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5. Schweiz: wuchtiges Ja zu Freizügigkeit

Die Auslandschweizer sandten zu rund 75% ein Ja in die Heimat. swissinfo.ch

Die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland haben der Erweiterung der Personen-Freizügigkeit auf die neuen EU-Länder mit über 75% Ja zugestimmt.

Ein Nein hätte den Schweizern in der EU wohl grosse Probleme beschert.

Zur Erinnerung: Anfang September hatte das Parlament der Auslandschweizer, der Auslandschweizerrat, mit 69 zu 5 Stimmen Ja zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Länder gesagt.

“Die Auslandschweizer haben zum Teil selber erfahren, dass sie im Ausland mit einer Freizügigkeit sehr viel besser fahren”, analysierte Georg Stucky, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO), damals die Lage und kam auf einen wichtigen Aspekt zu sprechen, der in der Schweiz selber im Abstimmungskampf wenig betont wurde:

“Wenn das Stichwort Personenfreizügigkeit fällt, denkt die Mehrheit an Ausländer”, sagte Stucky. “Ausgeblendet werden die Hunderttausenden von Schweizerinnen und Schweizern, die entweder auf die Personenfreizügigkeit angewiesen sind, oder in Zukunft von ihr Gebrauch machen wollen.”

Fast jeder 10. Schweizer Staatsangehörige lebt im Ausland

Mit 623’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern lebt heute fast jeder zehnte Schweizer Staatsangehörige im Ausland, davon rund 60% in der EU.

So sei das Abstimmungsergebnis vom Sonntag sehr wichtig für die Schweizerinnen und Schweizer im EU-Ausland, sagte Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer Organisation (ASO), gegenüber swissinfo. “Niemand weiss, wie die EU reagiert hätte, wenn die neuen Länder durch die Schweiz diskriminiert worden wären.”

Alle Schweizerinnen und Schweizer in der EU hätten nun unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. “Sie haben die Niederlassungs-Freiheit. Das ist vor allem für die wichtig, welche nicht Doppelbürger sind. Und das sind immerhin über 100’000 Personen”, fand Wyder weiter.

Versicherungen und Renten

Ein weiterer Aspekt sei ebenfalls sehr wichtig: “Schweizer haben unbeschränkten Zugang zu den Sozialversicherungen.”

Die Systeme blieben zwischen der Schweiz und der EU koordiniert. Damit sei geregelt, wer von wo eine Rente erhalte. Versicherungszeiten würden gegenseitig angerechnet. Das wirke sich letztlich auf die Höhe der Rente aus.

“Wäre das alles abgelehnt – oder mit einem Nein in Frage gestellt worden – dann hätte sich die Schweiz selber diskriminiert. Denn, es war ja nicht die EU, welche diese Abstimmung wollte”, sagte Wyder.

Für die Jungen

Dann sei das Ja zur Personenfreizügigkeit mit den neuen EU-Ländern auch ein Entscheid für die Zukunft, ein Entscheid für die jungen Schweizerinnen und Schweizer.

“Sie können – das wurde erst in diesem Abstimmungskampf etwas mehr betont als bei Schengen/Dublin – ohne Probleme in der gesamten EU arbeiten und wohnen.”

Doch der bilaterale Weg sei halt ein mühsamer Weg, weist Rudolf Wyder auf den Sonderweg der Schweiz hin.

Dieser Sonderstatus koste Aufwand. “Wir haben Rückmeldung von Schweizern aus dem Ausland, dass die lokalen Behörden oft nicht oder noch nicht über die Verträge der EU mit der Schweiz orientiert worden sind. Die Bestimmungen sind noch nicht überall bekannt.”

Die Schweizer Botschaften intervenierten etwa und bäten die jeweiligen Länder, die Abmachungen EU-Schweiz an die lokalen Behörden weiter zu geben. Auch selber müsse man auf die Verträge hinweisen, was nicht immer einfach sei.

Zufrieden

“Wenn ich das Abstimmungsergebnis und die Auswirkungen auf die 5. Schweiz betrachte, dann bin ich erleichtert und erfreut”, zog Wyder ein positives Fazit. “Vor allem darüber, dass es deutlicher ausgefallen ist, als erwartet. Und – per Saldo – haben die Schweizer im Ausland rund 40’000 Ja-Stimmen zum positiven Ergebnis beigetragen.”

Wenn man bedenke, wie wenig seinerzeit bei der EWR-Abstimmung zu einem Volksmehr gefehlt habe, sehe man, wie wichtig die Stimmen der Auslandschweizer seien.

In den Kantonen, welche die Stimmen der Auslandschweizer separat ausweisen, sagten diese im Vergleich zum kantonalen Durchschnitt überall noch deutlicher Ja: In Genf waren es 72% Ja-Stimmen, in der Waadt 75,7%, im Kanton Luzern 75,6%, in Basel-Stadt 79,6%. Auch im Appenzell-Innerrhoden, wo die Vorlage mit 56% Nein abgelehnt worden war, sagten die Auslandschweizer mit 72,8% Ja.

swissinfo

Ende 2004 lebten 623’057 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.
Dies entspricht rund 10% der Schweizer Bevölkerung.
62% davon leben in Europa (166’000 in Frankreich, 70’000 in Deutschland, 45’000 in Italien).
71% der Auslandschweizer sind Doppelbürger.
Über 95’000 Personen haben sich in Wahlregister eingetragen.

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