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Ärzte mit Torschlusspanik

Bei den Ärzten ist der Verteilkampf um Praxiszulassungen ausgebrochen. allmed.net

Der geplante dreijährige Ärztestopp hat bei den Kantonen sowie bei santésuisse eine Flut von Gesuchen nach Praxisbewilligungen ausgelöst.

Vergangene Woche beschloss die Schweizerische Sanitätsdirektoren-Konferenz (SDK), die bundesrätliche Verordnung über einen Zulassungsstopp für frei praktizierende Ärzte zu unterstützen (siehe Link).

Angesichts dieser Entscheidung seien viele Ärztinnen und Ärzte in eine Art Torschlusspanik gefallen, bestätigte Peter Marbet, Sprecher des Krankenversicherer-Verbands santésuisse, eine entsprechende Meldung des “Tages-Anzeigers”.

santésuisse habe festgestellt, dass die Zahl der Gesuche für neue Praxiseröffnungen in den letzten Tagen und Wochen sprunghaft zunahm. Genaue Zahlen konnte Marbet allerdings nicht nennen.

Viele Gesuche unvollständig

Schweizer Ärzte, welche eine Praxis eröffnen wollen, brauchen zuerst eine Bewilligung des Kantons. Im Rahmen dieses Verfahrens müssen sie Nachweise bezüglich ihrer Ausbildung erbringen. Danach müssen sie bei santésuisse eine so genannte Zahlstellennummer beantragen, die berechtigt, mit den Krankenkassen abzurechnen.

Der Blutdruck bei der angehenden frei praktizierenden Ärzteschaft scheint recht hoch zu sein: Gemäss Marbet waren nämlich viele der hastig eingereichten Gesuche unvollständig. Einige Ärzte hätten gar versucht, eine Zahlstellennummer zu ergattern, ohne im Besitze einer kantonalen Bewilligung oder eines Diploms zu sein.

Wider die Schwarzen Schafe

Bereits am Freitag hatte die Schweizerische Ärztegesellschaft (FMH) “Betrügern” der Zunft den Kampf angesagt. FMH-Präsident Hans-Heinrich Brunner schlug deshalb vor, den Vertragszwang in der heutigen Form aufzulösen.

Da es eben gute, mittelmässige und schlechte Ärzte gebe, müsse innerhalb der Ärzteschaft eine qualitative Selektion vorgenommen werden. Gegenüber Schweizer Radio DRS definierte Brunner das Profil des “klassischen” Betrügers: Dieser sei dadurch gekennzeichnet, dass er “kontinuierlich wider besseres Wissen” und “wider Aufforderungen, das eigene Verhalten zu ändern, falsch Rechnung stellt”.

Mathias Winistörfer, Präsident der Vereinigung der Schweizerischen Assistenz- und Oberärzte (VSAO), erläuterte, warum sich unter den 15’000 Ärztinnen und Ärzten, die in der Schweiz frei praktizierten, auch Betrügerinnen oder Betrüger tummeln: “Jeder, der ein Studium abgeschlossen hat und nicht gerade irgendwelche Kapitalverbrechen schuldig geworden ist, kann in unserem System ohne grosse Kontrolle arbeiten.”

Der VSAO wird in der Woche vom 24. Juni einen nationalen Aktionstag gegen die Verordnung über den Zulassungsstopp für Ärzte durchführen. Man wolle die breite Öffentlichkeit mit Pressekonferenzen und in “entsprechnder Aufmachung” auf die Anliegen der jungen Ärzte aufmerksam machen, sagte VSAO-Vizepräsident Peter Studer.

Eine Milliarde Franken für Gesundheit

Schweizerinnen und Schweizer haben im Jahr 2000 rund eine Milliarde Franken mehr für die Gesundheit bezahlt als noch 1995. Insgesamt stiegen die Kosten des Gesundheitswesens im 2000 gegenüber dem Vorjahr um 4,1%. Die Direktzahlungen der Haushalte an die Spitäler und Ärzte stiegen um 2,8%.

In den letzten fünf Jahren hat der Anteil der via Krankenversicherungs-Gesetz finanzierten Kosten, nach Abzug der Kostenbeteiligungen durch die Versicherten, leicht zugenommen. Während 1955 noch 30% gemessen wurden, waren es im Jahr 2000 32,5%. Die Ausweitung sei nicht zuletzt auch durch die markante Mehrbeteiligung der Versicherten an den Kosten gebremst worden, schreibt das Bundesamt für Statistik (BSF).

Seit 1996 sind die Ausgaben für den stationären Bereich prozentual gesunken. Einen deutlichen Abbau erfuhren die Akutspitäler, deren Anteil an den Kosten des Gesundheitswesens von 30,1% (1995) auf 27,9% (200) sank.

Deutliche Zunahmen gab es dagegen bei den ambulanten Behandlungen in Krankenhäusern. Deren Anteil an den Kosten des Gesundheitswesens stieg von 3,6% auf 5%.

swissinfo und Agenturen

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