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Bürgerliches Komitee gegen revidiertes Asylgesetz

Keystone

100 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stellen sich gegen das von der bürgerlichen Mehrheit im Parlament revidierte Asylgesetz.

Das Gesetz, das am 24. September dem Volk vorgelegt wird, hilft ihrer Ansicht nach nicht gegen Missbrauch und droht zudem, elementare Menschenrechte zu verletzen.

“Es darf nicht sein, dass der Missbrauch mit staatlicher Willkür bekämpft wird”, sagte der ehemalige Swisscom-Präsident Markus Rauh, einer der Initianten des Komitees gegen das neue Asylgesetz.

Im Urteil der bürgerlichen Gegner trifft das Gesetz wirkliche Flüchtlinge, taugt aber nichts als Instrument gegen den Missbrauch im Asylwesen.

Um die Probleme zu lösen, brauche es Rückführungsabkommen und nicht eine Verschärfung von Massnahmen, die schon bisher nicht genützt hätten, sagte der ehemalige Bundeskanzler François Couchepin.

Dem bürgerlichen Komitee gegen das Asylgesetz gehören nebst Rauh und Couchepin etwa der frühere Swisscom-Konzernchef Jens Alder, Unternehmer Rolf Bloch und der frühere Präsident des FC Basel, René C. Jäggi, an.

Auch der Tessiner Ständerat Dick Marty oder Jakob Nüesch, der ehemalige Präsident der ETH-Zürich, oder die Verlegersgattin Ellen Ringier engagieren sich gegen das verschärfte Gesetz.

Nationalrätin Rosmarie Zapfl von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) sagte, das Gesetz gehe weit über die vom Volk abgelehnte Asyl-Initiative der SVP hinaus. Die religiösen Gemeinschaften der Schweiz und viele Mitglieder der CVP-Basis seien aus Überzeugung gegen das Gesetz.

Leere Versprechen?

Laut dem Waadtländer Claude Ruey, Nationalrat der Liberalen Partei, macht das Gesetz nur leere Versprechen. Es gebe keine brauchbare Antwort auf das Problem der Wegweisung von abgewiesenen Asylsuchenden. Dafür wären vielmehr Rückübernahmeabkommen, Rückkehrunterstützung und eine verstärkte Zusammenarbeit mit der EU nötig.

Der ehemalige UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, der Schweizer Jean-Pierre Hocké, warnte entschieden vor der Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention. Als Gaststaat des neuen Menschenrechtsrates der UNO riskiere die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie selber die Menschenrechte missachte.

Nichts aus der Geschichte gelernt?

Der Unternehmer Rolf Bloch sprach “als Jurist, als Schweizer und als Jude”. Die Durchsuchung von Asylsuchenden in Privatwohnungen ohne richterliche Erlaubnis widerspreche einem grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzip.

Die Schweiz rehabilitiere heute die Fluchthelfer des Zweiten Weltkriegs, die sich über Gesetze hinweggesetzt und ihrem Gewissen gefolgt seien. Nach dem neuen Gesetz könnten sie sich nicht mehr auf “achtenswerte Beweggründe” berufen, sagte Bloch. Sie würden kriminalisiert. “Haben wir aus der Geschichte nichts gelernt?”

Gefährliches Schnellverfahren

Markus Rauh sagte weiter, dass es Missbrauchern ohne Papiere egal sein könne, wenn ihr Gesuch nicht geprüft werde. “Wollen sie ihre Wegweisung hintertreiben, werden sie weiterhin ihre Identität verheimlichen.”

Echte Flüchtlinge ohne Papiere würden aber in ein gefährliches Schnellverfahren geschleust, das nur für klare Missbrauchsfälle geeignet sei. “Missbrauch darf unter keinen Umständen mit staatlicher Willkür bekämpft werden”, so Rauh.

Das bürgerliche Komitee plant im Vorfeld der Volksabstimmung eine Kampagne. Asyl- und Ausländergesetz seien eng miteinander verflochten, hält es fest und ruft deshalb dazu auf, am 24. September zwei Mal Nein zu stimmen.

swissinfo und Agenturen

2004 hatten 14’248 Personen in der Schweiz um Asyl ersucht.
Im letzten Jahr verringerten sich die Anfragen um 29,4% auf 10’061.

Das neue Asylgesetz – das die Handschrift von Justizminister Christoph Blocher trägt – beinhaltet unter anderem die Aufhebung der Sozialhilfe für zurückgewiesene Asylbewerber oder die Verdoppelung der Ausschaffungs-Haft auf 18 Monate.

Die Aufnahme aus humanitären Gründen ist zudem ausgeschlossen, wenn die Antragsteller nicht im Besitz von Ausweisdokumenten sind. Sonst müssen sie beweisen, dass deren Fehlen nicht ihre Schuld ist.

Der Familiennachzug und der Zugang zum Arbeitsmarkt werden dafür im Fall einer provisorischen Aufnahme einfacher.

Für die Anhänger des neuen Gesetzes rechtfertigt sich die Revision im Hinblick auf die Veränderungen in den Migrations-Strömen. Ausserdem verhindere es den Asylmissbrauch.

Die Gegner bemängeln das schlechtere Klima für Flüchtlinge. Die Revision verletze zudem einige von der Schweiz unterschriebene Abkommen.

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