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Gegen Entlastung von Grossaktionären

Rot und Grün gegen Steuergeschenke: Hans-Jürg Fehr und Ruth Genner. Keystone

Die Unternehmenssteuer-Reform, die am 24. Februar an die Urnen kommt, nütze vor allem einer Minderheit reicher Grossaktionäre. Mit diesem Argument machen die Gegner der Reform mobil.

Während die Befürworter die Steuerreform als Segen für die kleineren und mittleren Unternehmen preisen, kritisiert das vorwiegend linke Gegnerkomitee, die Vorlage sei unsozial und verfassungswidrig.

Das Komitee “Nein zu ungerechten Steuern” bekämpft die Unternehmenssteuerreform II als ungerecht und verfassungswidrig: Es profitierten nicht in erster Linie die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), sondern wenige Grossaktionäre.

Zudem reisse die Reform ein Loch in die öffentlichen Finanzen. Ausserdem rechnet die Sozialdemokratische Partei (SP) mit der Unterstützung des Bundesgerichts.

Ablehnungsgrund: Teilbesteuerung Dividenden

Das Komitee mit Vertretern der Referendumsparteien SP, Grüne, Evangelische Volkspartei (EVP) und Christlichsoziale Partei (CSP) lehnt die Unternehmenssteuerreform II wegen der vorgesehenen Teilbesteuerung der Dividenden ab, wie SP-Präsident Hans-Jürg Fehr am Freitag vor den Medien in Bern erklärte.

Danach sollen Grossaktionäre mit einer Unternehmensbeteiligung von mindestens 10% Dividenden nur mehr zu 60% versteuern müssen. Andere Elemente des Reformpakets würden nicht bestritten, sagte Fehr. Die SP würde sich bei einer Ablehnung auch für eine rasche Umsetzung dieser Reformen einsetzen.

Das Komitee hält die Teilbesteuerung der Dividenden für ungerecht. Während Löhne und Renten weiterhin bis zum letzten Franken besteuert würden, wären bei Kapitaleinkommen künftig nur noch drei von fünf Franken steuerpflichtig, sagte der Freiburger Ständerat Alain Berset (SP).

Es seien weniger als 10’000 Grossaktionäre oder zwei Tausendstel der Steuerpflichtigen, die von der Teilbesteuerung profitierten. Die Masse der kleinen Unternehmer hingegen hätte kaum einen Nutzen.

Hohe Steuerausfälle befürchtet

Ruth Genner, Präsidentin der Grünen, sprach von nicht verkraftbaren Steuerausfällen, mit denen bei Annahme der Vorlage zu rechnen sei. Schätzungen gingen von 700 bis 900 Mio. Franken aus.

Berset kam zusammen mit den übrigen kantonalen Bestrebungen zur Unternehmenssteuersenkung sogar auf einen jährlichen Einkommenseinbruch von 2 Mrd. Franken.

Und der Berner Nationalrat Walter Donzé (EVP) ergänzte, mit der bereits angekündigten nächsten Reform drohten weitere Ausfälle von 3,7 Mrd. Franken.

CSP-Präsidentin Monika Bloch Süss fügte an, die AHV werde Beiträge von mindestes 150 Mio. Franken verlieren, weil die Unternehmer einen Anreiz erhielten, sich mehr Gewinn und weniger Lohn zu bezahlen, um so Lohnprozente für die AHV und die Arbeitslosenversicherung zu sparen.

Sie bezweifelte ausserdem, dass die Vorlage einen massgeblichen Wachstumsimpuls auslösen kann.

Diese Zweifel teilt auch SP-Präsident Fehr, der deswegen schon eine Korrektur des Abstimmungsbüchleins verlangt hatte. Der Bundesrat habe dort positive Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform I aufgeführt, obwohl die Eidgenössische Steuerverwaltung festgehalten habe, dass sich deren Auswirkungen nicht eindeutig bestimmen liessen.

Frage der Verfassungsmässigkeit

Fehr kündigte auch einen juristischen Kampf gegen die Teilbesteuerung der Dividenden an, die die SP für verfassungswidrig hält.

Die Privilegierung einer kleinen Minderheit sei ungerecht und verletze klar das Verfassungsgebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sagte auch die grüne Parteipräsidentin Ruth Genner. Wer Lohn oder Rente beziehe, müsse dieses Einkommen nämlich weiterhin voll besteuern.

Weil es in der Schweiz kein Verfassungsgericht gibt, will die SP die kürzlich beschlossene teilweise Steuerbefreiung von Dividenden in den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft vom Bundesgericht beurteilen lassen.

Würde dieses, wie bei den degressiven Tarifen im Kanton Obwalden, eine Verletzung der Bundesverfassung feststellen, müssten alle 16 Kantone, die das System bereits eingeführt haben, die Teilbesteuerung aufheben.

Sollte dies eintreten, könnte nach Fehrs Meinung auch der Bund kaum daran festhalten. Die Unternehmenssteuerreform II kommt nach einem Referendum der SP am 24. Februar zur Abstimmung.

swissinfo und Agenturen

Im Zentrum der Unternehmenssteuer-Reform steht gemäss der Schweizer Regierung die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, namentlich von mittleren und kleinen Unternehmen (KMU) und ihrer Eigentümer.

So sollen bei Beteiligungen von mindestens 10% des Aktienkapitals die Dividenden nur noch teilbesteuert werden. Die Gegner der Vorlage stossen sich vor allem an dieser Steuererleichterung.

Das Paket enthält eine Reihe weiterer Massnahmen zur Entlastung von KMU. Sie zielen unter anderem darauf ab, Nachfolgeregelungen steuerlich einfacher und billiger zu machen.

Der Bundesrat, der die Reform unterstützt, beziffert die Ausfälle für den Fiskus mit rund 400 Mio. Franken pro Jahr. Die grössten Einbussen entfallen auf die Kantone. Dem Bund entgingen nur 56 Mio. Franken.

Die Wirtschaft hat ein hochkarätiges Pro-Komitee ins Leben gerufen, um der Steuerreform im Abstimmungskampf zum Erfolg zu verhelfen.

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