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Daniela Domeisen will das Klima verstehen lernen

"Wenn ich helfen will, muss ich zuerst besser verstehen, was abläuft.": Daniela Domeisen. swissinfo.ch

Seit eineinhalb Jahren studiert die Ostschweizerin Daniela Domeisen am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Forschungsschwerpunkt der jungen Doktorandin ist das Klima.

Sie ist eine der zahlreichen jungen Schweizerinnen und Schweizer, die im Raum Boston mit seinen vielen akademischen Institutionen ihre Ausbildung fortsetzen. Die Attraktivität des Forschungsplatzes zieht Menschen aus aller Welt in die Region.

Bevor sie ans MIT kam, hatte Domeisen an der ETH Zürich Physik studiert und an der Columbia University in New York ein Post-Grad-Programm mit Schwerpunkt Klimawandel und Entwicklungsländer absolviert.

“Ich interessiere mich für die Zusammenhänge zwischen Umwelt und Gesellschaft. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel, was sind die möglichen Folgen für die Menschen, die Wirtschaft, die Politik. Nicht zuletzt mit Blick auf die Entwicklungsländer”, erklärt die junge Frau im Gespräch mit swissinfo.

Während ihrer Studien in New York sei ihr bewusst geworden, dass sie sich vorstellen könnte, für Länder im Süden zu arbeiten, die vom Klimawandel betroffen seien. Sie habe aber auch gespürt, dass sie noch nicht bereit sei, eine solche Verantwortung zu übernehmen.

“Ich hätte schlaflose Nächte, würde mich immer fragen, ob das, was ich tue, wirklich das Richtige ist für die Menschen vor Ort.”

Flair für Forschung

Also fasste sie den Entschluss, sich vorerst nochmals ein paar Jahre der Wissenschaft zu widmen. “Wenn ich helfen will, muss ich zuerst besser verstehen, was abläuft.”

Am MIT habe sie ein Umfeld gefunden, das ihr im jetzigen Zeitpunkt das geben könne, was sie suche. “Beim MIT liegt die Forschung im Zentrum. Man kann sich ganz einem wissenschaftlich interessanten Problem widmen, dieses erforschen.”

Die Forschung am MIT führe zwar immer wieder auch zu neuen Erkenntnissen, zu konkreten Lösungen, die der Menschheit etwas brächten. “Sie muss es aber nicht. Wenn eine Fragestellung, ein Problem als interessant erachtet wird, kann man dies hier verfolgen.” Und dieser Ansatz gefällt der jungen Forscherin.

Überhaupt schätze sie den Lehrbetrieb in den USA, der sich recht unterscheide von dem in der Schweiz. Ihr gefällt auch, dass sie als Naturwissenschafterin hier viel mehr Frauen trifft, die eine ähnliche Studienrichtungen verfolgen. Am Institut gebe es etwa gleich viele Frauen wie Männer.

Auch sonst ortet Domeisen in den Hochschulwelten der beiden Länder Unterschiede. In den USA sei der Betrieb offener und zugänglicher, was etwa die Beziehung zwischen Studierenden, Doktoranden und Professoren angehe. “In Zürich waren das viel mehr getrennte Welten.”

Wertvolle Erfahrung

Auch würden hier grundsätzlich mehr Fragen gestellt, werde viel mehr in Gruppen gearbeitet. Dies sei nicht als Kritik am Schweizer Bildungssystem zu verstehen, sagt sie lachend und fügt hinzu, dass sie an der ETH eine sehr gute Ausbildung genossen habe. Die Stimmung sei einfach anders gewesen als nun am MIT.

In die USA gekommen war sie in erster Linie, weil sie das Potential einer breiten Palette interessanter Kontakte in der akademischen Forschung gereizt hatte. Und diese Erwartungen hätten sich erfüllt.

“Hier am MIT habe ich die Chance, interessante und bedeutende Leute kennen zu lernen. Es ist einfach super”, schwärmt sie und man sieht ihr die Begeisterung an. “Eine tolle, wertvolle Erfahrung.”

Junge Schweizer vernetzen

Erstmals getroffen hatte swissinfo Daniela Domeisen bei einer Veranstaltung im Schweizer Konsulat “swissnex” Boston. Sie war eine der jungen Schweizer Forschenden, die dort ihre Studien präsentierten.

Auf das Schweizer Wissenschaftshaus aufmerksam geworden war Domeisen, als Bertrand Piccard zu einer Vortragsreihe in Boston weilte. Dabei kam sie ins Gespräch mit anderen Jungen aus der Schweiz, heute ist sie Co-Präsidentin von SwissLinkBoston.

SwissLinkBoston ist eine Netzwerk-Plattform, die sich in erster Linie an Schweizer Studierende, Forschende und junge Berufsleute in der Region Boston wendet.

Gesucht habe sie diese Schweizer Kontakte eigentlich nicht. Doch heute schätzt sie diese und setzt gerne Zeit ein für die Aktivitäten von SwissLinkBoston. Sie lerne zudem, so Domeisen, mit praktischen Dingen umzugehen, wie beispielsweise dem Organisieren von Veranstaltungen.

Für Tapetenwechsel nach New York

Als Ausgleich zur Forschung singt sie unter anderem in einem Chor, lernt Schwedisch und besucht Kunstkurse. “Für einen Tapetenwechsel – weg vom Campus und der Forschung – fahre ich hin und wieder nach New York.”

Wie lange sie in den USA bleiben wird, ist offen. Nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeit erhält sie noch für ein Jahr eine Arbeitsbewilligung. “Das werde ich wahrscheinlich nutzen.”

Eine eigentliche Traumstelle hat die junge Frau bisher nicht vor Augen. Sie möchte aber etwas finden, wo sie ihre Kenntnisse aus der Klimaforschung für Risikoabschätzungen im Zusammenhang mit Naturkatastrophen einsetzen könnte. “Zum Beispiel bei Swiss Re oder für eine Regierungsstelle. Das wird sich zeigen.”, sagt sie, schwingt sich aufs Velo und fährt los ans Institut.

Rita Emch, Cambridge, swissinfo.ch

Geboren ist Daniela Domeisen 1982 in der Schweiz, wo sie die Schulen und danach einen Grundkurs an einer Schule für Gestaltung besuchte.

Danach Studium der Physik an der ETH Zürich, Abschluss 2006.

Während des Studiums Ausland-Jahr in Uppsala, Schweden, wo sie sich auf Meteorologie und Klimatologie konzentrierte und daneben Schwedisch lernte.

Nachdiplomstudium an der Columbia-Universität in New York, Forschungsschwerpunkt Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Bevölkerung in Entwicklungsländern.

Heute Doktorandin am Massachusetts Institute of Technology (Abteilung Erde, Atmosphärische und Planetarische Wissenschaften).

Im Zentrum ihrer Forschung stehen Klima-Variabilität und grossräumige Dynamik der Winde in der oberen Atmosphäre.

SwissLinkBoston ist eine Netzwerk-Plattform. Sie richtet sich in erster Linie an Schweizer Studierende, Forschende und junge Berufsleute in der Region. Willkommen sind auch Leute aus anderen Ländern, die sich für die Schweiz interessieren.

SwissLinkBoston hat heute etwa 180 Mitglieder. Ziel der jungen Leute ist es, sich bei allen möglichen Fragen gegenseitig zu unterstützen.

SwissLinkBoston steht auch in engem Kontakt mit dem Schweizer Wissenschafts-Konsulat “swissnex” Boston, von dem die Jungen persönliche, manchmal auch finanzielle Unterstützung erhalten.

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