Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Planen statt jammern

Nicht die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, sondern der kleine Anteil der Schweizer Kinder machte der Schweizer Schule Sorgen. martin jordan

Während viele Schweizer Schulen im Ausland Finanz-Probleme haben, wird in Mexiko an einen Ausbau gedacht. Eine Zweigschule soll Schweizer Kinder und damit weiterhin Bundesgelder bringen.

Die Schweizerin Amalia Liechti Rodríguez könnte es sich normalerweise gar nicht leisten, ihre beiden Kinder in die Schweizer Schule in Mexiko-Stadt zu schicken. Viel zu teuer, denn die Familie lebt einzig und allein von der IV-Rente, die Ehemann Charles erhält.

Rund 2’000 Franken stehen den Liechtis monatlich zur Verfügung, rund die Hälfte davon würde jeweils für den Unterricht am “Colegio Suizo” draufgehen.

Umworbene Schweizer Kinder

Doch die Schweizer Schule hat die Kinder der Liechtis regelrecht umworben und den Eltern ein Angebot unterbreitet, das sie nicht ausschlagen konnten. Ein wesentlicher Teil sowohl der Einschreibegebühren wie auch des monatlichen Schulgelds wurden erlassen.

Wie die Liechtis profitieren auch 25 andere Schweizer Familien von Stipendien, welche die Schule bei nachgewiesener Bedürftigkeit gewährt.

Dass eine nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführte Privatschule freiwillig Abstriche bei den Einnahmen macht, mag auf den ersten Blick erstaunen, doch die Erklärung ist einfach. Schweizer Auslandschulen werden vom Bund nur dann anerkannt und unterstützt, wenn mindestens 20 Prozent der Schüler schweizerischer Nationalität sind.

Kampf um Subventionen

Nicht berücksichtigt wird bei der Subventionsbemessung, dass die Auslandschulen im jeweiligen Gastland zu einem positiven Image der Schweiz beitragen. In Mexiko ist der Anteil an Schweizer Schulkindern seit Jahren am Sinken, die geforderte Limite kann nur mit grosser Anstrengung erreicht werden.

“Was wir hier erleben, ist Globalisierung live”, sagt Schuldirektor Ambros Hollenstein, “in den schweizerischen Unternehmen im Ausland sind immer weniger Schweizer beschäftigt. Deshalb nimmt der Anteil an Schweizer Schulkindern ständig ab.”

Seit 1994 sind den Auslandschulen die Subventionen aus Bern drei mal gekürzt worden, bevor sie nun erstmals wieder leicht erhöht wurden. In Mexiko machen die Bundesbeiträge mittlerweile nur noch 20 Prozent des Budgets aus, was gerade mal ausreicht, um die Löhne der Schweizer Lehrer zu bezahlen.

Garant für Qualität

Dennoch seien die Subventionen äusserst wichtig, wie Direktor Hollenstein erklärt. Sie garantierten, dass die Qualität der Schule hoch bleibe, und das sei in Mexiko ein wichtiger Trumpf, denn die Nachfrage nach guter Bildung sei enorm.

Für den Sankt Galler Hollenstein besteht deshalb kein Zweifel, dass die Kriterien des Bundes auch in Zukunft erfüllt werden sollen, weshalb die Zahl der Schweizer Schulkinder nachhaltig gesteigert werden muss.

Setzen auf Filialen

Erreicht werden soll dies mit einer Vorwärtsstrategie, nämlich der Eröffnung einer neuen Zweigschule. Schon als 1992 in Cuernavaca 90 Kilometer südlich der Hauptstadt eine Schulfiliale ihren Betrieb aufnahm, stieg die Anzahl Schweizer Kinder merklich an.

Dasselbe erhofft sich Hollenstein nun in Querétaro, rund 200 Kilometer nordwestlich von Mexiko-Stadt. Die Planung für die Gründung einer Schweizer Schule in Querétaro ist in vollem Gang und die Chancen, dass das Projekt realisiert wird, stehen gut.

Vor acht Jahren musste eine deutschsprachige Schule in Querétaro ihren Betrieb einstellen, weil sich der Direktor mit den Schulgeldern aus dem Staub gemacht hatte. Seitdem gibt es in der Provinzhauptstadt keine Schule mehr mit deutsch als Unterrichtssprache, weshalb das Projekt für eine Schweizer Schule auch von deutscher Seite begrüsst wird.

Einzigartige Strategie

Die Auslandschule in Mexiko steht mit ihren Ausbauplänen allein auf weiter Flur, von den anderen 16 Schweizer Schulen in neun Ländern sind keine ähnlichen Vorhaben bekannt.

Für Ambros Hollenstein ist ein offensives Vorgehen der einzig gangbare Weg, denn wenn die Bundessubventionen wegfielen, bliebe lediglich die Variante, die Schulgelder massiv zu erhöhen und Kosten einzusparen, womit ein Qualitätsverlust verbunden wäre.

Eine Schulgelderhöhung hätte zur Folge, dass sich der Charakter der Begegnungsschule nachhaltig verändern würde, und es sich nur noch sehr reiche Eltern leisten könnten, ihre Kinder ins “Colegio Suizo” zu schicken. Familien wie die Liechtis hätten dann wohl keine Chance mehr, ihren Kindern den Besuch einer Schweizer Schule zu ermöglichen.

Liechtis sind glücklich

“Die Ausbildung meiner Kinder hat mich schwer beschäftigt, aber jetzt bin ich eine glückliche Mutter”, sagt Amalia Liechti. Ihre 10-Jährige Tochter Carina war zuvor in einer staatlichen mexikanischen Schule und offenbarte beim Eintrittstest für die Schweizer Schule erhebliche Bildungslücken.

Anfangs hatte Carina grosse Schwierigkeiten, den Anschluss in der Primarschule zu schaffen, doch weil sie mit viel Eifer bei der Sache ist, ist sie mittlerweile zuversichtlich, es packen zu können.

Vieles steht an, was Carina lernen muss, beispielsweise die deutsche Orthographie, die sie nicht beherrscht. Eines aber hat die Kleine bereits gelernt, nämlich schwimmen. Ihre Angst vor dem Wasser hat sie abgelegt, Carina ist jetzt sogar eine begeisterte Wasserratte.

Martin Jordan, Mexiko-Stadt (Text und Bilder)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft