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Calmy-Rey will Schweizer Position verteidigen

In Brüssel wird Aussenministerin Micheline Calmy-Rey die geeinte Haltung des Bundesrats vertreten. Keystone

Die Schweizer Aussenministerin ist am Montag in Brüssel, wo sie die Schweizer Positionen bei den bilateralen Verhandlungen mit der EU bekräftigen wird.

Für die Schweizer Regierung kommt bei den Bilateralen II nur ein paralleler Abschluss in allen Verhandlungs-Dossiers in Frage.

Die Schweizer Regierung wird bei den bilateralen Gesprächen mit der Europäischen Union (EU) keine Zugeständnisse machen: So lautet die Botschaft, die Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ihren Gesprächspartnern in Brüssel überbringen wird.

In einer Klausursitzung vergangene Woche hat die Gesamtregierung ihren Kurs festgelegt für die Zusammenarbeit mit der EU. Dabei wurde ebenfalls entschieden, das EU-Beitrittsgesuch in Brüssel deponiert zu lassen.

Für die nächsten 4 Jahre sei ein Beitritt jedoch kein Regierungsziel: Die Bedingungen für Beitritts-Verhandlungen würden in der neuen Legislatur kaum erfüllt, sagte Bundespräsident Joseph Deiss.

Nun soll primär in die bilateralen Verhanldungen wieder Bewegung gebracht werden. Calmy-Rey führt in Brüssel zunächst Gespräche mit EU-Kommissar Chris Patten, zuständig für die Aussenbeziehungen der Europäischen Union. Danach trifft sie den EU-Aussen- und Sicherheitsbeauftragten Javier Solana und zum Abschluss ihres Besuchs EU-Kommissionspräsident Romano Prodi.

Die Aussenministerin wird schwergewichtig über die Bilateralen II und die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Länder diskutieren, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten mitteilte. Mit Solana wird Calmy-Rey auch Fragen zur internationalen Politik erörtern.

Sofort oder später?

An einer Sondersitzung hatte der Bundesrat vergangene Woche seine bisherige Position erneut bekräftigt. Die Landesregierung halte auch in der neuen Zusammensetzung am Grundsatz fest, die zweiten bilateralen Verhandlungen mit der EU als Prorität zu verfolgen. Die Dossiers würden zudem nur als Gesamtpaket genehmigt, liess sie verlauten. Der Bundesrat strebe ein ausgewogenes Gesamtresultat an, das auch die berechtigten Schweizer Interessen berücksichtige.

Die Schweizer Regierung wies damit die Idee eines vorgezogenen Abschlusses bei einzelnen Dossiers zurück, wie sie der EU-Ministerrat verlangt. Es handelt sich dabei in erster Linie um das Dossier zur Zinsbesteuerung, das Bern noch nicht unterschrieben hat.

“Ein rascher Abschluss bei der Zinsbesteuerung würde im Interesse der Schweiz liegen”, bekräftigt die EU-Kommission in einem am 12. Januar den EU-Mitgliedern präsentierten Bericht. Denn dieses Abkommen werde das Bankgeheimnis aufrechterhalten und den Schweizer Unternehmen beträchtliche finanzielle Vorteile bieten, ist die Kommission überzeugt.

Der Schweiz eilt es damit aber nicht, weil sie beabsichtigt, dieses Abkommen gegen Konzessionen zum Schengen-Beitritt (verstärkte Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Polizei) auszutauschen.

Die Regierung hat nach ihrer Sitzung ferner klar gemacht, dass sich in der Beitrittsfrage bis 2007 nichts ändern würde. Das bedeutet, dass in der laufenden Legislaturperiode das in Brüssel deponierte Beitrittsgesuch weder aktiviert noch zurückgezogen wird.

Am toten Punkt angelangt

Die Verhandlungen über den Beitritt der Schweiz zum Abkommen von Schengen sind an einem toten Punkt angelangt. Probleme gibt es jedoch auch beim Dossier Zinsbesteuerung. Die Schweiz verlangt nämlich Garantien, dass die EU keine neuen Forderungen zur Aufweichung des Bankgeheimnisses präsentiert. Brüssel lehnt das ab.

“Die EU bietet genau das an, was die Schweiz verlangt, nämlich ein Abkommen, das sich am Abkommen mit Norwegen und Schweden orientiert”, heisst es von der Kommission. “Aber jetzt will die Schweiz eine Ausnahme. Das schafft einen gefährlichen Präzedenzfall.”

Die Schweiz, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Verträge anstrebt, irritiert Brüssel. Die meisten EU-Mitgliedstaaten teilen die Sichtweise der Europäischen Kommission. Einzig Deutschland lässt ein wenig Flexibilität zu den Schweizer Anliegen erkennen.

Freier Austausch

Ein anderes Dossier wird am Montag sicher auch diskutiert: Die Erweiterung des bilateralen Personenfreizügigkeits-Abkommens auf die zehn neuen EU-Mitgliedstaaten. Die Diskussionen entzünden sich an den Übergangsfristen. Die nächsten Verhandlungen sollen am 4. Februar in Bern stattfinden.

Gewiss wird am Montag auch die Frage der finanziellen Beteiligung der Schweiz am Kohäsionsfonds im Rahmen der EU-Erweiterung thematisiert. Bern hat noch nicht auf einen Antrag der Fünfzehn geantwortet. Die EU nimmt an, dass der Schweizer Beitrag ungefähr so hoch sein müsste wie derjenige Norwegens (ungefähr 335 Mio. Franken pro Jahr).

swissinfo, Barbara Speziali, Brüssel
(Übertragung aus dem Französischen: Alina Kunz Popper und Etienne Strebel)

Im Juni 2001 haben die Schweiz und die EU entschieden, bilaterale Gespräche über 10 weitere Themen aufzunehmen (Bilaterale II).

Der Bundesrat strebt einen gleichzeitigen Abschluss der Verhandlungsbereiche an, die EU wünscht eine Aufsplittung der Verhandlungs-Ergebnisse.

Zur Diskussion steht insbesondere das Dossier Zinsbesteuerung. Denn die Schweiz rechnet, dieses Abkommen gegen Konzessionen zum Schengen-Abkommen auszutauschen.

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