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“Ich bin Gast, aber keine Ausländerin”

Schon im Winter werden die Camping-Plätze für den nächsten Sommer reserviert. swissinfo.ch

Sie lebt seit über 30 Jahren in Deutschland. Die Liebe hatte Ruth Ziegler-von Allmen damals aus dem Berner Oberland nach Südbaden geführt.

Mit ihrem Mann führt sie seit einigen Jahren in Kirchzarten bei Freiburg im Schwarzwald einen Camping-Platz.

Bereut hat Ruth Ziegler den Schritt nach Deutschland nie. “Mittlerweile bin ich sogar froh, nicht mehr in der Schweiz zu wohnen, wo der Horizont doch manchmal etwas eng ist”, sagt sie bei einem Spaziergang durch “ihre Stadt” Freiburg. Sie liebt Freiburg, das wird beim Bummel durch die verwinkelten Strassen der Altstadt rasch klar.

Ihre Verbindungen in die Schweiz sind aber bis heute intakt. Besuche in Stechelberg bei Interlaken, wo Ruth Zieglers Elternhaus steht, gehören zu ihrem Leben.

Auch für ihre mittlerweile erwachsenen Kinder ist das Berner Oberland Teil des Lebens. “Für die dritte Generation ist das dann vielleicht anders”, so Ziegler.

Umstände sprachen für Deutschland

Als sie vor mehr als 30 Jahren ihren aus Bremen stammenden Ehemann kennen lernte, war bald einmal klar, dass das Paar sich in Deutschland niederlassen würde. Als Deutscher fand der Bauingenieur Günter Ziegler zu der Zeit in der Schweiz keine adäquate Anstellung.

Dass sie einen Deutschen heiratete und wegging, war für ihr Umfeld nicht einfach. “Für meine Mutter war es am Anfang schwer.” Das habe sich dann zum Glück bald geändert, denn sie “liebte ihren Schwiegersohn”, sagt Ruth Ziegler mit einem Zwinkern zu ihrem Ehemann.

Es folgten zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, heute 31 und 29 Jahre alt. Günter Ziegler arbeitete schliesslich 25 Jahre lang als Bauamtsleiter der Gemeinde Kirchzarten.

Mutter und jetzt “Campingplatz”-Mama

Ruth Ziegler widmete sich in den ersten Jahren vor allem den Kindern, arbeitete später im lokalen Pfarramt. Seit drei Jahren führt sie nun mit ihrem Mann den Campingplatz von Kirchzarten. “Das macht Spass, nicht zuletzt, weil es ein Familienbetrieb ist.”

Dazu gehört auch der Sohn: Er arbeitet Teilzeit als Rettungsassistent und daneben auf dem Campingplatz. In den folgenden Jahren will er seinen Eltern vermehrt unter die Arme greifen, damit sie ihre Arbeit langsam reduzieren können. An Rente denken die beiden aber vorerst nicht.

Der Platz hat 500 Stehplätze, in der Saison geht es hoch zu und her. Die Tage sind lang – und wenn es dann im Herbst ruhiger wird, “geniessen wir das auch”.

An diesem kühlen Herbsttag herrscht auf dem Platz eine spezielle Atmosphäre, eine Welt für sich. Auch Baulärm dringt durch die Bäume: Es entsteht ein neues Gebäude, unter anderem mit einem Aufenthaltsraum für Jugendliche.

Rückkehr keine Option

Ruth-Ziegler ist jetzt 56 Jahre alt. In die Schweiz zurückkehren will sie auch aufs Alter hin nicht. “Das ist für uns keine Option.” Dass die Sprachbarriere im süddeutschen Raum kaum eine ist, erleichterte die Integration. Ziegler bezeichnet sich heute noch als Gast, aber nicht als Ausländerin.

Sie fühlt sich wohl in der Region zwischen Freiburg, Kirchzarten und Buchenbach, wo das Wohnhaus steht, welches das Ehepaar 1978 erworben hatte. Schattenseiten gebe es überall, sagt Ziegler. “Als Fremde muss ich mich anpassen, nicht mein Gastland.”

Und: “Meine Heimat ist die Schweiz, doch zu Hause bin ich hier.” Schliesslich leben auch ihre Kinder in der Region. “Grossmutter bin ich zwar noch nicht, aber bereit wäre ich.” Erneut blitzt der Schalk in ihren Augen auf.

Bitte keine verklärten Schweiz-Bilder

Im Raum Freiburg leben zudem viele Schweizer und Schweizerinnen. Auch auf dem Campingplatz finden sich zahlreiche Gäste aus der alten Heimat. “Die schätzen es, wenn sie hier Dialekt sprechen können.”

Mit verklärten, überzeichnet positiven Bildern der Schweiz will Ruth Ziegler nichts zu tun haben. Schweizerinnen und Schweizer, die ihr Land über den Klee loben, sind ihr ein Gräuel. “Das regt mich auf, denn schliesslich wird man einfach irgendwo geboren, tut selber nichts dazu.”

Etwas mehr Offenheit stünde der Schweiz gut an, sagt Ruth Ziegler. Und denkt dabei nicht zuletzt an die Integration des Landes in Europa. Zur EU hat sie selber ein kritisch-positives Verhältnis.

Aktive Auslandschweizerin

Trotzdem: Ruth Ziegler verschliesst sich der Schweiz nicht. Sie ist eine aktive Auslandschweizerin, die auch ihre staatsbürgerlichen Rechte nutzt und sich regelmässig an den eidgenössischen Abstimmungen beteiligt. Wie auch ihr Schweizer gewordener Ehemann und die beiden Kinder.

Bis Frühjahr 2005 war Ruth-Ziegler 12 Jahre Mitglied im Auslandschweizer-Rat, dem “Parlament” der weltweiten Auslandschweizer-Gemeinde. Und in Freiburg ist sie die Präsidentin des lokalen Schweizer Vereins.

Diese Vereine seien heute etwas zu einem Auslaufmodell geworden. Vor allem in Europa brauche es diese Vereine nicht mehr wirklich.

“Je weiter weg jemand von der Schweiz, von Europa ist, umso grösser dürfte das Bedürfnis nach dortigen persönlichen Kontakten mit Landsleuten sein”, schätzt Ziegler.

swissinfo, Rita Emch, Kirchzarten

In Deutschland lebten 2004 rund 70’455 Schweizerinnen und Schweizer.
60% sind Doppelbürger.
Rund 24% sind unter 18 Jahre alt, rund 14% über 65.
25% der 53’445 stimm- und wahlberechtigten Schweizer Staatsangehörigen in Deutschland sind registriert.

Ruth Ziegler-von Allmen wurde 1949 geboren. Aufgewachsen ist sie in Stechelberg bei Interlaken. Sie ist gelernte Kindergärtnerin.

Vor rund 33 Jahren lernte sie ihren Mann kennen. Es folgte der Umzug nach Deutschland.

Das Ehepaar hat zwei Kinder (heute 31 und 29 Jahre alt). Seit drei Jahren leitet sie mit ihrem Ehemann einen Campingplatz in Kirchzarten vor den Toren Freiburgs im Breisgau.

Der Luftkurort Kirchzarten liegt im Schwarzwald, auf rund 400 m über Meer.

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