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Schweizer Ärzte im Einsatz in der Mongolei

Schweizer und Mongolen im gemeinsamen Einsatz. Christa Wüthrich

Rund 30 erfahrene Ärzte aus der Schweiz sind jedes Jahr während drei Wochen unentgeltlich in mongolischen Kliniken im Einsatz. Seit 10 Jahren unterstützt das Swiss Surgical Team Chirurgen und Anästhesisten in der Mongolei. Ein Augenschein.

Die Leute sitzen auf den Bänken oder auf dem Boden. Einige plaudern miteinander.

Getränke werden verkauft, Zeitungen angeboten, auch Geld wird gewechselt. Autos fahren vorbei, Kinder kreischen.

In dem bunten Treiben wähnen sich westliche Besucher eher auf einem Marktplatz als in der Empfangshalle des staatlichen Krankenhauses Nr. 1 in Ulaanbaatar.

Der Name “Nr. 1” bezieht sich nicht auf die Qualität des Spitals, sondern auf dessen Baujahr. Es wurde 1925 als erstes Krankenhaus in der Mongolei erstellt.

Anfang der 1990er-Jahre geriet das Gesundheitssystem nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in eine Krise. Es fehlte an allem: an Gebrauchs- und Verbrauchsmaterial, an technischen Geräten und Instrumenten sowie an Aus-, Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten für die mongolischen Ärzte.

“Es musste gespart werden. Die Behörden schlossen die teuerste Abteilung”, erinnert sich Ganbold Lundeg, Arzt und heutiger stellvertretender Leiter des Krankenhauses. “In diesem Fall war es die einzige Intensivstation im Land.” Eine Entscheidung, die unzähligen Patienten das Leben kostete.

Das bewog den Westschweizer Chirurgen Pierre Tschanz und dessen Frau Corinne, eine Anästhesie-Schwester, beim Wiederaufbau der Intensivstation zu helfen. Die beiden hatten bereits 1991 auf einem Urlaub verschiedene Krankenhäuser in der Mongolei besucht und grossen Handlungsbedarf festgestellt.

Team gegründet

1998 gründeten sie zusammen mit den Chirurgen Jürg Ammann, Jean-François Schmid und Beat Kehrer, das Swiss Surgical Team (SST). 1999 erfolgte ihre erste Mission in die Mongolei.

Sie schickten auch medizinisches Inventar nach Ulaanbaatar und bildeten Fachleute vor Ort aus. Mit Unterstützung der Universität Genf und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Bundes (Deza) wurde 2002 die neue Intensivstation eröffnet.

Die Schweizer Ärzte machten aus den Hilfseinsätzen eine Tradition und verbringen seither jährlich drei Wochen in der Mongolei. Sie bilden an öffentlichen Spitälern Ärzte aus, betreuen Patienten, halten Vorlesungen und führen Operationen durch. Kaum sind die Schweizer im Land, melden sich haufenweise Patienten, die von ihnen behandelt werden möchten.

Gegenseitige Komplimente

Kein Wasser im Operationssaal, fehlendes Verbandsmaterial oder falsch benutzte Instrumente: Auch heute mangelt es im medizinischen Alltag in der Mongolei oft an Material und Hygiene.

“Die Arbeit mit den mongolischen Ärzten ist bereichernd. Sie sind wissbegierig und versuchen trotz bescheidenen Mitteln das Maximum herauszuholen”, betont Beat Kehrer, ehemaliger Chef der Kinderchirurgie St. Gallen und Präsident von SST.

Das Kompliment kommt postwendend zurück: “Wir operieren zusammen mit den Schweizer Ärzten, lernen direkt vor Ort und können es dann an unseren Patienten umsetzen”, erzählt Shijir Ganbold, Chirurg an einem Regionalspital, und huscht zurück in den Operationssaal. Unterbrechen lasse er sich sonst bei seiner Arbeit nie. Aber die Möglichkeit, sich bei den Schweizern zu bedanken, wollte er nicht verpassen.

Doch einseitig sei die Hilfe und Zusammenarbeit auf keinen Fall, hält Kehrer fest, der für Uno, Deza und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) im Ausland tätig war: “Es ist ein Geben und Nehmen. Auch wir profitieren von den Mongolischen Medizinern. Betreffend Lebererkrankungen verfügen sie über einen grösseren Erfahrungsschatz als wir Schweizer.”

Wissensaustausch durch Telemedizin

Der Austausch von Wissen und die gegenseitige Unterstützung sollen sich in Zukunft nicht nur auf wenige Wochen beschränken. Mit Hilfe einer Internetplattform, initiiert durch die Universität Basel und SST, können sich die Ärzte in den Regionalspitälern auf dem Land mit ihren Kollegen in Ulaanbaatar austauschen, Röntgenbilder übermitteln und Diagnosen zusammen besprechen.

“Früher waren wir gezwungen, für eine Zweitmeinung oder die Diagnose durch einen Spezialisten unsere Patienten die 1400 Kilometer nach Ulaanbaatar zu transportieren – im Idealfall eine dreitägige Reise auf oft sehr schlechten Strassen”, erzählt die Onkologin Tsagaan.

“Durch die Telemedizin fallen diese Belastung für den Patienten und die entsprechenden Kosten weg.” In Zukunft soll der Austausch mit Schweizer Ärzten über Internet möglich werden.

In den Spitälern erinnert auf den ersten Blick vor allem das medizinische Material aus der Schweiz an den Einsatz von SST. “Wir legen Wert auf gut erhaltenes Material, das in der Mongolei mit Sicherheit korrekt angewendet werden kann”, betont Beat Kehrer.

Von anderen Hilfsorganisationen würden zu oft Güter vermittelt, die vor Ort nicht eingesetzt oder nicht repariert werden könnten. Ein Beispiel steht im Regionalspital in Khovd im Westen des Landes: Der moderne Computer-Tomograph, ein Geschenk aus Taiwan, war nur wenige Wochen im Einsatz. Zu störungsanfällig war die Elektronik. Seit zwei Jahren warten die Ärzte vergeblich auf ein Mechaniker-Team.

Christa Wüthrich, Ulaanbaatar, swissinfo.ch

Gegründet wurde das Swiss Surgical Team (SST) 1998 von den Chirurgen Pierre Tschanz, Jürg Ammann und Beat Kehrer mit dem Ziel, in der Mongolei mit einer langfristigen medizinischen Entwicklungshilfe zu beginnen.

Heute besteht das Team aus rund 30 erfahrenen Chefärzten und Spezialisten, die an grossen Schweizern Spitälern tätig sind.

Jährlich arbeiten sie während drei Wochen unentgeltlich in mongolischen Kliniken.

Zusätzlich werden Chirurgen aus der Mongolei zu Studienaufenthalten in die Schweiz eingeladen.

Ergänzt werden diese Aktivitäten durch Hilfslieferungen mit medizinischer Ausrüstung an mongolische Spitäler.

Privat- und Firmenspenden an die Stiftung Jürg Ammann machen die SST-Einsätze möglich.

Auch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und die Eidgenössische Stipendienkommission für ausländische Studierende unterstützen SST.

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