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“Schweizer Qualitäten bleiben DNA von Mammut”

Ist "sehr glücklich" mit den neuen Besitzern: Oliver Pabst, CEO von Mammut. Mammut

Trotz der Übernahme durch die britische Telemos Capital will Mammut nach eigenen Angaben seine "starken Schweizer Wurzeln" behalten. Oliver Pabst, Chef der traditionsreichen Outdoor-Marke, will die Präsenz in Europa und Japan stärken, bevor er den chinesischen Markt in Angriff nimmt.

Die 1862 gegründete Mammut Sports Group (kurz Mammut) mit Sitz in Seon im Kanton Aargau ist spezialisiert auf Bergsport- und Outdoor-Produkte: Kleider, Schuhe, Kletter-Ausrüstung wie Seile, Helme, Schlafsäcke, Rucksäcke und weiteres Equipment. Das Unternehmen ist in rund 40 Ländern vertreten und zählt über 820 Mitarbeitende.

Im Jahr 2020 erzielte Mammut, damals noch zur Conzzeta-Gruppe gehörend, einen Nettoumsatz von 218 Millionen Schweizer Franken. Im vergangenen April gab Conzzeta bekannt, dass sie Mammut an die britische Investmentgesellschaft Telemos Capital verkauft hat.

swissinfo.ch: Wie war Mammut von der Pandemie betroffen?

Oliver Pabst: Wir haben die Pandemie nicht als Katastrophe betrachtet, sondern als Herausforderung. Und die Krise hat uns einen echten Schub gegeben. Konkret haben wir die Kommunikation mit unserer Endkunden intensiviert, mit der Botschaft: “Bleibt zu Hause, die Berge werden auf Euch warten”.

Oliver Pabst ist seit September 2016 Geschäftsführer der Mammut Sports Group. Er begann seine Karriere 1993 bei McKinsey in Zürich.

Von 2002 bis 2005 war Papst geschäftsführender Gesellschafter der Boards & More Holding SA in Montreux. Anschliessend war er von 2006 bis 2015 Mitglied der Geschäftsleitung und Geschäftsführer mehrerer Bereiche der Willy Bogner KGaA in München.

Pabst hat an der Universität St. Gallen in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Zudem absolvierte er das Global Leadership Program am Lausanner Managementinstitut IMD.

Danach haben wir die Initiative ergriffen, unsere Kundinnen und Kunden zu ermutigen, die Berge in ihrer Nähe besser kennenzulernen: Eine entsprechende Kampagne in den sozialen Netzwerken wurde bereits mehr als 35 Millionen Mal aufgerufen.

Hat diese Kampagne Ihre Online-Verkäufe gesteigert?

Ja, sicher! Sie hat die erzwungene Schliessung der realen Verkaufsstellen zu einem grossen Teil kompensiert. Das Wachstum des E-Commerce folgt aber einem allgemeinen Trend, der lange vor der Pandemie begonnen hatte. 2016 waren unsere Internetverkäufe kaum existent, während dieser Kanal heute – direkt oder über Marktplätze – einen bedeutenden Teil unseres Umsatzes ausmacht.

Wie unterscheidet sich Mammut von seinen Konkurrenten wie Patagonia, North Face oder Arc’teryx?

Unsere Produkte sind – wie die von Arc’teryx – stark auf Leistung und das Hochgebirge ausgerichtet. In diesem Sinne betrachten wir Patagonia oder North Face nicht als direkte Konkurrenten, da sich deren Produkte vor allem an Naturliebhaberinnen und Sonnenuntergangs-Schwärmer richten.

Ein konkretes Beispiel: Wir arbeiten ständig daran, unsere Rucksäcke für das Hochgebirge zu optimieren; diese Säcke wiegen nur 2,5 Kilo, aber für unsere Kundschaft ist es wichtig, das Gewicht weiter reduzieren zu können, auch wenn es nur um weitere 100 Gramm geht. Dagegen sind die Rucksäcke von Patagonia oder North Face auch mit einem Gewicht von 5 Kilo noch für ihre Zielgruppen geeignet.

Ihre Produktpalette ist breit und komplex. Warum konzentrieren Sie sich nicht auf das, was am profitabelsten ist, und/oder auf das, was Sie am besten können?

Es stimmt: Unser Angebot, das Kleidung, Schuhe, Kletterausrüstung und sogar eine Bergsteigerschule umfasst, verursacht Komplexität und damit Kosten. Im Grunde genommen hatten wir zwei Wachstumsstrategien: Entweder mehr Produkte für unsere bestehende Kundschaft anzubieten oder unsere bestehenden Produkte mehr Kunden und Kundinnen anzubieten.

Im Rahmen dieser Überlegungen hatte sich unser Konzern schon vor vielen Jahren entschieden, seine Produktpalette grundlegend zu erweitern. Dies führte unter anderem zu den Übernahmen von Raichle (Schuhe) und Ajungilak (Schlafsäcke). Aber um unsere Kosten einzudämmen, haben wir unser Angebot seit 2016 um 20% reduziert.

Planen Sie, in Zukunft mehr Gewicht auf “Stadt”-Produkte zu legen oder gar Brillen, Uhren oder Parfums auf den Markt zu bringen, die in Lizenz hergestellt und vertrieben werden?

Wir stellen fest, dass sich immer mehr Menschen für unsere Produkte interessieren, weil diese nicht nur Schweizer Qualität und zeitgemässes Design bieten, sondern langlebig sind und über fortschrittliche Funktionen verfügen. Mit unserer “Urbaneering”-Kollektion reagieren wir auf diese erhöhte Nachfrage. Die bisherigen Ergebnisse ermutigen uns, in dieser Richtung weiterzumachen.

Was die Herstellung und Vermarktung von lizenzierten Brillen, Uhren oder Parfüms betrifft: Ich weiss, dass viele Mode- und Luxusunternehmen diese Nischen sehr attraktiv finden. Im Falle von Mammut ist ein solcher Schritt jedoch nicht geplant.

Laut Conzzeta hat Mammut nicht ausreichend Zugang zu Märkten ausserhalb Europas. Wird Telemos Capital Ihnen bei der Lösung dieser Herausforderung helfen können?

Um einen neuen Eigentümer zu finden, hatten wir zahlreiche Kontakte zu Private-Equity-Firmen, zu Family Offices und strategischen Investoren. Diese potenziellen Eigentümer waren in Europa, Asien oder Nordamerika ansässig. Keiner von ihnen hätte uns ermöglicht, unsere Präsenz in unseren drei wichtigsten potenziellen Märkten, d.h. in Europa, Asien und Nordamerika, schnell zu stärken.

“Wir sind sehr glücklich mit der Telemos Capital, mit ihrer langfristigen Vision und ihren starken Schweizer Wurzeln.”

Letztlich sind wir sehr glücklich mit Telemos Capital, die sowohl eine Private-Equity-Firma als auch ein Family Office mit einer langfristigen Vision und starken Schweizer Wurzeln ist (Telemos Capital wird von Philippe Jacobs geführt, der auch Co-Präsident des Verwaltungsrats der Jacobs Holding AG ist, die Red.).

Zudem glaubt Telemos Capital an die Zukunft unserer Branche und jener von Mammut und schätzt die Kompetenz unserer Teams. Konkret werden wir mit der Konsolidierung unserer Präsenz in Europa und Japan beginnen, wo wir bereits gut etabliert sind. Danach werden wir uns wahrscheinlich auf den chinesischen Markt konzentrieren. 

Werden Sie Ihre Strategie anpassen, jetzt wo Sie einen neuen Eigentümer haben?

Formell wurde die Transaktion erst am 30. Juni 2021 abgeschlossen, und unsere Strategie wird sicherlich in Kürze mit unserem neuen Eigentümer überprüft werden. Wahrscheinlich werden sich neue Prioritäten ergeben. Wäre unser neuer Eigentümer ein strategischer Investor gewesen, hätte man wohl mit viel mehr Veränderungen rechnen müssen.

Welche Aktivitäten von Mammut werden nie ausgelagert werden?

Das ist eine Schlüsselfrage, denn in der Bekleidungsindustrie lagern viele Unternehmen fast alles aus, ausser ihrem Markenmanagement.

In unserem Fall legen wir grossen Wert darauf, die Verantwortung für Technik, Qualität, Innovation und Ästhetik selbst zu übernehmen. Diese “Schweizer Stärken” sind ein wesentlicher Teil unserer DNA. Auch wenn unsere Produkte im Ausland von externen Firmen hergestellt werden, wird die Produktentwicklung und Qualitätskontrolle immer im eigenen Haus in der Schweiz erfolgen.

Wie sehen Sie die Zukunft von Mammut in zehn Jahren?

Wir haben drei Hauptprioritäten: Kontinuierliche Innovation, Absatz über verschiedene Vertriebskanäle (vor allem über digitale Kanäle) und die Erschliessung des chinesischen Marktes.

Zudem werden wir unsere Bemühungen bei drei Schlüsselinitiativen fortsetzen: Nachhaltigkeit, Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere die Beschaffung und Investitionen in unsere Mitarbeitenden.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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