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Beziehungen Schweiz-Indien im Aufwind

New Delhi, Oktober 2003: Zwischen Armut und Wirtschaftswachstum. swissinfo.ch

Seit Jahren profitiert die Schweiz von der Handelsbilanz mit Indien. Diese Tendenz dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen.

In den Spitzenbranchen dagegen sind immer mehr Schweizer Firmen Kunden indischer Unternehmen geworden.

Zumindest ein Land bedauert die Aufhebung der Textilimportquoten von Anfang Jahr und die weltweite Überschwemmung mit chinesischen Kleidern nicht: Die Schweizer Wirtschaft profitiert von der Bewegung, die aus der Aufhebung dieser Handelsschranke entstanden ist.

Wie Jacques Derron, wirtschaftlicher Berater in der Schweizer Botschaft in New Delhi, gegenüber swissinfo betont, will Indien seinem mächtigen Nachbarn diesen Markt nicht allein überlassen. Die Regierung hat deshalb beschlossen, die Textilproduktion des Landes zu modernisieren.

Davon wird laut Derron die Schweizer Maschinenindustrie profitieren. Und er fügt bei: “2004 nahmen die Schweizer Exporte nach Indien um über 37%, und damit um über eine Milliarde Franken zu. Und sie dürften dieses Jahr weiter wachsen.”

Und Pierre Page von Teknosoft erinnert daran, dass seit mindestens zwei Jahrzehnten die Handelsbilanz zwischen den beiden Ländern zugunsten der Schweiz ausfällt. Teknosoft ist Partner des indischen Informatikgiganten Tata Consultancy Services.

Gute Chancen für Schweizer Industrie und Investoren

Page verfolgt die Entwicklung der indischen Wirtschaft genau, und zwar seit Anfang der 1980er-Jahre. “Für den Rest des Jahrzehnts rechnen die indischen Wirtschaftsführer mit einem jährlichen Wachstum von 8%. Ausserdem hat der Subkontinent einen enormen Bedarf an Infrastrukturen. Die Chancen für Schweizer Industrien und Investoren sind deshalb riesig”, so Page gegenüber swissinfo.

Zur Zeit entspricht das Bild den üblichen Beziehungen eines reichen Landes mit einer aufstrebenden Wirtschaft. Im Übrigen ist die Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit sehr aktiv in diesem Land, in dem über 30% der Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen.

High-Tech-Land Indien

Aber gleichzeitig spielt Indien in den Zukunftsbranchen, also der Informatik und der Biotechnologie, bereits bei den Grossen mit. In diesen Bereichen steht das indische Know-how im Wettbewerb zu jenem der Schweiz und anderer westlicher Länder.

Und das Potenzial ist wirklich verblüffend. Jedes Jahr schliessen laut der Pariser Zeitung “Le Monde” über 500’000 Ingenieure und 250’000 Wissenschafts-Doktorandinnen und -Doktoranden ihr Studium an indischen Hochschulen und Universitäten ab. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Schweiz im Oktober 2003 mit Indien ein Abkommen über wissenschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet hat.

Grosses Tourismus-Potenzial

Und das ist noch nicht alles. Es kommen viermal mehr indische Ferienreisende in die Schweiz (80’000 im Jahr 2004) als Schweizerinnen und Schweizer nach Indien reisen.

Und auch in diesem Bereich, dem Tourismus-Sektor, ist das Potenzial riesig. Als Beispiel zitiert Derron eine vor kurzem durchgeführte Umfrage, laut der die Schweiz in Indien bei vielen als Traumdestination gilt. Ein Traum, der für 10 bis 20% Inderinnen und Inder der Mittel- und Oberklasse durchaus Wirklichkeit werden kann.

Page seinerseits stellt fest, dass seit vielen Monaten der Flugreiseverkehr zwischen Indien und Europa in beiden Richtungen auf vollen Touren läuft.

Dies ist ein weiteres Zeichen der Intensivierung von Handel, Wissenschaft und Tourismus zwischen den beiden Weltgegenden.

Trotz allem aber steht Indien unter den Schweizer Handelspartnern in Asien nur auf Rang 8. Und in Bezug auf die Schweizer Investitionen ist Indien unter den asiatischen Ländern auf Platz 12 zu finden.

Ausgleich zugunsten Indiens

Aber Jacques Derron glaubt, dass sich diese Situation bald ändern wird.

“Ich stelle fest, dass sich die Investoren wieder vermehrt für Indien interessieren. Ausserdem hat die Regierung soeben ein neues Gesetz über das geistige Eigentum verabschiedet. Dieses schützt nicht nur die Verfahren, sondern auch die Produkte. Der neue rechtliche Rahmen bietet mehr Sicherheit für Unternehmen, die auf dem indischen Markt Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten durchführen möchten”, präzisiert der Wirtschaftsberater.

Gleichzeitig beunruhigt China – die Hauptdestination von Investoren in Asien – wegen der Überhitzung seiner Wirtschaft. “Wir sollten deshalb einen neuen Ausgleich zugunsten Indiens anstreben”, findet Derron.

Umso mehr, als der Subkontinent gegenüber seinem mächtigen Nachbarn mehrere Vorteile zu bieten hat. Zum Beispiel die Tatsache, dass seine Elite perfekt Englisch spricht.

Eine alte Demokratie

Und last but not least ist Indien eine alte Demokratie. Das ist eine weitere Garantie für Stabilität gegenüber seinem mächtigen chinesischen Nachbarn.

Allerdings beruht das Funktionieren dieser Demokratie auf einer ziemlich ineffizienten Bürokratie, die nicht gerade bekannt ist für die bei Geschäftsleuten so beliebte Geschwindigkeit.

Deshalb meint Derron: “Wer in Indien investieren will, muss dies langfristig tun.”

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf

1985-1994: Die Schweizer Exporte nach Indien belaufen sich auf über 4 Mrd. Fr. Die Importe aus Indien erreichten knapp 2,5 Mrd. Fr.

1994-2003: Die Schweizer Exporte klettern auf 6,2 Mrd. Auch die Importe nahmen zu, auf 4,6 Mrd. Fr.

2004: Die Schweizer Wirtschaft hat in Indien unter den Investoren den 10. Rang erreicht (628 Mio. Fr.).

Der Präsident der Indischen Republik weilt zu einem Staatsbesuch in der Schweiz. Avur Pakir Jainulabdeen Abdul Kalam kam am 25. Mai in Genf an, wo er das CERN besuchte.

Am 26. führte ihn Pascal Couchepin durch die Eidgenössischen Technischen Hochschulen von Lausanne und Zürich.

Am 27. und 28. Mai ist der indische Präsident in Bern, wo er sich mit der Schweizer Regierung trifft.

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