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Bundespräsidentin startet Chinabesuch in Chongqing

Seilbahn über Yangzi Fluss in Chongqing, China. swissinfo.ch

Im Hinblick auf ein mögliches Freihandels-Abkommen mit China hat Bundespräsidentin Doris Leuthard eine hochrangige Wirtschaftsdelegation ins Reich der Mitte geführt. Der erste Halt war in der Millionenstadt Chongqing –in Chinas lange vernachlässigtem Westen.

Hunderte Polizisten hielten die etwa 20 Kilometer lange Strecke vom Flughafen in die Stadt frei für den offiziellen Besuch der Schweizer Bundespräsidentin.

Jede Wegkreuzung, jede Parkplatzausfahrt, jede Tankstelle wurde gesichert für die Eskorte des hohen Besuchs aus der Schweiz. Ein erster Hinweis darauf, über welche Arbeitsressourcen die Region verfügt.

Chongqing, auf Deutsch auch Tschungking genannt, liegt etwa zweieinhalb Flugstunden westlich von Schanghai und gilt als das Tor zum Westen Chinas.

“Chongqing ist eines von fünf grossen Wirtschaftszentren Chinas”, sagte Leuthard am Dienstagabend gegenüber swissinfo.ch. “Ein kommendes Zentrum, das nicht nur entlang der Küste für Investitionen sorgen soll, sondern mitten im Zentrum des Landes.”

Der Westen des Riesenlandes wurde jahrzehntelang vernachlässigt, was sich heute in Zahlen niederschlägt: Die Westprovinzen machen 69% des Landes mit 28% der Bevölkerung aus, sind aber nur für 19% des Bruttoinlandprodukts und je 4% der Exporte und Importe verantwortlich.

Derweil wuchsen Küstenregionen wie Shenzhen, Tianjin, Schanghai und Beijing Jahr für Jahr unaufhaltsam und stehen derzeit an der Spitze der entwickelten Regionen Chinas.

Den Westen forcieren

Daher hatte die chinesische Regierung 1999 die so genannte “Go-West-Strategie” eingesetzt, um diese Regionen gezielt zu fördern. Besonders Infrastrukturen und mangelhafte Transportwege sollen ausgebaut werden.

Am Dienstag hat nun Bundespräsidentin Leuthard zusammen mit 30 Wirtschaftsleuten diese Riesenstadt besucht, in der lediglich 5 Schweizer leben. Für Schweizer Firmen könnte es interessant sein, hier zu investieren, meinte Leuthard, “weil natürlich das Kosten- und Lohnniveau noch sehr viel tiefer ist. Insofern ist es durchaus möglich, dass sich hier ein grosses Potenzial abzeichnet”.

Auf tiefe Löhne zu bauen sei legitim, meinte die Volkswirtschaftsministerin: “Es gibt natürlich hohe Lohnunterschiede hier in China, aber auch in der Schweiz gibt es zwischen dem Wallis und dem Kanton Zürich einen ziemlich grossen Lohnunterschied. Das sind Realitäten.”

Riesigen Markt vor Augen

Einen riesigen zukünftigen Markt sieht Nationalrat Johann Schneider-Ammann, der gegenwärtig als Bundesratskandidat gehandelt wird, sich aber noch nicht festlegen will.

“Da ist ein Abnahmepotenzial, das um Faktoren grösser ist, als wir es in Europa zum Beispiel finden”, sagte der Präsident des Verbands der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem. “So gesehen ist es eine Zukunftsregion, sie ist attraktiv. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere sich das ernsthaft überlegt.”

Gegenseitiges Interesse

Mit einem am Dienstag unterzeichneten “Memorandum of Understanding” der Kommission für Aussenhandel der Region Chongqing und des Schweizer Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse erhält die Go West Strategie nun auch Rückendeckung von der Schweiz. Bilateral sollen losgelöst von einem eventuellen Freihandels-Abkommen Handel und Investitionen gefördert werden.

Auch Gerold Bührer, Präsident von Economiesuisse und einer der Unterzeichnenden, glaubt an die Region Chongqing: “Ich bin sicher, dass diese Region überdurchschnittlich wachsen wird”, sagte er gegenüber swissinfo.ch.

Wichtiger Supporter der Schweiz

Ein Treffen und Nachtessen mit dem ehemaligen Handelsminister und heutigen Parteisekretär für die Region Chongqing, Bo Xilai, am späteren Nachmittag war der Höhepunkt des Tages. Es fand in ausgesprochen freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Bo und Leuthard kennen sich bereits von 2007, als die Beiden in China gemeinsam das Freihandels-Abkommen zwischen den beiden Ländern angeschoben hatten. “Er ist somit auch so etwas wie ein Supporter der Schweiz für diese engeren Wirtschaftsbeziehungen”, so Leuthard.

“Man hat ihn dann hierhin versetzt mit dem Auftrag, diese Region zu entwickeln. Für uns ist er ein wichtiger Mann, auch in der Parteihierarchie. Und deshalb wollen wir weiterhin diese Beziehung pflegen.”

Das Freihandels-Abkommen ist derzeit im Stadium einer Machbarkeitsstudie. Leuthard hofft, deren erfolgreichen Abschluss am Freitag mit Präsident Hu Jintao zusammen in Beijing präsentieren zu können.

Christian Raaflaub, Chongqing, swissinfo.ch

China (inkl. Hong Kong) ist seit 2002 der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien.

China ist hinter der EU und den USA der drittwichtigste Zulieferer.

Für Schweizer Produkte ist das Reich der Mitte hinter der EU, den USA und Japan der viertwichtigste Absatzmarkt.

In China sind rund 300 Schweizer Firmen mit etwa 700 Niederlassungen tätig.

Zudem wird das riesige Land (2009: 1,334 Mrd. Menschen) für den schweizerischen Tourismus immer wichtiger.

Bundespräsidentin Doris Leuthard weilt vom 10. Bis 15. August mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation in China.

Zur Delegation gehören unter anderen die beiden wirtschaftspolitischen Schwergewichte Johann Schneider-Ammann (der Präsident des Verbands der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem und Nationalrat gilt als möglicher Bundesrats-Nachfolger von Hans-Rudolf Merz), Gerold Bührer (Präsident des Wirtschafts-Dachverbandes Economiesuisse und Ex-Nationalrat) und Rolf Dörig (Verwaltungsratspräsident der Versicherungs-Gesellschaft Swiss Life).

Nach dem Besuch der Stadt Chongqing wird sie am 12. August den Schweizer Tag an der Weltausstellung in Schanghai eröffnen.

Tags darauf ist in Peking ein Treffen mit Präsident Hu Jintao geplant.

Am Samstag wird sie in Peking das Sino-Swiss Economic Forum eröffnen, bevor sie am Sonntag wieder in die Schweiz zurückfliegt

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