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30’000 Personen demonstrieren gegen Sozialabbau

Keystone

Für den Erhalt von Arbeitsplätzen, faire Löhne und sichere Renten haben am Samstag auf dem Berner Bundesplatz rund 30'000 Menschen demonstriert. Sie zeigten sich wütend darüber, dass einfache Arbeitnehmende die Finanzkrise ausbaden sollen.

Einen solchen Grossaufmarsch hatte wohl kaum jemand erwartet: Mit Trillerpfeiffen, Transparenten, Fahnen und Sprechchören marschierten rund 30’000 Menschen am Samstagnachmittag durch die Innenstadt vor das Bundeshaus.

So viele Demonstrierende gab es seit der Kundgebung gegen den Irak-Krieg 2003, wo sich in Bern rund 40’000 Menschen versammelten, nicht mehr.

“Wir wollen nicht für eure Krise zahlen”, war auf Transparenten und Fahnen auf dem überfüllten Bundesplatz etwa zu lesen. Die Gewerkschafter, die zur Kundgebung unter dem Motto “Krise bekämpfen – Arbeit, Lohn und Rente sichern” aufgerufen hatten, schlugen in ihren Reden kämpferische Töne an und betonten durchwegs, dass Finanzmanager für die Wirtschaftskrise verantwortlich seien.

Milliarden für UBS

Während der Bund die UBS mit 68 Mrd. Franken unterstützt habe, seien die Arbeitnehmenden nahezu leer ausgegangen. So habe das Parlament vergangene Woche das dritte Konjunkturpaket erheblich gestutzt, sagte der sozialdemokratische Nationalrat Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB).

Wenn nicht bald etwas Wirksames geschehe, dann werde es eine Massenarbeitslosigkeit und eine Jugendarbeitslosigkeit geben, wie es sie in der Schweiz überhaupt noch nie gegeben habe, warnt Rechsteiner.

Gegen Lohnexzesse und Sozialabbau

Besonders verwerflich sei, dass Manager sich selber die Taschen füllten, den anderen aber die Löhne drückten. “Wir haben genug von den Boni-Rittern und von den Managern mit ihren Lohnexzessen”, sagte Rechsteiner.

Die aktuelle Politik des Parlaments zeuge von Respektlosigkeit vor der soliden Arbeit, kritisierte Travail.Suisse-Präsident Martin Flügel.

Bundesrat und Parlament müssten endlich eine Politik für all jene machen, die mit ehrlicher, zuverlässiger Arbeit ihren Lohn verdienten oder ihre Arbeit verlören, weil Banker Mist gebaut hätten.

Statt ein wirksames Konjunkturpaket mit Investitionen in Infrastruktur, Soziales und Ökologie zu schnüren, sei die Mehrheit dafür, die Arbeitslosenversicherung, die AHV, die Renten der beruflichen Vorsorge und die IV abzubauen.

Tatenlos zusehen bei dem allfälligen Abbau bei der AHV wollen die Gewerkschaften aber nicht, wie vpod-Präsidentin Christine Goll beteuerte. Die Zürcher SP-Nationalrätin kündigte an, dass die Gewerkschaften dies mit einem Referendum bekämpfen würden. “Wir werden keinen Rentenklau zulassen”, so Goll.

Eisenbahner kämpfen für ihre Rente

Im Vorfeld der gewerkschaftlichen Kundgebung zur Wirtschaftskrise hat das Personal des öffentlichen Verkehrs “gegen den Pensionskassenbschiss” demonstriert.

Der Protest der laut den Organisatoren über 7000 Teilnehmenden richtete sich gegen Bund und Kantone wegen der fehlenden Ausfinanzierung der Pensionskassen von SBB und Ascoop.

“Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner wollen keine Geschenke, sie wollen aber, dass der Bund endlich seine Schulden bezahlt”, sagte der Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV), Giorgio Tuti. Sie trügen weder eine Schuld an der Finanzkrise noch an der unkorrekten Ausfinanzierung der Pensionskasse SBB.

Die Fehler habe der Bund gemacht und dafür trage er auch die Verantwortung. Das gelte in ähnlichem Rahmen auch bei der Pensionskasse Ascoop.

Ruhiger Marsch

Die Kundgebungsteilnehmenden hatten sich an drei Treffpunkten in Bern versammelt und waren anschliessend durch die Innenstadt zum Bundesplatz marschiert.

Die Kundgebung verlief ruhig und ohne Zwischenfälle, wie die Kantonspolizei Bern mitteilte.

swissinfo.ch und Agenturen

Der Ständerat hielt am Donnerstag daran fest, dass Langzeitarbeitslose und junge Menschen ohne Arbeit wegen der Wirtschaftskrise mit besonderen Massnahmen unterstützt werden sollen. Er widersetzt sich damit dem Nationalrat, der die meisten der Massnahemn aus dem 3. Konjunkturpaket kippte.

Die Mehrheit der kleinen Kammer vertrat die Meinung, dass die Finanzhilfen für Weiterbildungs- und Beschäftigungsprogramme sinnvoll sind und erlauben, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Ständerat habe zudem die ursprüngliche Vorlage schon genug eingeschränkt.

Die Vorlage geht nun wieder in den Nationalrat. Zwar hatte die grosse Kammer am Montag mehrere der Massnahmen gutgeheissen. Doch lehnte es der Nationalrat ab, die Ausgabenbremse zu lösen und damit das nötige Geld für die Umsetzung freizugeben.

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