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“Die gleichen Regeln für Randalierer und Reisebüros”

Ob das Geld der vom Reisebüro gebuchten Übernachtung wohl eintreffen wird?

Verschiedene Schweizer Hoteliers fordern eine schwarze Liste für Reisebüros. Diese würden teilweise Hotels buchen, ohne zu bezahlen. Ein Problem, das dem Geschäftsführer des Schweizerischen Reisebüro-Verbands nicht bekannt ist.

Der Hotelgast wählt das beste Zimmer aus, bestellt ein fünfgängiges Nachtessen aufs Zimmer, leert die Mini-Bar und haut ab, ohne zu bezahlen – so etwa stellt man sich Zechprellerei in Hotels vor.

Doch solche Fälle sind selten, wie Jörg Arnold, Direktor des Hotels zum Storchen in Zürich und Präsident der Zürcher Hoteliers sagt.

Einen richtigen Zechpreller als Hotelgast, der bewusst Leistungen in Anspruch nahm, obwohl er nicht zahlen konnte, hätten sie im Storchen bisher nur einen gehabt.

“Schwarze Schafe bei Reisebüros”

Mehr zu schaffen machen den Hoteliers die Reisebüros. “Bei den Reisebüros gibt es ab und zu schwarze Schafe”, sagt Arnold.

So komme es etwa vor, dass Reiseveranstalter, obwohl sie kurz vor dem Konkurs stehen, für ihre Kunden noch Hotels buchten und dann nicht mehr bezahlten. “Reisebüros tauchen auf und verschwinden wieder, das geht relativ schnell.”

Zudem würde heute oft so kurzfristig gebucht, dass es zum Teil nicht möglich sei, eine Vorauszahlung zu verlangen. Die Reisebüros würden meistens mit Voucher-Gutscheinen arbeiten.

Alarmsystem für Hotelgäste

Bei den Reisebüro-Buchungen gehe es meist um grössere Beträge als bei Individualreisenden. Doch während die Hoteliers der Zechprellerei von Hotelgästen, die individuell reisen, mit entsprechenden Sicherheitsmassnahmen wie Vorauszahlung oder Kreditkartenreservation entgegenwirken können, sei dies bei den Reisebüros schwieriger.

In Zürich sind die Hoteliers auch gegen “problematische” Hotelgäste, die etwa durch Alkoholexzesse auffallen, gewappnet. Gemäss Arnold besteht für Mitglieder des Zürcher Hotelier-Vereins eine Art Alarm-System, mit dem sie sich bei Bedarf gegenseitig warnen. Die E-Mails würden sofort wieder gelöscht.

Arnold führt zudem intern eine schwarze Liste, auf der momentan rund vier Personen figurieren. “Wenn diese anrufen, dann sind wir ausgebucht.”

Damit sich die Hoteliers auch vor unseriösen Reisebüros schützen können, hält Arnold eine nationale schwarze Liste für Reisebüros für “sinnvoll”. Und mit dieser Einschätzung ist er nicht alleine.

“Nützliches Instrument”

“Wir können uns vorstellen, dass eine Black List ein nützliches Informations-Instrument darstellt, um zweifelhafte Vertragsabschlüsse mit Reiseveranstaltern zu vermeiden”, sagt Eva Strebel, Sprecherin vom Branchenverband Hotelleriesuisse.

Hotelleriesuisse klärt momentan ab, inwiefern ein Bedürfnis besteht, eine schwarze Liste mit Reiseveranstaltern zu führen. Auch ob die Zahl der säumigen Reisebüros in den letzten Jahren zugenommen hat, wird geklärt.

Die üblichen Inkasso-Massnahmen könnten sich gerade bei Betreibungen im Ausland oftmals sehr aufwändig und teuer gestalten, so Strebel. Über hängige Aufträge beim Inkasso-Dienst von Hotelleriesuisse wollte sie jedoch keine Auskunft geben.

Für SRV kein Thema

Der Geschäftsführer des Reisebüro-Verbands, Walter Kunz, “kann grundsätzlich mit einer schwarzen Liste für Reisebüros leben”. Seiner Ansicht nach haben “seriöse Unternehmen nichts zu befürchten”.

Gemäss Kunz sind säumige Reisebüros beim Schweizerischen Reisebüro-Verband (RSV) “absolut kein Thema”. In den letzten Jahren sei lediglich ein Hotel auf den SRV zugekommen, weil ein Reiseveranstalter die Rechnung nicht bezahlt habe. Später stellte sich heraus, dass es sich um einen technischen Fehler bei der Banküberweisung handelte.

Datenschutz geregelt

Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür scheint das Problem jedenfalls ernst zu nehmen.

Es habe wiederholt Anfragen von geschädigten Hoteliers, Wirten und Club-Betreibern gegeben, ob und unter welchen Bedingungen eine Datenbank eingerichtet werden könnte, um sich unangenehme Überraschungen zu ersparen, heisst es im jüngsten Tätigkeitsbericht.

Gemäss diesem ist eine schwarze Liste in Hotellerie und Gastgewerbe für Kundinnen und Kunden, “die sich ungebührlich benehmen und der Zechprellerei, Sachbeschädigungen oder gar aggressiven Verhaltens anderen Gästen gegenüber schuldig machen” von legitimem Interesse.

Das vom Datenschutzbeauftragten eigens dafür definierte Datenschutzkonzept gilt sowohl für natürliche als auch für juristische Personen. “Die Regeln sind grundsätzlich dieselben, ob es sich um Randalierer oder um dubiose Reisebüros handelt”, sagt Daniel Menna, Pressesprecher des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten.

swissinfo, Corinne Buchser

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat für Datenbanken über Kunden, “die sich in schwerwiegender Weise ungebührlich verhalten”, verschiedene Regeln definiert.

So darf etwa die Datenbank “auf keinen Fall” öffentlich zugänglich sein.

Die Gäste müssen – etwa mit einem Aushang im Lokal oder mit einem Hinweis auf der Hotelreservation – informiert werden, dass eine schwarze Liste geführt wird.

Erfasste Personen müssen die Daten allenfalls berichtigen lassen können.

Personendaten müssen gelöscht werden, wenn während zwei Jahren kein neuer Eintrag erfolgt.

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