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Bundeskasse: Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling

Finanzminister Hans-Rudolf Merz für einmal strahlend. Keystone

Statt mit einem Defizit von 697 Millionen wird die Rechnung des Bundes 2006 mit einem ordentlichen Überschuss von über 2 Mrd. Franken abschliessen.

So konnte Finanzminister Hans-Rudolf Merz am Mittwoch zumindest für das laufende Jahr äusserst Positives verkünden. Bis 2010 drohe aber eine Neuverschuldung in Milliardenhöhe.

Fügt man zum ordentlichen Überschuss des Bundeshaushalts von 2,2 Milliarden die für den Schuldenabbau bestimmten 2,1 Milliarden aus dem Verkauf der Swisscom-Aktien hinzu, beträgt der Einnahmenüberschuss laut Hans-Rudolf Merz sogar 4,3 Milliarden.

Dank guter Konjunktur und Disziplin

Zum guten Ergebnis tragen insbesondere die reichlich sprudelnden Fiskaleinnahmen bei. Vor allem die Verrechnungssteuer dürfte das Budget dank Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufen weit übertreffen. Auch die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelabgaben liegen bei guter Konjunktur über dem Voranschlag.

Zudem gibt der Bund dieses Jahr weniger aus als budgetiert. Die tiefen Nachträge werden durch Kreditreste mehr als kompensiert. Laut Merz tragen die konsequente Ausgabendisziplin und die Sparprogramme Früchte. Die beiden Entlastungsprogramme haben den Ausgabenplafond um insgesamt 5 Milliarden gesenkt.

Bildungs-, Unwetter-, Pandemie-Ausgaben…

Mit dem Ergebnis dieses Jahres sei früher als geplant ein Meilenstein erreicht, sagte Merz. Auf alle Feste könne aber ein Kater folgen. “Ich muss einmal mehr eine Kassandra-Rede halten, denn in den Haushaltperspektiven bis 2010 zeichnet sich eine erhebliche Verschlechterung ab.”

Laut Merz drohen im ordentlichen Bundes-Haushalt Mehrbelastungen von 300 bis 600 Millionen pro Jahr, das heisst kumuliert von rund 1,3 Milliarden. Mit etwa 300 Millionen schlägt dabei der jüngste Entscheid zu Buche, die Ausgaben für Bildung, Forschung und Innovation um jährlich 6 statt 4,5% wachsen zu lassen.

Ausgaben von 58 Mio. Franken zieht die vom Parlament geforderte Sonderbotschaft zu den Unwetterschäden 2005 nach sich, 93 Millionen erfordert die Vorbereitung auf eine Pandemie. Muss der Bund gegen den Willen des Bundesrates weiterhin den Zeitungstransport verbilligen, kostet dies 240 Millionen.

…und mehr Ausgaben im ausserordentlichen Bereich

Noch viel höher sind die Zusatzbelastungen im ausserordentlichen Bereich. Eine Einmaleinlage von 900 Millionen in die Pensionskasse Publica wird fällig, nachdem die Rentnerkasse gescheitert ist. Auch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) erwarten einen Beitrag an die Rekapitalisierung ihrer Pensionskasse. Zur Entschuldung der Invaliden-Versicherung (IV) werden Varianten diskutiert, die den Bund sehr teuer zu stehen kommen könnten.

Schwierig wird laut Merz das Jahr 2008, in dem gemäss geltendem Finanzplan ausserordentliche Ausgaben von 4,1 Milliarden anfallen. Dann wird namentlich der Infrastrukturfonds für den Verkehr eingerichtet. 2008 tritt zudem der neue Finanzausgleich (NFA) in Kraft, was den Bund zu einmaligen nachschüssigen Zahlungen an die IV verpflichtet.

Lieber kein neues Sparpaket

Mit all diesen Mehrbelastungen drohe bis 2010 eine Neuverschuldung in Milliardenhöhe, sagte Merz. Das Ziel der Schuldenstabilisierung liesse sich selbst dann nicht mehr realisieren, wenn die bereits einberechneten Einsparungen von kumuliert 2,85 Milliarden aus der Aufgabenüberprüfung voll erreicht würden.

Alles in allem musste Merz so das exzellente Ergebnis 2006 relativieren, zumal die Mehreinnahmen grösstenteils konjunkturbedingt sind. Man dürfe nun nicht in die alten Fehler zurückfallen und die Zügel schleifen lassen.

Die Frage nach einem dritten Entlastungsprogramm bezeichnete Merz als berechtigt. Diesen Weg möchte er aber nicht mehr beschreiten.

Mit Vorsicht quittiert

Der halbwegs erwartete Überschuss wurde von Parteien und Verbänden positiv quittiert. Sie begrüssten die Vorsicht des Finanzministers.

Die Bürgerlichen forderten weiter konsequente Sparanstrengungen. Die Sozialdemokraten wollen besonders bei der Bildung investieren und erwartet moderate Reallohnerhöhungen beim Bundespersonal.

Gemäss dem Wirtschaftsdachverband economiesuisse ist die Ausgabenflut längst nicht gebremst.

Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) forderte Zurückhaltung. Die Ausgaben dürften in den nächsten Jahren teuerungsbereinigt nicht mehr als 1,5% wachsen.

swissinfo und Agenturen

Bundeshaushalt (in Mrd. Fr.)
2005: Einnahmen 51,28; Ausgaben 51,4; Defizit -0,12
2004: Einnahmen 48,63; Ausgaben 50,29; Defizit -1,66
2003: 47,16; 49,96; -2,8
2002: 47,41; 50,72; -3,32
2001: 48,91; 50,22; -1,31
2000: 51,68; 47,13; Überschuss 4,55

Das aufsummierte Defizit von Bund, Kantonen und Gemeinden betrug Ende 2004 239 Mrd. Franken.

Dies entspricht 53,5% des Bruttosozialprodukts der Schweiz.

Die Schweiz braucht 7 Mrd. Franken pro Jahr – was 7% seines totalen Steueraufkommens entspricht – für den Schuldendienst.

Wegen der guten Konjunktur hat vor allem die Verrechnungssteuer stark zulegt.

Laut Finanzdepartement waren von den budgetierten 48,6 Mrd. Franken Ende September bereits 43,53 Mrd. in der Kasse.

Am direktesten auf die Hochkonjunktur reagiert die Mehrwertsteuer. Der Zwischenstand in der Kasse Ende September betrug 14,79 Mrd.

Auch die Direkte Bundessteuer übertrifft das Budget. Ende September waren schon 13,1 Mrd. eingenommen, bei einem Jahresbudget von 13,77 Mrd.

Die Tabaksteuer und die Mineralölsteuer blieben hingegen hinter den Erwartungen zurück.

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