Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

50 Jahre Prognosen über das Wachstum

50 Jahre KOF: 50 Jahre Zahlen und Kurven im Dienste der Volkswirtschaft. imagepoint

Am Freitag feiert die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), die über einen ausgezeichneten Ruf verfügt, ihren 50-jährigen Geburtstag.

Für Gewerkschafts-Ökonom Serge Gaillard ist die KOF eine “sehr wichtige Institution”, vor allem wegen ihres Modells und ihrer Unabhängigkeit.

Den Gang der Welten vorauszusagen, dazu fühlen sich all die Madame Etoiles dieser Welt berufen. Wenn es darum geht, wie sich die Schweizer Wirtschaft in den nächsten beiden Jahren entwickelt, reicht aber das Lesen im Kaffeesatz definitiv nicht mehr aus.

Auf dem Gebiet der Wirtschaftsprognosen hat sich die Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (KOF) einen äusserst soliden Ruf erworben. Das Institut feiert am Freitag (15.4.) seinen 50. Geburtstag, mit einer Jubiläumstagung zum Thema “KOF Konjunkturumfragen – 50 Jahre am Puls der Wirtschaft”, an der namhafte Experten referieren.

Und in diesem Jahr steht gleich noch ein weiteres wichtiges Datum an: Ende September geht der langjährige Direktor, der Ökonom Bernd Schips, als “Mr. KOF” in Pension.

Wissenschaftliches Modell

“Die KOF rechnet in der am Donnerstag publizierten Frühjahrsprognose für 2005 mit einem Wachstum von 1,6%.” Hinter der von den Nachrichtenagenturen Anfang April verbreiteten unscheinbaren Zahl verbirgt sich ein wissenschaftlich ausgeklügeltes und hochkomplexes Modell, das mit den Resultaten von regelmässigen Unternehmens-Befragungen gefüttert wird.

Eckpfeiler des Modells sind das internationale Umfeld, Entscheide der wirtschaftspolitischen Akteure, Fiskalpolitik, Geldpolitik im In-und Ausland und Annahmen zum Verhalten des Staates, der Firmen sowie der privaten Haushalte.

Eigenständigkeit als Vorteil

Für Serge Gaillard, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SBG), ist die Jubilarin “ein ganz wichtiges Institut”. Das deshalb, weil die KOF neben der Schweizerischen Nationalbank als einziges Institut über die kritische Grösse verfüge, um eine eigenständige Konjunkturforschung und –beurteilung vorzunehmen.

Für Gaillard ist es deshalb ganz wichtig, dass die KOF ihre Unabhängigkeit bewahren kann. “Sonst gibt es in der Schweiz punkto Konjunktur nur noch Einheitsmeinungen, und das wäre schädlich für die Wirtschaftspolitik.”

Kleine Zahl…

Konjunkturprognosen drängten sich auf, damit Staaten ihre volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen vergleichen können. Wichtig sind sie ebenfalls für Entscheide über Investitionen: Tendiert die Zahl gegen Null, ist Wahrung des Besitzstandes angesagt.

Steht ein Minus vor der Zahl, lautet die Parole dann “Gürtel enger schnallen”, was Streitereien auslöst, weil erfahrungsgemäss zuerst alle anderen damit anfangen sollen.

… mit grosser Bedeutung

Verheissen die Prognosen dagegen anziehendes Wachstum, spriessen in allen Ecken des Landes sofort allerlei Begehrlichkeiten aus dem Boden. Einzig die Gehälter in den Manager-Etagen der Grosskonzerne scheinen von den Konjunkturaussichten unbeeinflusst: Sie steigen und steigen.

Richtungsweisend sind die Prognosen auch für die Unternehmen, die ihre Investitions- und Lohnpolitik danach ausrichten.

Öffentliches Gut

Die KOF produziere ein öffentliches Gut, für das auch eine öffentliche Nachfrage bestehe, so der Gewerkschaftsvertreter. “Wir selber benützen die KOF-Datenbanken für unsere halbjährliche Konjunktur-Beurteilung.”

Die KOF geniesse einen guten Ruf. Aufholbedarf sieht Gaillard aber bei den internationalen Kooperationen, die vermehrt notwendig seien. Dem Schips-Nachfolger legt Gaillard ans Herz, die Konjunkturforschung weiterhin als Kerngeschäft zu betreiben.

Methode immer verfeinern

Das enorme Plus des KOF-Modells liegt für Gaillard darin, dass es immer wieder angepasst werden kann. Die Beseitigung von Fehlern führt so zu immer genaueren Messmethoden.

Der SGB-Ökonom zählt aber auch noch andere Stärken der Institution auf: Die Innovationsforschung als zweites Standbein sowie die wichtige Rolle in der Ausbildung der Konjunkturforscherinnen und -forscher.

“Die KOF verfügt als einziges Institut über einen Mittelbau, der in der Forschung Kontinuität und Stabilität verleiht, im Gegensatz etwa zu den Hochschulen”, streicht Gaillard heraus.

Keine exakte Wissenschaft

Aber auch das komplexeste Modell kann nichts daran ändern, dass Ökonomie keine exakte Wissenschaft ist. Und das Feld der Konjunkturprognosen erst recht nicht. Gott habe die Ökonomen geschaffen, damit die Meteorologen mit ihren Fehlprognosen nicht allein auf Erden sind, lautet ein Spruch des KOF-Leiters Bernd Schips.

Dennoch gibt es gravierende Unterschiede: Ist Regenwetter angesagt, ist unbestritten, ob ein Schirm sinnvoll ist oder nicht.

swissinfo, Renat Künzi

Grundstein der KOF erfolgte 1937 mit der Gründung der Gesellschaft für Konjunkturforschung.
Die erste modellgestützte Konjunkturprognose lieferten die KOF-Experten in den 1960er-Jahren.
Heute befragt die KOF jeden Monat 6000 Schweizer Unternehmen aus Industrie, Baugewerbe, Handel, Gastgewerbe, Architektur und Ingenieurbranche über deren Geschäftsgang.
Daraus zieht sie Schlüsse über die allegmeine Entwicklung der Wirtschaft.

Die KOF ist das renommierteste Konjunkturforschungs-Institut der Schweiz.

Weitere Institute im Bereich Konjunkturprognosen: BAK (Basel), Créa (ETH Lausanne), seco und Schweizerische Nationalbank (beide Bund) sowie Banken (UBS, Credit Suisse, Zürcher Kantonalbank etc.)

Als einziges Institut basiert die KOF ihre Prognosen auf ein wissenschaftliches Modell, das laufend verbessert wird.

Parameter sind das internationale Umfeld, Entscheide der wirtschaftspolitischen Akteure, Fiskalpolitik, Geldpolitik im In-und Ausland und Annahmen zum Verhalten des Staates, der Firmen sowie der privaten Haushalte.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft