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Asbest-Urteil gibt ABB wieder Luft

Ein US-Gericht hat die Abfindung von 1,9 Milliarden Franken gutgeheissen, mit welcher der ABB-Konzern den Asbest-Streit beilegen will.

Der Entscheid erlaubt es der ABB nun wieder, ihr Kerngeschäft zu forcieren und das leidige Kapitel Combustion Engineering abzuschliessen.

Die ABB, die ihren Hauptsitz in Zürich hat, kann sich dank dem Gerichtsentscheid in Camden im US-Bundesstaat New Jersey nun wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, die Energie- und Automationstechnik für Versorgungs- und Industrie-Unternehmen.

Die Kläger haben nach dem Entscheid eine 30-tägige Einsprachefrist, doch die Mehrheit hat bereits ihr Einverständnis zum Angebot der ABB gegeben, die ihnen als Abfindung Bargeld und Aktien offeriert.

Kauf zur falschen Zeit

Das schweizerisch-schwedische Unternehmen hat die Combustion Engineering – eine US-Firma, die in den 1970er-Jahren asbestverseuchte Heizkessel hergestellt hatte – 1990 trotz bereits laufenden Gerichtsverfahren von früheren Arbeitnehmern aufgekauft.

Bald darauf wurde die ABB mit über 100’000 Klagen regelrecht überschwemmt, was das Unternehmen 2002 an den Rand des Ruins brachte.

Restrukturierung

Ein neues Führungsteam, das eine umfassende Restrukturierung einleitete, hat die ABB nun wieder zurück in die schwarzen Zahlen gebracht.

Nach dem Gerichtsentscheid könne das Management jetzt wieder weiter am Turnaround arbeiten, meint Andreas Riedel, Analyst bei der Bank Sarasin.

“Der Asbest-Prozess hat die Manager viel Zeit gekostet. Diese Kapazitäten können nun wieder in profitableren Bereichen eingesetzt werden”, sagte er gegenüber swissinfo.

“Das Management kann sich wieder auf das Kerngeschäft Energie- und Automationstechnik konzentrieren, um erneut mehr Gewinn machen zu können.”

Verbesserung erwartet

Ein weiterer Vorteil des Vergleichs sei der zu erwartende bessere Ruf der ABB-Aktien, die heute noch als Ausschussware gelten, so Riedel.

“Dies würde die Kreditwürdigkeit erhöhen, was wichtig ist bei der Suche nach neuen Investoren. Viele Fonds investieren nicht in Aktien mit einer schlechten Einstufung.”

Der auf lange Zeit hinausgezögerte Vergleich kostete ABB viel Geld und Zeit. Das Unternehmen gab in diesem Monat bekannt, dass der ganze Asbest-Prozess die ABB auf rund 2 Mrd. Dollar (2,6 Mrd. Fr.) zu stehen kommen könnte.

Der 2004 erwirtschaftete Gewinn von 201 Mio. Dollar (264 Mio. Fr.) musste in ein Defizit von 35 Mio. Dollar (46 Mio. Fr.) umgewandelt werden, nachdem ein US-Gericht die vorgeschlagene Abfindungs-Vereinbarung zurückgewiesen hatte und ABB zusätzlich 232 Mio. Dollar (304 Mio. Fr.) in den Fonds einschiessen musste.

Harter Schlag

Dieser Entscheid im Dezember 2004 war ein harter Schlag für ABB, nachdem fast 100% der Kläger das Angebot von rund 1,2 Mrd. Dollar (1,6 Mrd. Fr.) angenommen hatten. Der Prozess zog darauf weiter durch die Gerichte, bis zum Entscheid vom Dienstag.

Der Prozess um Lummus Global, eine weitere ABB-Tochter, die Produkte mit dem krebserregenden Stoff hergestellt hatte, ist vom Entscheid jedoch ausgenommen und wird weitergeführt.

Doch die Anzahl Klagen gegen Lummus entsprechen nur einem kleinen Bruchteil des gesamten Prozesses. ABB erwartet auch hier eine baldige Einigung. Lummus, die wegen der starken Nachfrage von Infrastruktur im Energiesektor wieder gut läuft, soll danach verkauft werden.

Letztes Jahr konnte ABB zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben und machte 735 Mio. Dollar (963 Mio. Fr.) Gewinn, im Vergleich zum Verlust von 35 Mio. Dollar (46 Mio. Fr.) im Jahr zuvor.

swissinfo

1988 fusionierten die schwedische Asea und die schweizerische BBC Brown Boveri zur ABB.
2002 und 2003 stürzte die ABB-Aktie von über 25 auf unter 3 Franken ab.
Jürgen Dormann, der den Turnaround schaffte, ist seit 2002 Verwaltungsrats-Präsident.
Fred Kindle wurde letztes Jahr Geschäftsführer (CEO), als das Unternehmen erstmals seit fünf Jahren wieder schwarze Zahlen schrieb.

Die Asbest-Klagen sind eine Spätfolge der Übernahme der Combustion Engineering (CE) durch die ABB im Jahr 1990. Die CE hatte in den 1970er-Jahren asbestverseuchte Heizkessel hergestellt und war deswegen zum Zeitpunkt des Kaufs bereits vor Gericht.

Mitte der 1990er-Jahre wurde daraus eine Lawine von Prozessen. Im Februar 2003 erklärte sich die CE bankrott, weil die erwarteten Strafzahlungen das Betriebsvermögen von 812 Millionen Dollar überstiegen.

ABB schlug vor, 1,2 Mrd. Dollar (1,6 Mrd. Fr.) in Bargeld und Aktien in einen Fonds zu geben, um zukünftige Urteile zu decken. Im Dezember 2004 wurde dieser Vorschlag jedoch von einem US-Gericht abgelehnt.

ABB erhöhte im folgenden März das Angebot um 232 Mio. Dollar (304 Mio. Fr.), was die Unternehmens-Gewinne 2004 zunichte machte. Am 28. Februar 2006 hiess ein US-Bezirksgericht schliesslich die Abfindung gut, mit einer 30-tägigen Einsprachefrist.

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