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Bankgeheimnis auf dem Prüfstand

Die Schweiz soll die Bestimmungen der EU übernehmen - so die klaren Forderungen der EU-Behörden. swissinfo.ch

Die neuen bilateralen Verhandlungen mit der EU sind blockiert. Der Bundesrat ist enttäuscht und nimmt eine politische Gesamtbeurteilung vor.

Zankapfel zwischen der Europäischen Union und der Schweiz ist einmal mehr das Schweizer Bankgeheimnis, “Honigtopf” der Schweiz, wie in Medien zu lesen war, und Geheimnis des erfolgreichen Finanzplatzes Schweiz.

Vier der insgesamt 10 Verhandlungs-Dossiers werden vom Bankgeheimnis berührt: Zollbetrug, Zinsbesteuerung, das Schengener/Dubliner Abkommen (Zusammenarbeit in den Bereichen Polizei, Justiz, Asyl und Migration) und indirekt die Dienstleistungen sind davon betroffen.

Allerdings: Das Bankgeheimnis ist “nicht verhandelbar”, wie Finanzminister Kaspar Villiger immer wieder betont. Die EU hingegen will, dass die Schweiz EU-Recht übernimmt. Was bedeuten würde, dass die Schweiz Rechtsgrundsätze preisgeben müsste. Betroffen wäre – das Bankgeheimnis.

Knackpunkt Steuerhinterziehung

Mit der Übernahme des EU-Rechts würde auch in der Schweiz die Steuerhinterziehung erfasst. Wegen des Bankgeheimnisses unterscheidet die Schweiz jedoch zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Konkret geht es darum, wann die Schweiz Rechtshilfe leisten soll.

Heute tut sie dies nur bei Steuerbetrug, doch nicht bei -hinterziehung, weil diese in der Schweiz nicht als Strafdelikt gilt. Was hier nicht strafbar ist, dafür wird auch keine Rechtshilfe geleistet.

Unterscheiden kann man die Hinterziehung zusätzlich noch zwischen indirekter und direkter, also bezogen auf die Einkommens-Steuer. Die Rechtshilfe bei Hinterziehung indirekter Steuern, wie der Mehrwertsteuer oder von Zöllen könnte unter Umständen diskutiert werden, so Bundesrat Pascal Couchepin. Bei solchen Delikten sei Betrug meistens sowieso gegeben.

Heilige Kuh Bankgeheimnis

Die Meinung des Volkswirtschaftsministers wird in der Schweiz jedoch nicht geteilt. Jegliche Aufweichung des Bankgeheimnisses wird in der Schweiz auf vehementen Widerstand stossen. Meinungsumfragen haben gezeigt, dass die Schweizer Bevölkerung keinerlei Konzessionen einzugehen bereit ist. Auch die bürgerlichen Regierungs-Parteien wehren sich für das Bankgeheimnis, das eine zentrale Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft habe.

Die Schweizerische Volkpartei will gar per Parlamentarischer Initiative das Bankgeheimnis in der Verfassung festschreiben. So steht die Regierung von aussen und innen unter Druck. Der Ausweg: Der EU gute Alternativ-Lösungen vorlegen.

Doch vorerst ist der Bundesrat enttäuscht über den Stillstand bei den Betrugsverhandlungen. Beim Stand der Dinge müsse nun eine gründliche politische Lagebeurteilung vorgenommen werden, teilte er am Mittwoch mit. Danach lege er sein weiteres Vorgehen in dieser Angelegenheit fest. Es bestehe keine Eile, wurde vor den Medien erklärt, sie würden jedoch innert nützlicher Frist abgeschlossen.

Hürde Zinsbesteuerung

Das Bankgeheimnis wird auch beim Dossier Zinsbesteuerung Knackpunkt sein, welches ab Mai verhandelt werden sollte. Hier befindet sich die Schweizer Regierung aber in einer recht komfortablen Situation. Komfortabel, weil die EU bis Ende Jahr die Verhandlungen mit Drittstaaten wie der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein und den USA abschliessen muss. Gelingt dies nicht, kann die EU-interne harmonisierte Besteuerung von Zinserträgen nicht in Kraft treten.

Mit Luxemburg, Österreich und Belgien hat die EU ein Übergangssystem ausgehandelt: Das Quellensteuer-System. Ab 2010 soll dann in allen Ländern ein so genannter Informations-Austausch eingeführt werden. Konkret: Erhält ein EU-Bürger in einem Land Zinsen von der Bank, muss diese dessen Steuerbehörde benachrichtigen.

Informations-Austausch vs. Bankgeheimnis

Dieser Informations-Austausch verletzt aber das Schweizer Bankgeheimnis. Um das System zu umschiffen, bietet sie nun der EU an, eine Zahlstellensteuer zu erheben: Bisher steuerfreie Zinsen von ausländischen Obligationen auf Schweizer Banken werden mit 20% belastet. Diese Gelder werden dann pauschal an den entsprechenden Fiskus überwiesen – ohne dass dieser vom Konto seines Staatsbürgers in der Schweiz erfährt.

Ein Zahlenstellensteuer-System bedingt laut Finanzminister Villiger jedoch einen Staatsvertrag, der vom Parlament genehmigt werden muss und zusätzlich dem fakultativen Referendum untersteht. Wie erwähnt: Ein schwieriges Unterfangen.

Die EU will jedoch die Schweiz im Informations-Austausch haben. Vor allem verlangen Luxemburg und Österreich, aber auch England, eine Lösung mit der Schweiz, da sie sonst Steuerflucht und Abwanderungen befürchten.

Konzessionen müssen sein

Dass die Schweiz Konzessionen eingehen muss, ist klar. Bleibt doch der bilaterale Weg innenpolitisch der wohl einzig einigermassen gangbare Weg, um die Schweiz innerhalb Europas nicht ganz zu isolieren. Doch ob diese Konzessionen gleich das Bankgeheimnis beinhalten müssen, wird nun überprüft.

Am Schweizer Fernsehen sagte Beat Bernet, Bankenexperte der Universität St. Gallen: “In 10 Jahren wird es noch ein Bankgeheimnis geben, jedoch nicht mehr so wasserdicht wie heute.”

Die Verhandlungen sind zwar zur Zeit blockiert, doch bedeutet das nicht, dass sie gescheitert sind. Schon der Weg zu den Bilateralen Verträgen, welche nun im Juni in Kraft treten, dauerte 10 Jahre. Zur Zeit ist schlicht und einfach ein Verhandlungspoker im Gang.

Rebecca Vermot

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