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Börse: Mehrjahres-Hoch – was nun?

Ein Börsenhändler in Frankfurt zwischen Kauf und Verkauf. Keystone

Zu Wochenbeginn hat der Schweizer Blue-Chip-Börsenindex SMI die wichtige Marke von 7000 Punkten überwunden – erstmals seit Juli 2001.

Wie bei jedem Mehrjahres-Hoch stellt sich nun die Frage, ob jetzt die Luft dünner wird oder noch Kurspotenzial vorhanden ist.

Ob mit dem Mehrjahres-Höchst an der Schweizer Börse nun die Trendwende erreicht ist, hängt stark vom künftigen Zinsverlauf ab. Allgemein gilt die Regel: Steigen die Zinsen, fallen die Aktienpreise.

Zahlreiche Marktbeobachter und Analysten rechnen nach dieser lang anhaltenden Wachstumsphase der Aktienpreise damit, dass die Zinsen nun langsam gegen oben tendieren werden.

Unterbewertete Aktien oder Zinssteigerungen

Laut der jüngsten “Asset Allocation” der Abteilung “Investment Research” der Bank Leu bleibt jedoch in Europa “gegenwärtig der Aktienbereich noch unterbewertet”. Bank Leu erklärt dies mit den historisch tiefen Zinsen. Doch berge genau dies die fundamentale Furcht vor Zinssteigerungen, die diese Unterbewertung zunichte machen würde.

Während die Bank Leu glaubt, dass auch ein leichter Anstieg der Zinsen, zum Beispiel der Euro-Zinsen für deutsche Obligationen, den Aktienpreisen nicht schade, spricht Lorenz Burkhalter, Asset Management AG, Bern, gegenüber swissinfo von einer “schleichenden Entwicklung gegen oben”.

Üblicherweise beenden Zinssteigerungen eine Aktienhausse. Doch die beiden jüngsten Hurrikane in den USA haben die Zinsen vorerst bachab geschickt, und zwar auch im Frankenbereich. Laut Bank Leu besagt eine Regel, dass, die inflationsbereinigten Zinssätze ungefähr dem Wirtschafts-Wachstum entsprechen. Zur Zeit sei aber in Europa das Wachstum mit 1,1% doppelt so hoch wie die Zinsen.

“Doch längerfristig scheint es, als ob die US-Notenbank die Dollar-Leitzinsen erhöhe, und die Schweizerische Nationalbank nachziehe. Und plötzlich wird dann realisiert, dass sich die Obligationen von ihren Tiefstkursen gelöst haben”, so Burkhalter. Was zwar nicht sofort einen Anfang vom Ende der Aktienhausse bedeuten könnte, aber zunehmend eine Herausforderung für Aktienanlagen sei.

Energie und Unwetter

Die vergangenen Monate waren aus Börsensicht von den hohen Ölpreisen und den Unwetterschäden gezeichnet. “Erstaunlicherweise hielten die Aktienkurse all dem stand”, sagt Burkhalter. “Ein Zeichen, dass sich der Markt in einer starken Verfassung befindet.”

Doch die Vorwegnahme steigender Zinsen spielt auch hier eine Rolle: Die zahlreichen kurstreibenden Übernahmen in der Schweiz, wie Leica Geosystems oder Saia Burgess, geht laut Marktbeobachtern weniger auf die günstigen Aktienpreise als auf die noch tiefen Zinsen zurück – denn diese garantieren eine günstige Refinanzierung des Kaufs.

Musik liegt weiterhin in Nebenwerten

Noch sei der Übernahmereigen nicht zu Ende, meint auch Burkhalter. Die Nebenwerte, die schon im 3. Quartal den Ton an der Schweizer Börse angaben, dürften diesbezüglich auch weiterhin für Fantasie sorgen.

Übernahmekandidaten gebe es weiterhin. So könne man hören, dass Interesse an der ehemaligen Unaxis-Tochter Inficon (Halbleiterindustrie) bestehe. Der Kurs ihrer Aktie stieg innerhalb eines Jahres von rund 75 auf 180 Franken. Als Interessentin werde die in den USA kotierte MKS Instruments genannt, sagt der Berner Asset Manager.

Und an der Neuhausener SIG (Verpackung und Anlagen für Getränke) sei, so heisse es an der Börse, das skandinavische Verpackungs-Unternehmen StoraEnso interessiert.

Gegenwärtig möchten an börsenkotierten Unternehmen Interessierte lieber heute kaufen als morgen. Zieht sich eine Übernahme unerwartet in die Länge, könnte es in der Zwischenzeit zu Zinssteigerungen kommen. Dies verteuert die Übernahme, unabhängig ob der schliesslich zustande gekommene Verkaufspreis pro Aktie hoch oder tief ausfällt.

DAX statt Wall Street

Zum Erstaunen vielen Börsenbeobachter spielt die US-Börse für den Schweizer Aktienmarkt seit Jahresbeginn nur eine geringe Rolle: So ausgeprägt war das Schweizer Eigenleben, dass in der Schweiz seit Januar ein Plus von 20% zustande kam, während sich Wallstreet nur um rund 1 bis 2% verbesserte.

Dafür beobachtete man aus der Schweiz den Verlauf der Deutschen Börse sehr genau. Beim deutschen Leitindex DAX verläuft das Wachstum seit Ende 2004 in ähnlichen Grössenordnungen wie in der Schweiz. “Im Unterschied zur SMI waren es jedoch in Deutschland vor allem Standardwerte, die man suchte”, sagt Burkhalter.

Man ging davon aus, dass viele Ausländer auf die Wahlen hin deutsche Werte gekauft hätten. Trotz der diesbezüglichen Falschkalkulation erreichte auch der DAX zum Wochenbeginn den höchsten Stand seit Mait 2002.

Schweizer Aktien: Am Dienstag weiter auf Höhenflug

Die Schweizer Aktien haben am Dienstag ihren Höhenflug fortgesetzt. Sowohl die Aktienindizes als auch die einzelnen Werte kamen auf neue Höchstkurse. Händler sprechen von einer sehr guten Stimmung.

Der SMI erreichte bei 7040 Punkten wiederum den höchsten Stand seit Juli 2001 und notierte zum Börsenschluss um 0,52% höher mit 7042,26. Der breite SPI stieg um 0,48% auf 5371,96 Punkte.

swissinfo, Alexander Künzle

Der SMI (Schweizer Standardwerte) liegt um mehr als 21% über dem Stand von Ende 2004.

Anfang Woche wurde mit dem Überschreiten der 7000-Marke der Stand vom Juli 2001 überschritten.

Allein im vergangenen Trimester stieg der SMI um über 10%.

Auch die Umsätze an der SWX-Börse legten seit Jahresbeginn um 41% zu.

Seit Januar 2005 verläuft die Schweizer Börse bemerkenswert eigenständig, und unabhängig von Wall Street.

Doch der Ton ist zu einem guten Teil von den so genannten Nebenwerten angegeben worden.

Übernahmen wie jene von Leica Geosystems und Saia Burgess machten Schlagzeilen – von weiteren wird gesprochen.

Ob der Trend weiter nach oben zeigt oder die Luft langsam dünner wird, hängt vom weiteren Zinsszenario ab.

Sollten die Zinssätze zunehmen, geht dies kaum ohne einen Abfall der Stimmung bei den Aktienkursen vor sich.

Der SMI – Swiss Market Index – ist der Blue-Chip-Index des Schweizer Aktienmarktes.
Als bedeutendster Index entfallen auf ihn 90% der Free-Float-Kapitalisierung des Schweizer Aktien-Marktes (Free Float: Anteil der frei gehandelten Werte).
Er bildet die maximal 30 liquidesten und grössten Aktien aus dem grossen und mittleren Unternehmensbereich ab.

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