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“Eine bescheidene, aber nötige Reform”

Die Finanzpolitiker Hans-Rudolf Merz (rechts) und Christian Wanner sind für die Reform. Keystone

Die Unternehmenssteuer-Reform dient laut Finanzminister Hans-Rudolf Merz vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen und damit dem Wirtschaftsstandort Schweiz.

Die Abstimmung über die Reform, die auch von den Finanzdirektoren der Kantone unterstützt wird, findet am 24. Februar statt.

Nach den Grossunternehmen und den Ehepaaren seien jetzt eindeutig die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) am Zuge, sagte Merz.

Sie machten mit 99% das Rückgrat unserer Wirtschaft aus. “Wenn es ihnen gut geht, geht es auch den Arbeitnehmenden gut”, begründete Merz.

“Das ist eine vergleichsweise bescheidene, aber nötige Reform.”

Assistiert wurde der Finanzminister vom Solothurner Regierungsrat Christian Wanner, der als interimistischer Präsident der Finanzdirektoren-Konferenz die Kantone vertrat.

Nicht für die Grossaktionäre

Den KMU dient laut Merz auch, dass die Dividenden bei einer Beteiligung von mindestens 10% nur noch zu 60% besteuert werden. Der Abbbau der wirtschaftlichen Doppelbelastung bei Unternehmen und Aktionären verhindere das unproduktive Horten von Gewinnen, schaffe Risikokapital und fördere so Investitionen.

Davon profitierten nicht “einige wenige Grossaktionäre”, widersprach Merz den linken Referendumsführern. “Niemand besitzt 10% der Aktien von Nestlé, Novartis oder ABB.”

Vielmehr trügen viele tausend Gewerbler mit einer solchen Beteiligung Verantwortung für ihre kleinen Betriebe. Auf sie sei die Reform ausgerichtet.

Verfassung nicht verletzt

Auch den Vorwurf, die Teilbesteuerung der Dividenden verletze das Gleichheitsgebot der Verfassung, wies Merz mit dem Hinweis auf zwei Gutachten zurück. Verfassungswidrig sei im Gegenteil der heutige Zustand. Anders als bei den Dividenden gebe es bei den zu 100% besteuerten Löhnen keine Doppelbelastung.

Als wichtigen Schauplatz der Reform bezeichnete Merz den Abbau “substanzzehrender Steuern”, die unabhängig vom Gewinn auf das Vermögen zugreifen. Dazu gehöre neben neuen Erleichterungen bei der Emissionsabgabe vorab die Möglichkeit der Kantone, den Unternehmen die kantonale Gewinnsteuer an die Kapitalsteuer anzurechnen.

Ein ganzes Bündel von Massnahmen schliesslich beseitige “Ärgernisse” für die rund 300’000 KMU und 60’000 Bauernbetriebe, sagte Merz weiter. Insbesondere Personengesellschaften würden heute in wichtigen Phasen bei ihren unternehmerischen Entscheiden vom Fiskus behindert, beispielsweise bei der Regelung der Nachfolge.

Ausfälle verkraftbar

Mit rund 80 Mio. Franken seien die Steuerausfälle für den Bund verkraftbar, hielt der Finanzminister fest. Für die AHV seien Mindereinnahmen bis 130 Millionen möglich, wenn statt beitragspflichtiger Löhne Dividenden ausbezahlt würden. Sie würden aber durch das Wachstum schon mittelfristig “überkompensiert”.

Für die Kantone werden die Ausfälle auf 330 bis 350 Mio. Franken geschätzt. Dies sei “nicht gravierend”, sagte Christian Wanner. 17 Kantone würden die Teilbesteuerung der Dividenden bereits kennen und hätten damit gute Erfahrungen gemacht. Zudem könnten die Kantone den Teilsteuersatz frei wählen.

Nächste Reform in Sicht

Merz erwartet von der Unternehmensteuerreform einen Beitrag von 0,6% an das Bruttoinlandprodukt. Dies seien immerhin mehrere hundert Mio. Franken. Die bescheidene Vorlage lasse zudem Spielraum für eine nächste Reform. Im Zentrum werde dabei die Unternehmens-Gewinnsteuer stehen, wo die Schweiz international unter Druck geraten sei.

Einen ersten Schritt hat der Nationalrat mit der Annahme einer SVP-Motion getan, die eine Senkung des Satzes von 8,5 auf 5% verlangt und zu Ausfällen von über drei Mrd. Franken führen würde. In dieser Form unterstütze er den Vorstoss nicht, sagte Merz.

swissinfo und Agenturen

Ein Ja zur Unternehmenssteuer-Reform II empfehlen der Bundesrat (Regierung) und eine Mehrheit des Parlaments sowie folgende Parteien: Schweizerische Volkspartei (SVP), Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).

Dagegen sind die Sozialdemokratische Partei (SP), die Grünen und einige kleinere Parteien.

Da es sich bei der Vorlage um die Änderung eines Bundesgesetzes respektive ein fakultatives Referendum dagegen handelt, ist am 24. Februar 2008 einzig das Volksmehr ausschlaggebend. Ein Mehr der Stände ist nicht erforderlich.

SP-Parteipräsident Hans-Jürg Fehr hat letzte Woche dem Bundesrat Falschaussagen in den Abstimmungsunterlagen über die Unternehmenssteuer-Reform II unterstellt.

“1998 verhalf die Unternehmenssteuer-Reform I unserem Land zu mehr Unternehmen, mehr Arbeitsplätzen und höheren Steuereinnahmen”, heisst es darin.

Fehr hat sich bei Bundesrat Hans-Rudolf Merz brieflich über die “Propaganda” beklagt. Alle drei Aussagen würden in einem Bericht der Steuerverwaltung von 2006 dementiert.

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) wies die Kritik umgehend zurück. Die Aussagen im Abstimmungsbüchlein würden sich auf die Holding-Gesellschaften beschränken.

Die positive Wirkung auf Arbeitsplätze, Unternehmen und Steuereinnahmen komme im Bereich der Holding-Gesellschaften auch im Bericht der Steuerverwaltung klar zum Ausdruck, hiess es.

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