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Deutschland eröffnet Jagd auf Steuersünder

Die Credit Suisse steht im Kreuzfeuer der Ermittlungen in Deutschland. Keystone

Die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf hat im Zug der Auswertung einer mutmasslich gestohlenen CD mit Steuerdaten aus der Schweiz 1100 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es soll um ein Anlagevermögen von insgesamt 1,2 Mrd. Euro gehen.

Die Staatsanwalt von Nordrhein-Westfahlen teilte weiter mit, bei den Verdächtigten handle es sich um Kunden und Mitarbeiter der Schweizer Bank Credit Suisse. Gegen die Mitarbeiter werde wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt. Die Behörden sollen in Süddeutschland erste Wohnungen durchsucht haben.

Verfahren gegen Steuerpflichtige aus anderen Bundesländern seien jeweils nach dorthin abgegeben worden, sagte der Staatsanwalt in Düsseldorf weiter. Der Grossteil der Fälle betreffe Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. In Nordrhein-Westfalen verbleiben 174 Fälle und alle Verfahren gegen Bank-Mitarbeiter.

Untersuchungen in Baden-Württemberg

Zuvor hatte auch das baden-württembergische Finanzministerium bestätigt, dass die Behörden des Landes die Fahndung nach Steuerhinterziehern verstärkt hätten. So seien Durchsuchungen bei Verdächtigen vorgenommen worden.

Das Land habe Daten zu Steuersündern übermittelt bekommen, die Nordrhein-Westfalen von einem Anbieter gekauft hatte, sagte der Sprecher. Gegen Betroffene im Südwesten des Landes werde jetzt ermittelt.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte über erste Durchsuchungen auf Grund der von Nordrhein-Westfalen erworbenen CD berichtet. Dieses Bundesland habe die Angaben von Betroffenen in anderen Regionen weitergegeben.

Bei Privatleuten in Süddeutschland, die keine Selbstanzeige erstattet hätten, seien Beamte mit gerichtlichem Durchsuchungsbefehl erschienen, sagte ihr Anwalt gegenüber der Zeitung. Die Finanzbeamten hätten bereits bei ihrem Erscheinen den exakten Betrag gekannt, der auf einem Bankkonto der Credit Suisse lag, soll der Anwalt gesagt haben.

Credit Suisse: Keine Stellungnahme

Marc Dorsch, der zuständige Credit Suisse-Sprecher, wollte auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda keine Stellung nehmen. Bislang hat die Credit Suisse wiederholt erklärt, sie wisse nicht, ob die fragliche CD Namen ihrer Kunden enthalte. “Wir haben null Fakten”, erklärte Credit-Suisse-Chef Brady Dougan Mitte Februar.

Credit Suisse verwaltet für Privatkunden im Geschäftsbereich Private Banking weltweit knapp 915 Milliarden Franken. Davon liegen 328 Milliarden in der Schweiz. Davon wiederum stammen nach Angaben der Bank weniger als 100 Milliarden von Kunden aus “grossen europäischen Ländern”.

Ermittlungswelle 2008

Bereits 2008 hatte eine vom deutschen Bundesnachrichtendienst gekaufte CD mit Daten von Steuersündern eine Welle von Ermittlungen ausgelöst. Prominentester Steuersünder war damals der frühere Deutsche Post-Chef Klaus Zumwinkel, der im Januar 2009 zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt worden war.

Zumwinkel hatte am Fiskus vorbei Millionen in einer von der Liechtensteiner Bank LGT verwalteten Stiftung angelegt.

swissinfo.ch und Agenturen

Der automatische Informationsaustausch, den der Bundesrat ablehnt, existiert in der Europäischen Union bereits seit Sommer 2005. Er stellt sicher, dass sich Steuerpflichtige in der EU nicht mehr von der Versteuerung ihrer Zinseinnahmen drücken können.

Die Datensätze, die seither zwischen den Ämtern der einzelnen EU-Länder ausgetauscht werden, bestehen jeweils aus vier Angaben. Neben dem Namen und des Wohnsitzes des Steuerpflichtigen, dem Namen der Bank und der Kontonummer wird auch die Höhe der geleisteten Zinszahlungen mitgeteilt.

Angaben zu einzelnen Gut- oder Lastschriften auf den Konten werden nicht gemacht. Auch die Höhe des auf den Konten liegende Vermögen wird vom automatischen Informationsaustausch nicht erfasst.

Allerdings können die Behörden aufgrund der Höhe der Zinszahlungen Rückschlüsse darüber ziehen, ob die Steuerpflichtigen ihr Vermögen korrekt deklariert haben.

Der automatische Informationsaustausch ist in einer 2003 vom Europäischen Rat verabschiedeten Richtlinie geregelt und für die EU- Mitglieder verbindlich. Die Richtlinie trat allerdings erst in Kraft, als auch die Schweiz in eine Besteuerung der Zinsen eingewilligt hatte. Mit diesem Passus hat die EU eine Kapitalflucht in Länder wie die Schweiz, Liechtenstein, Andorra oder Monaco verhindern wollen.

Im Zinsabkommen, das Teil der “Bilateralen II” ist, hat sich die Schweiz zur schrittweisen Einführung einer Quellensteuer von 35% auf Zinseinnahmen verpflichtet.

Weil so zwar die Steuereinnahmen fliessen, aber keinerlei Informationen zu den einzelnen Kontoinhabern weitergereicht werden, ist die Quellensteuer für die Behörden in den EU-Ländern nicht gleich wertvoll wie der automatische Informationsaustausch.

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