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Arbeitslosen drohen härtere Zeiten

Keystone

Innert einem Jahr ist die Arbeitslosenquote um 60% auf 3,9% gestiegen. Für 2010 rechnen die Prognostiker mit einer Quote von deutlich über 5%. Besonders stark betroffen sind die Jugendlichen. Um die Zukunft der Arbeitslosen-Versicherung zeichnen sich harte politische Querelen ab.

Spanien hat eine Jugendarbeitslosen-Quote von 35%. In Finnland sind 28% der 15-24-Jährigen ohne Arbeit, in Frankreich sind es 23 und in Deutschland 12%.

In der Schweiz waren Ende September 5,4% der Jugendlichen arbeitslos.

Die Gesamt-Arbeitslosenquote in der Europäischen Union lag Ende August bei 9,1%. In der Schweiz waren Ende September 3,9% der aktiven Bevölkerung arbeitslos.

Tiefer als in der Schweiz sind die Arbeitslosenquoten in Europa lediglich in Norwegen und in den Niederlanden. In Österreich sind die Jugendarbeitslosenquoten etwas tiefer als in der Schweiz. Sieben EU-Länder haben Arbeitslosenquoten über 10%. Am stärksten betroffen ist Spanien mit 17%.

“Im internationalen Vergleich ist die Schweiz immer noch eine Insel der Glückseligen”, sagt Rita Baldegger, Leiterin Kommunikation beim Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco. “Für 2010 rechnen wir mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 5,2%”, so Baldegger.

Branche und Status entscheidend

42% der Arbeitslosen in der Schweiz sind Ausländer. “Beim Grossteil handelt es sich um schon vor der Einführung der Personenfreizügigkeit Eingewanderte”, sagt Baldegger mit Blick auf die Statistik, die vor allem für die Balkanländer, Portugal, Italien und Frankreich überdurchschnittlich hohe Quoten ausweist.

“Die Personenfreizügigkeit wirkt sich nicht negativ aus”, sagt der Präsident der Sozialdemokratischen Partei (SP), Christian Levrat. “Der hohe Anteil ausländischer Arbeitnehmer an der Arbeitslosenquote hängt vielmehr mit den Branchen und dem Status dieser Leute zusammen.” Mit andern Worten: Die Krise trifft vor allem schlecht qualifizierte ausländische Arbeitnehmer.

Mit 4,1% liegt der Anteil der Arbeitslosen aus Deutschland zwar leicht über dem Durchschnitt, doch hat das – wenn überhaupt – nur wenig mit den viel zitierten, hoch qualifizierten Deutschen zu tun, die in den vergangenen Jahren in die Schweiz gekommen sind. Vielmehr habe die Export-Industrie “temporär angestellte Facharbeiter aus Deutschland beim Ausbruch der Krise als Erste entlassen”, so Baldegger.

Linke: “Grotesk und zynisch”

Dass in der Schweiz mehr als 154’000 Menschen arbeitslos sind, bezeichnet Levrat als “erschreckend”. Die SP befürchtet für 2010 eine Quote von 5,5 bis 6% und geht zudem von einem markanten Anstieg der Langzeitarbeitslosen aus. Dass die Schweiz im internationalen Vergleich eine Insel ist, dürfte die dannzumal rund 200’000 Arbeitslosen kaum trösten.

Deshalb fordert die Partei eine Verlängerung der Taggeldzahlungen auf 520 Tage. Arbeitslosen Jugendlichen sollen individuell angepasste Aus- und Weiterbildungsprogramme angeboten werden. Damit nimmt die Linke zwei Forderungen wieder auf, welche die bürgerliche Mehrheit im Parlament erst vor Kurzem abgelehnt hat.

Es sei “grotesk und zynisch”, ausgerechnet jetzt “in der schwersten Rezession” Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit abzulehnen und die Leistungen der Arbeitslosenversicherung abzubauen, kritisiert Levrat mit Blick auf die Revision der Arbeitslosenversicherung, die im Dezember vor den Nationalrat kommt.

Diese Revision entwickle sich “immer mehr zu einem Gesetz gegen die Arbeitslosen”, kritisiert die sozialdemokratische Nationalrätin und Präsidentin der vorberatenden Kommission, Hildegard Fässler. Die Kommission will die künftigen Leistungen der Arbeitslosenversicherung stärker kürzen, als dies der Bundesrat vorgeschlagen und der Ständerat bereits beschlossen hat.

Schuldenberg treibt Sparschraube an

Am Dienstag hat die Kommission beantragt, die Dauer der Taggeldzahlungen zu kürzen und die Wartezeiten für Ausbildungsabgänger zu verlängern. Die Kriterien, nach denen ein anderer Job als “zumutbar” gilt, sollen verschärft werden. Missbrauch will die Kommissionsmehrheit mit Gefängnis, statt lediglich mit Busse bestrafen.

Die Bürgerlichen hätten keine überzeugenden Konzepte gegen die Jugendarbeitslosigkeit, sagt Fässler. “Sie nehmen schlichtweg die Haltung ein, die Jungen seien zu faul zum Arbeiten und würden schon eine Stelle finden, wenn sie nur richtig suchten.”

Angetrieben wird die bürgerliche Sparschraube vom Schuldenberg der Arbeitslosenversicherung, der bis Ende 2010 auf über 10 Milliarden anwachsen wird.

Die Linke will die Versicherung mittels zusätzlicher Einnahmen sanieren. Sie will den Solidaritätsbeitrag auf den Lohnprozenten wieder einführen. Zudem sollen die Beiträge vom vollen Lohn und nicht lediglich von maximal 126’000 Franken abgezogen werden.

Die Vorstellungen der Linken und die der Mehrheit des Parlaments driften weit auseinander. “Wenn das so bleibt, muss die Diskussion über ein Referendum geführt werden”, sagt SP-Präsident Levrat.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

Das dritte Konjunkturpaket kam erst nach langen Diskussionen im Parlament zustande und ist ein Kompromiss.

So sollen Schul- und Lehrabgänger ohne Anschlussstelle in den Genuss von Weiterbildungen kommen.

Dafür sind etwa 50 Millionen Franken vorgesehen.

Mit 30 Millionen sollen Weiterbildungen für Kurzarbeitslose finanziert werden.

Für Umschulungen im Gebäude- und Energiebereich sind 15 Millionen Franken vorgesehen.

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