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Die Schweizer Stahlindustrie steckt in einer tiefen Krise

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Bei Stahl Gerlafingen sind 100 Arbeitsplätze in Gefahr. Keystone/Gaetan Bally


Die beiden letzten Stahlwerke der Schweiz sind mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Trotz zahlreicher Hilferufe stossen sie beim Bund auf taube Ohren.

In Solothurn hat der Hersteller Stahl Gerlafingen soeben angekündigt, eine seiner beiden Produktionslinien zu schliessen, wodurch rund 100 Arbeitsplätze gefährdet sind. Beim Verlassen der Fabrik sind die Arbeitenden nicht überrascht.

“Wir werden das Team vermissen. Aber wir haben so viele Schulden, dass es nicht anders möglich wäre”, gesteht Savo Rakitić, Arbeiter in der Firma.

Explosion der Energiepreise

In Luzern ist das andere Schweizer Stahlwerk, die Swiss Steel Group mit ihren 10’000 Beschäftigten, genauso kränklich. Um zu überleben, will der Hersteller 300 Millionen Euro frisches Geld einschiessen.

Laut dem Dachverband Swissmem hat dieser Kälteeinbruch in der Branche verschiedene Gründe. “Das Ausland hat seine Stahlwerke massiv unterstützt, als die Energiepreise explodierten, im Gegensatz zur Schweiz.

Zudem schliessen die EU und die USA ihre Stahlmärkte teilweise, sodass unsere Firmen nicht mehr in diese Märkte liefern können. Und in den letzten zwei Jahren hat der starke Franken nicht geholfen”, sagt Jean-Philippe Kohl, Vize-Direktor von Swissmem.

Reaktionsschnelle Unternehmen

In Corcelles-près-Payerne stammt die Hälfte des Stahls, den das Unternehmen Favre SA, das auf die Verarbeitung und den Verkauf von Bewehrungsstahl spezialisiert ist, verwendet, aus der Schweiz.

Dieses Metall wird geformt, bevor es auf die Baustellen in der Westschweiz geliefert wird. Das Unternehmen könnte nicht auf seinen Schweizer Lieferanten verzichten.

“Stahl Gerlafingen, das ist ein Stahlwerk, das ein Lager hat und sehr schnell reagiert. Es ist in der Lage, uns innerhalb von zwei Tagen zu beliefern. Das ist in der europäischen Industrie nicht der Fall, wo wir manchmal eine Woche auf die Ware warten müssen”, betont Sébastien Banderet, Direktor der Favre SA.

Keine Unterstützung vom Bund

Der Bund anerkennt die Bedeutung der Schweizer Stahlwerke, lehnt es aber ab, sie finanziell zu unterstützen. “Die Schweiz verzichtet auf solche Massnahmen, da sie kostspielig sind und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit nicht gewährleisten”, so die schriftliche Antwort des Staatssekretariats für Wirtschaft gegenüber RTS.

Für die Gewerkschaften ist das völlig unverständlich. Sie sind nämlich der Meinung, dass diese Hersteller für die Schweiz systemrelevant sind.

“Wir haben hier bei Stahl Gerlafingen die grösste Recyclinganlage der Schweiz. Hier wird aus Metallabfällen Stahl hergestellt”, sagt Markus Baumann, Gewerkschaftssekretär der Unia, Sektion Solothurn.

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