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Die fahrende Universität

Der "Wissenschafts"-Sattelschlepper der ETH Zürich. ETHZ

Die ETH Zürich geht aus Anlass ihres 150. Geburtstags auf die Strasse und präsentiert ihre Wissenschaft einer breiteren Öffentlichkeit.

Die Roadshow will nicht nur über Forschungsprojekte und akademische Programme informieren, sondern auch junge Talente anziehen.

Seit Ende Januar fährt ein Sattelschlepper kreuz und quer durch die Schweiz und versucht, der Bevölkerung die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), die renommierteste Universität des Landes, näher zu bringen. An jedem Halt werden Konferenzen und Präsentationen für Mittelschüler und Mittelschülerinnen, aber auch für ein breites Publikum abgehalten.

“Wir müssen die gescheitesten Köpfe anziehen”, sagt der für die Jubiläums-Feierlichkeiten zuständige Meinrad Eberle. “Auf unserer Fahrt durch das Land versuchen wir, den Jungen klarzumachen, dass Zürich der Ort ist.”

Wettbewerb zwischen verschiedenen Schulen

Um das zu erreichen, muss die fahrende Uni künftige Studierende überzeugen, dass die ETHZ mehr bietet als andere Schweizer Universitäten. Eberle gibt zu, dass zwischen den verschiedenen Schulen ein Wettbewerb um Herzen und Köpfe stattfindet.

“Die weichen Disziplinen liegen heute im Trend”, erklärt er im Gespräch mit swissinfo. “Dabei besteht grosser Bedarf an wissenschaftlich gebildeten Leuten. Wir müssen zeigen, dass unsere Absolventen bessere Berufsaussichten haben als andere.”

Trotz der führenden akademischen Position der ETHZ ist das nicht immer leicht. Viele Studenten fühlen sich von traditionellen Disziplinen wie der Physik nicht besonders angezogen.

Berufsaussichten

Simon Baumgartner, Doktorand der Teilchenphysik, betreute kürzlich einen Informationsstand beim Berner Neufeld-Gymnasium. Er bestätigte, dass es nicht leicht sei, die jungen Leute anzusprechen. “Physik gilt heute nicht als attraktives Berufsfeld “, fügt er hinzu.

Interessanterweise scheint es den Mathematikern eher leichter zu fallen, ein gewisses Interesse zu wecken. “An unserem Stand haben überraschend viele Leute halt gemacht”, sagt Jela Skerlak, die an der ETHZ Mathematik studiert. “Auch zahlreiche Frauen haben Fragen gestellt.”

Skerlak gibt zu bedenken, dass es nicht unbedingt die Mathematik selbst ist, welche die Leute fasziniert, sondern vielmehr deren konkrete Anwendungen im Rahmen der Demonstrationstour. Letztlich seien nur wenige Besucher oder Besucherinnen interessiert genug, um auch konkrete Fragen zum Studium zu stellen.

“Die Leute wollen wissen, was für Kurse geboten werden und ob es möglich sei, neben dem Studium einer Arbeit nachzugehen”, sagt sie gegenüber swissinfo.

Frauen immer noch untervertreten

Das Interesse variiert auch mit dem Alter. Jüngere Schüler zeigen sich vor allem an den Experimenten interessiert, während diejenigen, die der Matur schon näher stehen, mehr über den Vorlesungsbetrieb hören wollen.

Bei den Besuchern der Ausstellung handelt es sich in erster Linie um Schüler, ehemalige ETHZ-Absolventen und interessierte Eltern. “Die Eltern kommen mit ihren Kindern, um zu sehen, was es mit einem Studium in Zürich auf sich hat”, erklärt Lasse Wallquist, ein Student der Umweltwissenschaften.

Die ETHZ hofft mit ihrer Roadshow auch vermehrt Studentinnen anzuziehen. Allerdings, so Eberle, lasse sich allein damit das Problem der Untervertretung der Frauen in der Wissenschaft nicht lösen.

“Um mehr Frauen anzuziehen, müssten wir sie schon als Mädchen in den ersten Schuljahren ansprechen können. Aber wir leben nicht in einer idealen Welt”, gibt er zu bedenken. “Bis sie dann im Gymnasium sind, ist es wahrscheinlich zu spät.”

Status und Markenzeichen fördern

Bei der fahrenden Wissenschaftsschau und bis zu einem gewissen Grad bei den ganzen Jubiläums-Feierlichkeiten geht es auch darum, das Markenzeichen ETHZ zu fördern und seinen Status zu wahren.

“Als Nummer eins unter den Universitäten müssen wir ständig um unsere Position kämpfen”, meint Eberle. “Wer meint, zuoberst auf der Leiter zu stehen, reiche aus, um sich gut zu verkaufen, der täuscht sich. Wer zu wenig tut, fällt in der Rangliste schnell zurück.”

Immer wieder überzeugen

Der ehemalige Professor für Verbrennungstechnologie glaubt, die Öffentlichkeit müsse auch immer wieder davon überzeugt werden, dass Geld für die Wissenschaft gut angelegtes Geld sei.

“Die Steuerzahler fragen zu Recht, was denn Forschung zur gesellschaftlichen Wertschöpfung beitrage”, erklärt er. “Wir wollen die Leute davon überzeugen, dass unsere Tätigkeit ihr Vertrauen verdient.”

Die ETHZ will mit ihren Jubiläums-Feierlichkeiten ihre Position stärken, ihren Platz in der Gesellschaft definieren und ihre Unternehmensidentität verbessern. Im wesentlichen werden sich diese Aktivitäten allerdings auf die Schweiz beschränken.

Trotz dem ausgezeichneten internationalen Ruf des Instituts glaubt Eberle, die ETHZ müsse ihr Marketing im Ausland verbessern. Ehemalige Studenten könnten dabei eine wichtige Rolle spielen.

“Wir müssen uns mehr um die Beziehungen zu unseren ehemaligen Studenten kümmern, so wie das die Universitäten in den USA tun. Leider haben die Hochschulen in der Schweiz und auch im übrigen Europa keine solche Tradition.”

swissinfo, Scott Capper
(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) feiert dieses Jahr ihr 150-jähriges Bestehen.

Anlässe in Zürich und in der übrigen Schweiz sollen der Bevölkerung Gelegenheit geben, das Institut sowie seine Lehrkräfte und Studenten kennen zu lernen.

Als Teil dieses Programms besucht ein Lastwagen der Wissenschaft Mittelschulen im ganzen Land und präsentiert akademische Unterrichts- und Forschungs-Programme.

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