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Das Ansehen der Lehrerinnen und Lehrer

In manchen Schulen brauchen die Lehrkräfte starke Nerven. Keystone

Früher waren sie Autoritätspersonen, geachtet von Schülern und Eltern. Heute ist das Prestige der Lehrer geschrumpft.

Viele Lehrkräfte in der Schweiz halten den täglichen Stress in der Schule nicht mehr aus. Sie wechseln den Beruf.

“Das Ansehen des Lehrerberufs hat sich verschlechtert. Wir sind in derselben Kategorie wie die Schiedsrichter oder Polizisten.” Das sagt Heinz Bratschi, Lehrer in Thun mit 36-jähriger, trotz allem positiver Berufserfahrung.

“Ich bin nicht Lehrer aus Berufung”, sagt er gegenüber swissinfo. Dennoch übt Bratschi seinen Beruf schon so lange und ohne Unterbruch aus. Zuerst auf der Primarstufe in Adelboden und Frutigen, dann – seit 31 Jahren – auf der Sekundarstufe in Thun.

Viele seiner Arbeitskollegen haben den Beruf verlassen. Er hat sich aber immer gefragt: “Was willst du Interessanteres machen?”

Heinz Bratschi fühlt sich privilegiert. Er unterrichtet eine Sekundarklasse, in der die meisten Schülerinnen und Schüler motiviert seien. Und die Eltern würden ihre Kinder unterstützen.

“Ich habe die Probleme anderer Kollegen nicht, zum Beispiel ausländische Schüler mit Integrations-Problemen.” Er kenne aber die Schwierigkeiten anderer Lehrer.

In Bratschis Schule haben allein in einem Jahr sechs Lehrer das Handtuch geworfen. “Ich kann sie begreifen”, sagt er. Die Situation, insbesondere an der Realschule (eine Stufe unter der Sekundarschule), sei manchmal “schrecklich”.

Demotivierte und aggressive Schüler, Eltern, die sich nicht für die Schule interessieren, Stagnation oder gar Rückgang des Reallohns: Das seien alles Faktoren, die Lehrerinnen und Lehrer dazu brächten, den Beruf zu wechseln.

“Einige halten den Stress nicht mehr aus, nicht nur psychisch, sondern auch physisch”, sagt Bratschi. Zudem sei das Prestige des Lehrerberufs nicht mehr so wie früher. Man habe nicht mehr dieselbe Autorität.

“Besonders in den letzten zehn Jahren hat sich die Mentalität der Schüler geändert. Sie sind egoistischer, sie wollen ihre eigene Persönlichkeit ausdrücken. Sie haben weniger Achtung vor den anderen, sie sind weniger bescheiden und respektieren die Autorität nicht mehr im gleichen Masse.”

Für Heinz Bratschi gibt es heute aber auch positive Punkte: “Schülerinnen und Schüler sind kritischer, freier, offener geworden. Und sie fordern die Lehrkräfte mehr als früher.”

Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

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