diese Ehre zuteil wird.

Was den Druck angeht, der kommt vor allem von den Medien. Aber dank meiner bisherigen Erfahrungen bin ich darauf ja etwas vorbereitet.

Mein erster NLA-Match, das Finalspiel des Frauenweltcups in Kalifornien vor über 80’000 Zuschauerinnen und Zuschauern und mein erstes Schiedsrichteramt an den österreichischen Meisterschafts-Spielen: Auf all dem kann ich aufbauen.

Jedes Mal musste ich den Medien Red und Antwort stehen und wurde mir dabei auch meiner Verantwortung bewusst. Aber der 14. August wird in meiner Erinnerung natürlich für immer ein besonderer Tag sein.

Ist es ein Vorteil, dass Sie ihr Privatleben mit dem gegenwärtig besten Schweizer Schiedsrichter Urs Meier teilen?

Ja und nein. Ja, weil wir über unsere Arbeit sprechen. Dadurch können wir uns weiter entwickeln. Seine Ratschläge sind sehr wichtig für mich. Und nein, weil ich manchmal den Eindruck habe, man erwarte von mir, dass ich das Spiel gleich leite wie er. Aber insgesamt ist es natürlich ein Vorteil.

Sie sind 36-jährig und seit vier Jahren Schiedsrichterin auf hoher Ebene. Welche Ziele setzen Sie sich nun?

Eigentlich keine. Wie ich schon sagte, kam mir überhaupt nie der Gedanke, dass ich eines Tages ein europäisches Männerspiel leiten würde. Ich werde also einfach mein Bestes geben, um eventuell Kolleginnen den Weg zu ebnen.

Und auch, wenn alles gut geht, damit ich wieder einmal so etwas tun kann. Für den Moment will ich nicht weiter schauen. Aber ich hoffe, dass die Zukunft mir noch ein paar schöne Überraschungen bringt.

swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

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