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Abschied für einen Kämpfer der Menschenrechte

Vieira de Mellos Leibwächter tragen seinen Sarg aus der Kirche. Keystone

Sergio Vieira de Mello, der UNO-Sonderbeauftragte für Irak, ist am Donnerstag in Genf beerdigt worden.

Der Menschenrechtler war zusammen mit 22 weiteren Personen beim Anschlag auf das UNO-Hauptquartier in Bagdad ums Leben gekommen.

Die Genfer Kirche Saint Paul war viel zu klein für die über 500 Menschen, die Sergio Vieira de Mello die letzte Ehre erweisen wollten. Seine beiden Söhne Adrien und Laurent betonten, die Arbeit ihres Vaters müsse weitergehen.

“Seine Mörder haben ihn nicht wirklich umgebracht”, sagte Laurent. “Sein Erbe und seine Ideale, den Menschen dieser Erde zu helfen, werden in jedem von uns weiterleben.”

Freunde in aller Welt

Unter den Trauergästen anwesend waren auch Nane Annan, die Frau von Kofi Annan, Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, und Manuel Tornare, Bürgermeister von Genf.

Viele kamen von weit her, so auch Ramos Horta, Aussenminister von Ost-Timor. “Auch wenn ich nicht in offizieller Funktion hier wäre, hätte ich privat die Reise unternommen, um Abschied von Sergio zu nehmen.”

Vieira de Mellos Beisetzung war ursprünglich im französischen Thonon-les-Bains geplant, wo er mit seiner Familie gelebt hatte.

Doch die Genfer Regierung bot der Familie für Mellos Grab einen Platz auf dem Friedhof Plainpalais an, neben bedeutenden Persönlichkeiten wie Calvin oder Jose Luis Borges.

Engagierter Menschenrechtler

Der 55jährige Brasilianer hatte einen Grossteil seiner Karriere im europäischen UNO-Sitz verbracht. Er begann seine Karriere 1969 in Genf im UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR).

Humanitäre Einsätze führten ihn an die Konfliktherde der Welt: Bangladesch, Sudan, Zypern, Mocambique, Ost-Timor und Peru, um nur einige zu nennen.

Während seiner ganzen Karriere gewann er einen Ruf als effizienter internationaler Problemlöser und als geistreiche, gütige und geduldige Führungsperson. Viele seiner Mitarbeiter sahen in ihm bereits einen zukünftigen UNO-Generalsekretär.

“Während seines ganzen Lebens arbeitete Sergio im humanitären Sektor in diversen Konfliktherden. Wir alle schätzten ihn als Menschen und als Profi”, sagte UNO-PR-Chefin Elena Ponomareva gegenüber swissinfo.

Aufmerksamer Mitmensch

“Er war ein sehr beschäftigter Mann, doch immer fand er Zeit für ein kurzes ‘Hallo’, nie vergass er einen Namen”, so Ponomareva, “dies schloss auch die Leute vom Putzdienst mit ein.”

Im September 2002 wurde Vieira de Mello zum UNO-Menschenrechtskommissar befördert. Im letzten Mai übertrug ihm Generalsekretär Kofi Annan die Leitung der UNO-Operation im Irak.

Am 19. August fiel Sergio Vieira de Mello dem Bombenanschlag auf das UNO-Hauptquartier in Bagdad zum Opfer.

Weltweite Anteilnahme

Eine Woche nach dem Anschlag hatten am Dienstag tausende Diplomaten und Mitarbeiter der Vereinten Nationen mit Schweigemärschen in aller Welt der Opfer des Anschlags gedacht. UNO-Generalsekretär Kofi Annan schloss sich dem Trauerzug in New York an.

In Genf ehrten rund 2500 UNO-Angestellte ihre Kollegen, die ums Leben gekommen waren. Der Trauerzug wurde angeführt vom amtierenden Hochkommissar für Menschenrechte, Bertrand Ramcharan, dem Hochkommissar für Flüchtlinge, Ruud Lubbers, und dem Generaldirektor des UNO-Sitzes in Genf, Sergei Ordschonikidse.

Nach der Versammlung auf der Place des Nations legten die Angestellten vor dem Eingang des UNO-Gebäudes eine weisse oder gelbe Rose sowie Blumensträusse nieder.

Unter dem Eindruck des verheerenden Bombenanschlags hat der Weltsicherheitsrat gleichentags Angriffe auf UNO-Personal zu Kriegsverbrechen erklärt. Derartige Verbrechen müssten künftig nach dem Völkerrecht geahndet werden.

Im Fadenkreuz des Terrors

Der Anschlag, der neun weitere UNO-Mitarbeiter das Leben kostete, führte bei internationalen Organisationen und Hilfswerken im Land zu Angst und Unsicherheit: Sie selber könnten bald in der Schusslinie stehen.

Anfang dieser Woche kündigte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) an, ihre Aktivitäten im Irak zurückzufahren. Man wolle das Risiko für die Angestellten möglichst gering halten, so die Begründung.

“Wir haben keine Wahl, die Sicherheit unserer Angestellten kommt zuerst”, sagte IKRK-Pressesprecher Florian Westphal gegenüber swissinfo. Eine Konsequenz des Personalrückzugs wird beispielsweise die Aufgabe des Programms zur Suche vermisster Familienmitglieder sein.

Und Kris Janowski vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge fügte an: “So etwas hat die UNO noch nie erlebt. Nun fragen wir uns natürlich, wie weit wir unsere Leute dieser Gefahr aussetzen dürfen.”

Arbeit geht weiter

Die Angst der Mitarbeiter “im Feld” bestätigt auch Francoise Belmont vom UNO-Umweltprogramm: “Niemand ist mehr sicher. Wo führt das hin, wenn Helfer angegriffen werden?”, sagte sie zu swissinfo. “Es ist ein schwerwiegender Schlag gegen die Menschenrechte.”

Bernardo Mariano vom UNO-Einwanderungsbüro in Genf ist der gleichen Meinung. Die beste Art jedoch, Vieira de Mellos Leben zu gedenken, sei es, die Arbeit fortzuführen.

“Wir sollten nicht aufgeben. Unsere Aufgabe ist es, den Hilfsbedürftigen unter die Arme zu greifen”, sagte er. “Damit Sergios Leben und diejenigen der anderen Opfer nicht umsonst waren.”

swissinfo, Anna Nelson, Genf

Sergio Vieira de Mello, der UNO-Sonderbeauftragte für Irak, ist am Donnerstag in Genf beigesetzt worden.

Der 55-jährige Brasilianer war zusammen mit 22 weiteren Menschen beim Anschlag auf das UNO-Hauptquartier in Bagdad vom 19. August ums Leben gekommen.

Vieira de Mello arbeitete seit 1969 für die Vereinten Nationen. Einen Grossteil seiner Karriere verbrachte er in Genf.

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