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Den Frieden gewinnen

Hoffen auf Frieden: In Colombo begrüssten die Menschen den Waffenstillstand mit Kerzenlicht. Keystone Archive

Seit einem Jahr hält in Sri Lanka der Waffenstillstand. Die Schweiz unterstützt aktiv den Friedensprozess; ihr Föderalismus gilt den Konfliktparteien als Ideen-Lieferant für eine dauerhafte Friedenslösung.

Zurzeit sind Parlaments-Abgeordnete aus Sri Lanka auf Studienreise in der Schweiz.

Militärisch ein Patt, die Insel wirtschaftlich am Boden. Nach fast 20 Jahren Bürgerkrieg mit 65’000 Toten und 1,6 Mio. Vertriebenen vereinbaren die Regierung Sri Lankas und die tamilischen Rebellen, die Tamil Tigers (LTTE), im Februar 2002 mit norwegischer Hilfe einen Waffenstillstand.

Seither schweigen die Waffen. Für die Konfliktparteien geht es nun darum, den Frieden zu gewinnen. Verhandlungsrunde folgt auf Verhandlungsrunde. Im Dezember 2002 kommt es zu einer ersten erfreulichen Absichtserklärung: Die Tamilen verzichten auf die Forderung nach einem eigenen Staat.

“Die Parteien haben entschieden, nach einer politischen Lösung zu suchen, die Selbstbestimmung innerhalb eines föderalen und vereinten Sri Lankas erlaubt”, geben die norwegischen Vermittler in Oslo bekannt.

Von Oslo in die Schweiz

Anschliessend an die Verhandlungen reist die Delegation der LTTE umgehend in die Schweiz: An einem Treffen mit Föderalismus-Spezialisten wird der LTTE-Delegation die föderalistische Schweiz vorgestellt und werden erste Fragen diskutiert.

“Bei diesem zweitägigen Kurzbesuch ging es erst einmal darum, die Leute persönlich kennen zu lernen. Dies ist sehr wichtig, wenn man eine unterstützende Rolle spielt”, sagt Markus Heiniger, Programm-Verantwortlicher für Sri Lanka in der Politischen Abteilung IV, für menschliche Sicherheit, im Aussenministerium (EDA).

Nach dem Grundsatzbeschluss von Oslo gehen in Bern nicht nur von der LTTE, sondern auch von Seiten der Regierung Anfragen ein, mit der Bitte um Unterstützung im Bereich Föderalismus.

Studienreisen in Sachen Föderalismus

Seit Donnerstag weilt eine Gruppe srilankischer Parlamentarier zu einer Studienreise in der Schweiz. Sie wollen die schweizerischen föderalistischen Strukturen und die Mechanismen zur Konsensfindung kennen lernen.

Auf dem Programm stehen ein Besuch im Föderalismus- Institut in Fribourg sowie Gespräche mit Vertretern des Kantons Fribourg und der Bundesverwaltung.

Kein Exportprodukt

“Wir versuchen zusammen mit den Vertretern der Singhalesen und Tamilen zu definieren, wo der Schweizer Föderalismus Anregungen geben kann”, erklärt Heiniger. Denn Föderalismus lasse sich nicht einfach exportieren, das funktioniere nicht.

Im Gegensatz zur Schweiz, wo der Föderalismus historisch von unten gewachsen ist und der Bund seine Kompetenzen von den Kantonen erhielt, steht Sri Lanka vor dem Problem, dass der Zentralstaat Macht abgeben soll.

Für die zentralistisch organisierte Inselrepublik kann es hingegen wichtig sein, zu sehen, dass dezentrale föderalistische Strukturen in der Praxis möglich sind und wie sie funktionieren. Die ersten Kontakte deuten darauf hin, dass ein Interesse für den Finanzföderalismus besteht sowie für Fragen der Sicherheit und Bewaffnung.

Die Schweiz will auch ihre Erfahrungen mit der Multikulturalität weitergeben. “Wir versuchen auch Kontakte mit Leuten aus den Kantonen und den Gemeinden zu vermitteln, teilweise auch aus der italienischen Schweiz und aus Graubünden, um die Perspektive der Minderheiten in die Diskussion einzubringen.”

Den Frieden verankern

Die Schweiz engagiert sich in Sri Lanka seit den 90er Jahren im Bereich der Friedensförderung. Wichtigstes Projekt ist ein friedenspolitisches Netzwerk für den Dialog zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, das die Schweiz zusammen mit Deutschland finanziert.

“Der Friedensprozess ist bemerkenswert, so etwas hat es seit 20 Jahren nicht gegeben. Allerdings braucht es für wirkliche politische Fortschritte noch viel mehr, und der Prozess dürfte noch lange dauern. Dafür ist eine Verankerung in der Zivilgesellschaft nötig – sowohl auf singhalesischer als auch auf tamilischer Seite”, erklärt Heiniger.

Chance nutzen

Der offizielle Friedensprozess ist noch sehr fragil. Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen, die das Waffenstillstands-Abkommen verletzen und den gesamten Prozess in Frage stellen.

Doch bis jetzt ist bei beiden Konfliktparteien der Wille vorhanden weiterzumachen. Deshalb müsse die Schweiz zusammen mit anderen Ländern den Friedensprozess unterstützen, ist Heiniger überzeugt. “Wenn sich nach Jahrzehnten ein ‘Window of Opportunity’ öffnet, ist man verpflichtet einzusteigen.”

Im Mai ist eine weitere Studienreise mit LTTE-Kadern geplant.

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Unabhängig seit 1948
Drei Viertel der 19 Mio. Sri Lanker sind buddhistische und christliche Singhalesen
18% sind hinduistische und christliche Tamilen
seit 1983 kämpfen die Tamilen für einen eigenen Staat
65’000 Menschen fielen dem Konflikt zum Opfer
1,6 Mio. wurden aus ihren Häusern vertrieben
800’000 intern Vertriebene
Waffenstillstand Februar 2002

Über 30’000 Personen aus Sri Lanka sind in der Schweiz.

Die Schweiz hat gemessen an der Bevölkerung die weltweit höchste Zahl an srilankischen Asylsuchenden.

Seit 25 Jahren unterstützt die Schweiz Programme der Humanitären Hilfe und der Entwicklungs-Zusammenarbeit in Sri Lanka.

2002 hat das EDA Programme in Humanitärer Hilfe, Entminung, Friedensförderung und Wiederaufbau in Sri Lanka mit fast 6 Mio. Franken unterstützt.

2003 sind dafür 7,5 Mio. Franken vorgesehen.

Im Bereich Humanitäre Hilfe liegt der Schwerpunkt auf Projekten zur sicheren Rückkehr von intern Vertriebenen.

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