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Unwetter: Kampf um Normalisierung

Umweltminister Moritz Leuenberger zeigt sich bestürzt über die Verwüstungen in Nidwalden. Keystone

In allen Hochwassergebieten der Schweiz hat sich die Lage am Freitag entspannt. Für eine Entwarnung war es allerdings noch zu früh.

Bundesrat Moritz Leuenberger zeigte sich nach einem Besuch im Katastrophengebiet bestürzt von den Verwüstungen und beeindruckt von den präventiven Massnahmen.

Die Zahl der Todesopfer der Unwetterkatastrophe in der Schweiz erhöhte sich auf sechs. Die seit Dienstagvormittag in Küblis vermisste 72-jährige Frau wurde am deutschen Ufer des Bodensees tot aufgefunden. Sie war auf einem Spaziergang an einem Flussufer von einem umstürzenden Baum erfasst worden.

Das Aufräumen in den Katastrophengebieten wird zur Herkulesaufgabe. Aber vielerorts wurde ein Stück Normalität zurückerkämpft.

Die Bewohner des Berner Mattequartiers durften teilweise wieder in ihre Wohnungen zurückkehren, nachdem die Liegenschaften von Ingenieuren überprüft worden waren. Ein erneutes starkes Ansteigen der Aare werde nicht befürchtet. Vorläufig dürfen in den Wohnungen allerdings die Toiletten nicht benutzt werden, und die Strom- und Gaszufuhr blieb abgestellt.

Tausende bleiben abgeschnitten

Tausende von Menschen in den Katastrophengebieten blieben aber von der Umwelt abgeschnitten. Im Kanton Obwalden sind Engelberg und das gesamte Melchtal weiterhin nur per Helikopter erreichbar.

In Brienz im Berner Oberland müssen rund 60 bis 80 Menschen noch mindestens bis am Sonntag in der Zivilschutzanlage übernachten. Aus Angst vor Plünderungen wird das Schadensgebiet rund um die Uhr vom Militär bewacht.

Aufräumarbeiten auf Hochtouren

Die Aufräumarbeiten liefen überall auf Hochtouren. Als Novum in der Schweiz wurde bei Thun Schwemmholz mit einem Helikopter aus der Aare gefischt.

In der Innerschweiz kam es am Freitagabend in Stansstad zu einer grösseren Gewässerverschmutzung: Erhebliche Mengen Heizöl gelangten in den Vierwaldstättersee und die überschwemmten Gebiete.

Es bleiben weiterhin rund 3500 Festnetztelefon- und 5000 ADSL-Anschlüsse unterbrochen.

Verkehr rollt langsam wieder an

Am Freitagmorgen verkehrten erstmals wieder Züge durch den Gotthard. Die für die Nord-Süd-Verbindung wichtige Autobahn A2 soll am Samstag wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Die Axenstrasse am Vierwaldstättersee wurde bereits am Freitagabend geöffnet. Sowohl im Schienen- wie im Strassenverkehr muss laut den Behörden aber mit Wartezeiten gerechnet werden.

Leuenberger beeindruckt

Bundesrat Moritz Leuenberger reiste am Freitag in den unwettergeschädigten Kanton Nidwalden. Er zeigte sich bestürzt über die verheerende Naturgewalt.

Gleichzeitig liess er sich über den grossen Nutzen von präventiven Massnahmen gegen das Hochwasser informieren. Zudem zeigte er sich tief beeindruckt von der Solidarität in der Bevölkerung und bedankte sich bei den Einsatzkräften für ihren Einsatz

Nach seinem Augenschein strich Leuenberger laut seinem Sprecher die Wirksamkeit von Hochwasserverbauungen und Renaturierungen hervor. Die beste Sparpolitik sei Prävention, sagte er. Denn in Nidwalden hätten Hochwasserschutzmassnahmen für 26 Millionen Franken Schäden in der Höhe von über 100 Millionen Franken verhindert.

Lästiger Katastrophentourismus

Der Katastrophentourismus stellte die Einsatzkräfte erneut vor Probleme. Der Bundesrat bat Helikopterunternehmen, aus Rücksicht auf die Bevölkerung kommerzielle Flüge über den Schadensgebieten einzustellen.

Über Brienz erliess das Bundesamt für Zivilluftfahrt ein Flugverbot. Luzern befürchtet wegen des angekündigten schönen Wetters am Wochenende einen Ansturm von Gaffern.

Immense Schäden

Die kantonalen Gebäudeversicherungen schätzten den Hochwasser-Schaden auf über eine Milliarde Franken. Dies seien reine Sachschäden, ohne die Folgeschäden, hiess es. Die Privatversicherer ihrerseits gehen von Schäden in dreistelliger Millionenhöhe aus.

Dazu kommen mindestens zehn Mio. Franken Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen. Welche Einbussen die Tourismusregionen erlitten haben, liess sich am Freitag nicht genau beziffern.

swissinfo und Agenturen

Die Solidarität der Schweizer Bevölkerung mit den Opfern des Unwettern steigt. So sammelte die Schweizerische Glückskette bis am Freitagnachmittag rund 1,3 Mio. Franken für die Unwetteropfer.

Die Glückskette führt am 31. August einen nationalen Sammeltag für die Hochwasser-Opfer durch. Von sechs Uhr morgens bis Mitternacht können telefonisch Spenden angemeldet werden.

Das Sammelkonto der Glückskette trägt die Nummer 10-15000-6, Vermerk: “Unwetter Schweiz”.

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