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Das Ende der Buchpreisbindung

Der Buchhandel befürchtet nach dem Aus der Buchpreisbindung ein Händlersterben. Keystone

Die Buchpreisbindung in der Deutschschweiz fällt. Der Bundesrat hat ein Gesuch des Buchhändler- und Verlegerverbands (SBVV) abgelehnt, die Buchpreise vom Kartellverbot auszunehmen.

Buchhändler, Verleger und Schriftsteller zeigen sich “schwer enttäuscht”. Der SBVV sieht darin ein “falsches kulturpolitisches Zeichen”.

Der Buchhändler- und Verlegerverband habe die Vorteile der Preisbindung nicht nachweisen können, begründet die Landesregierung ihren Entscheid.

Bereits 1999 und dann wieder am 21. März 2005 hatte die Wettbewerbskommission (Weko) die Buchpreisbindung als unzulässige Wettbewerbsabrede qualifiziert. Im März diesen Jahres stützte das Bundesgericht diesen Entscheid. Der SBVV reichte darauf ein Ausnahmegesuch beim Bundesrat ein.

Laut Artikel 8 des Kartellgesetzes darf der Bundesrat Wettbewerbsabsprachen in Ausnahmefällen zulassen, wenn “sie notwendig sind, um überwiegende öffentliche Interessen zu verwirklichen”. Diesen Nachweis – beispielsweise eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit guter Literatur -sah der Bundesrat nicht als erbracht an.

Kleineres Sortiment – Buchhandlungssterben

Der SBVV hatte argumentiert, dass ohne die Buchpreisbindung das Buchsortiment kleiner werde und Buchhandlungen schliessen müssten. Würde die Preisgestaltung dem freien Markt überlassen, gebe es in letzter Konsequenz nurmehr Grossbuchhändler, die hauptsächlich Bestseller zu Discountpreisen verkauften.

Der Bundesrat hält dem entgegen, dass in der Romandie, wo es keine Preisbindung gibt, die Anzahl Buchtitel denen in der Deutschschweiz entspreche und die Buchhandlungsdichte sogar grösser sei.

Mit einer Buchhandlung auf 10’000 Einwohner habe die Westschweiz proportional sogar doppelt soviele Buchläden wie Frankreich, ein Land mit Preisbindung.

Die kulturpolitischen Interessen, welche die Gesuchssteller anführten, lassen sich laut Bundesrat auch mit anderen Mitteln als der Buchpreisbindung verwirklichen. Als Beispiel nennt die Landesregierung die Literaturförderung, für die allein auf Bundesebene jährlich 6,7 Mio. Franken ausgegeben werden.

Romands mit Deutschschweizern solidarisch

Dass der Bundesrat die Westschweizer Buchhandlungen als Argument gegen die Buchpreisbindung anführt, erstaunt: Denn in der Romandie hätten die Buchläden selber gern die Preisbindung eingeführt. Das demonstrierten sie vergangenen Oktober mit der Aktion “Vitrines blanches”.

Mit leeren Schaufenstern wollten sie zeigen, wozu ein Preiskampf im Buchhandel führt: zu einer Verarmung des Angebots. Sie argumentierten, dass Grossbuchhändler mit Discountpreisen den kleineren Händlern das Bestsellergeschäft verderben. Mit den rentablen Titeln aber würden die weniger einträglichen quersubventioniert, was die Vielfalt sichere.

“Neoliberale Manier”

Der Bundesrat setze “in seiner neoliberalen Manier ein falsches kulturpolitisches Zeichen, das einschneidende Folgen für den Buchmarkt haben wird”, teilte der SBVV in einer ersten Stellungnahme mit.

Für die “überwiegende Mehrheit der Deutschschweizer Buchbranche” sei es unverständlich, dass der Bundesrat den kulturellen Funktionen des Buchmarkts in der Schweiz kein Gewicht einräume, so der Verband.

Zudem setze die Landesregierung eine eigene, rein ökonomische Wertung an die Stelle derjenigen von Fachleuten, welche in den vom Bundesrat selbst in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Berichten die positiven Effekte der Preisbindung anerkannt hätten, schreibt der SBVV in einer Stellungnahme.

“Sehr unverständlich”

Auch für den Verband Autorinnen und Autoren der Schweiz (AdS) ist der Bundesrats-Entscheid “sehr unverständlich”, wie die neue Geschäftsführerin Nicole Pfister Fetz sagte. Es entstehe jetzt eine “sehr desolate Situation” für den Schweizer Buchhandel.

SBVV und AdS setzen nun auf die laufenden parlamentarischen Arbeiten für eine gesetzliche Regelung der Buchpreise, wie sie übereinstimmend erklären. Der Nationalrat hatte im Dezember 2006 die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes verlangt.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz werden jährlich für 1 Mrd. Franken Bücher gekauft.
In den Bibliotheken sind 50 Mio. Titel ausleihbar.
Im kulturellen Sektor der Schweiz hat die Buchindustrie das grösste ökonomische Gewicht.

Unter der Buchpreisbindung versteht man eine Regelung, die den Verkaufspreis eines Buches verbindlich festlegt. Damit wird die Schutzwürdigkeit des Kulturgutes Buch höher gewichtet als der freie Markt.

Frankreich, Deutschland und Österreich regeln den Buchpreis per Gesetz. In andern europäischen Ländern ist der Buchpreis durch ein Abkommen zwischen Verlegern und Buchhändlern geregelt. Schweden und Belgien kennen keine Preisbindung.

In der Deutschschweiz besteht ein Abkommen zwischen Verlegern und Buchhändlern, was die Wettbewerbskommission (Weko) als nicht vereinbar mit dem Kartellgesetz bezeichnete – eine Position, die Anfang März vom Bundesgericht bestätigt wurde.

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