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Ständerat stärkt Familien den Rücken

Die Schweizer Familien müssen noch bis 2011 auf die steuerlichen Entlastungen warten. Keystone

In einer zweitägigen Sondersession hat der Ständerat Steuererleichterungen für Familien und den jährlichen Ausgleich der kalten Progression gutgeheissen. Abgelehnt hat die kleine Kammer dagegen einen Vorschlag zur Begrenzung der UBS-Managerlöhne.

“Seit Langem wird Paaren mit Kindern oder solchen, die eine Familie gründen wollen, eine steuerliche Entlastung in Aussicht gestellt. Leicht übertrieben könnte man sagen: Jene, die auf eine Entlastung gewartet haben, sind jetzt zu alt, um noch Kinder zu kriegen”, sagte Werner Luginbühl, der Berner Ständerat der Bürgerlich Demokratischen Partei (BDP), am Montag.

Der Ständerat lancierte an seiner zweitägigen Sondersession erneut einen Versuch, um die Familien mit Kindern steuerlich zu entlasten. Der Ständerat hielt das Bundesgesetz zur steuerlichen Entlastung von Familien mit Kindern mit 36 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut. Er schlägt vor, die Gesetzesänderung 2011 in Kraft zu setzen.

Für mittelständische Familien

Vorgesehen ist ein neuer Elterntarif, mit dem die Eltern pro Kind um 170 Franken entlastet werden sollen. Dieser soll den bestehenden Kinderabzug ergänzen.

Erwerbstätige Eltern, die ihre Kinder durch Dritte betreuen lassen, sollen maximal 12’000 Franken der Betreuungskosten vom steuerbaren Einkommen abziehen können. Dies gilt für Kinder bis zum 14. Altersjahr.

Von der Vorlage sollen vor allem Familien des Mittelstandes profitieren. Für die direkte Bundessteuer bedeutet dies Mindereinnahmen von rund 600 Mio. Franken (500 Mio. Franken beim Bund und 100 Mio. Franken bei den Kantonen).

Erste Etappe

Für die Mehrheit des Ständerats stellen diese beiden Vorschläge lediglich die erste Etappe eines umfassenden Umbaus des Steuersystems dar. Einer Steuerreform, die seit Jahren eine Baustelle ist und wo nach wie vor Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren benachteiligt sind.

Am Dienstag befürwortete der Ständerat mit Unterstützung der Schweizerischen Volkspartei (SVP) einen Vorstoss der Christlichdemokratischen Partei (CVP) für eine Ehepaarbesteuerung mittels Teilsplitting mit 21 zu 17 Stimmen. Einen Tag zuvor hatte sich der gleiche Rat dank der Linken und der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) jedoch auch für die Individualbesteuerung ausgesprochen.

SVP spricht von Diskriminierung

“Lieber ein pragmatischer Schritt jetzt als ein mutiger nie”, sagte Werner Luginbühl.

Anders tönt es bei der SVP. SVP-Ständerat Maximilian Reimann und seine Parteikollegen sprechen in Zusammenhang mit dem Fremdbetreuungsabzug für erwerbstätige Eltern von einer Diskriminierung der Eltern, die ihre Kinder selber betreuen.

“Wir sollten uns davor hüten, einseitig jene Tendenz fiskalisch und unter Benachteiligung des traditionellen Familienbildes zu stärken, die die elterlichen Pflichten je länger, je mehr an Dritte und insbesondere an den Staat delegieren will”, so Reimann.

Die Vorlage sei deshalb “nicht mehrheitsfähig” und müsse vom Bundesrat korrigiert werden. Die SVP erwäge eine Volksinitiative gegen die Benachteiligung der selbsterziehenden Eltern.

Verständnis für Kantone

FDP-Ständerat Dick Marty verteidigte indes die Position der Kantone. Die kantonalen Finanzdirektoren hatten namentlich die Steuerausfälle und das Tempo der Vorlage kritisiert und drohten gar mit dem Referendum.

In Sachen Steuern garantiere die Verfassung den Kantonen ein Mitspracherecht, so Marty. Weil man den Kantonen mit einem überrissenen Tempo den Dialog verweigert habe, könne die Vorlage nicht akzeptiert werden.

Schliesslich kam der Ständerat den Kantonen doch noch entgegen: Er beschloss, dass die Vorlage statt 2010 erst 2011 in Kraft tritt.

Kaufkraft stärken

Das Parlament will nicht nur die Steuergerechtigkeit verbessern, sondern zudem in der Krise die Kaufkraft stärken.

Am Dienstag ist der Ständerat dem Nationalrat gefolgt und hat beschlossen, die kalte Progression bei der direkten Bundessteuer jährlich auzugleichen.

Weil die Einkünfte mit der Teuerung steigen, rutschen die Steuerzahler in eine höhere Tarifstufe, ohne dass ihre Kaufkraft zugenommen hat.

Bisher wird dies erst dann mit einer Korrektur an Tarifen und Abzügen ausgeglichen, wenn die aufgelaufene Teuerung 7 Prozent erreicht.

Der jährliche Ausgleich der kalten Progression soll ab 2011 eingeführt werden. Dadurch dürften dem Bund Steuereinnahmen von rund 400 Mio. Franken pro Jahr verloren gehen.

Kein Lohndeckel für UBS-Manager

Die kleine Kammer hat schliesslich eine sozialdemokratische Motion abgelehnt, die eine Einfrierung von Boni und Lohnbegrenzungen für Manager von Betrieben fordert, die in Krisenzeiten vom Staat unterstützt werden.

Die Motion hat vor allem die UBS im Visier, die scheinbar nicht bereit ist, auf die Bezahlung von Milliarden-Boni zu verzichten, obwohl die Bank im vergangenen Jahr vom Staat in einer Rettungsaktion 6 Mrd. Franken erhielt.

Eine bürgerliche Mehrheit vertrat die Meinung, der Staat müsse zwar die Aktivitäten der Schweizer Grossbanken überwachen, aber ohne sich in deren Angelegenheiten einzumischen.

Damit hat die kleine Kammer auch den Vorschlag zur Aufsplittung der ausländischen und schweizerischen Aktivitäten von UBS und Credit Suisse verworfen. Auf diese Weise hätten die Risiken für den Finanzplatz Schweiz limitieren sollen.

Der Entscheid des Rates wurde von der Linken scharf kritisiert. “So muss man sich nicht verwundern, wenn die Bevölkerung fast kein Vertrauen mehr in die Handlungsfreiheit der Behörden hat, vor allem in Beziehung zu den Grossbanken”, sagte die sozialdemokratische Basler Ständerätin Anita Fetz.

swissinfo.ch, Armando Mombelli
(Übertragung und Adaption aus dem Italienischen: Corinne Buchser)

Wie fast in allen europäischen Ländern hat in den letzten Jahrzehnten der prozentuale Anteil von alten Menschen auch in der Schweiz stark zugenommen. Gleichzeitig nahm die Zahl der Geburten massiv ab: In weniger als einem halben Jahrhundert ging sie von 2,7 Kinder pro Frau auf 1,5 zurück.

Diese demografische Entwicklung wird immer mehr zu einem beunruhigenden Faktor im sozialen und wirtschaftlichen Bereich, insbesondere was die künftige Finanzierung der Altersvorsorge betrifft.

Bisher scheiterten regelmässig alle Projekte zur Einführung einer Steuerpolitik zugunsten der Familien. Der letzte Versuch wurde 2004 vom Volk verworfen: Das vom Parlament vorgeschlagene Steuerpaket enthielt auch Steuererleichterungen für Immobilienbesitzer, was von den Kantonen und von der Linken abgelehnt wurde.

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