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Der Fotoapparat der neuen Dimension

Klein wie eine Zigarettenpackung: Die 3D-Kamera. cedes.com

Mit einem revolutionären optischen Auge hat ein Schweizer Firmenkonsortium einen der angesehensten Preise für Europäische Informations-Technologie gewonnen.

Die intelligente Sensorkamera ist das Resultat einer gemeinsamen Entwicklung der Uni Neuenburg und einer Bündner Firma.

An der Entwicklung der ersten “intelligenten Kamera” hat ein Schweizer Forscherteam 20 Jahre lang gearbeitet. Der Apparat namens ESPROS/TOF ist so gross wie eine Zigarettenschachtel und kann dreidimensionale Bilder liefern. Eine Anwendung in industriellem Massstab dürfte viele Bereiche revolutionieren, in denen heute noch Photozellen angewendet werden.

Wegen ihrer Verlässlichkeit, aber auch wegen ihrer Anwendungs-Möglichkeiten ist die Sensorkamera mit einem der wichtigsten Preise für technologische Innovationen ausgezeichnet. Der Anfang Oktober in Mailand übergebene “IT-Preis” ist mit 200’000 Euro dotiert.

Projektleiter Peter Seitz, Professor an der Universität Neuenburg, ist über die Auszeichnung stolz: “Es handelt sich um einen Nobel-Preis im Bereich der Informations-Technologie.”

Das Wesen der Innovation

Was aber zeichnet die neue Sensorkamera eigentlich aus? “Trotz ihrer kleinen Ausmasse kann die Kamera eine Serie von Zusatzinformationen über einen beobachteten Raum übermitteln”, sagt der Ingenieur Beat De Coi gegenüber swissinfo.

Beispielsweise kann die Tür eines Lifts dank der neuen Kamera millimetergenau schliessen und öffnen. Die Überfüllung von Sälen lässt sich feststellen. Für die Zukunft ist es denkbar, dass “intelligente Airbags” gefertigt werden, die sich nur im wirklichen Notfall mit äusserster und einer bis heute noch undenkbaren Präzision öffnen. So liessen sich unnötige Verletzungen von Passagieren vermeiden.

Denkbar ist auch der Einsatz bei Kleinkindern. Durch das sensorische Filmen des Brustkastens beim Schlafen könnte womöglich der plötzliche Kindestod vermieden werden. Wenn die Atmung aussetzt, würde durch den Sensor ein Alarm ausgelöst.

Technologie des Lichts

Die High-Tech-Wunderschachtel macht sich ein neuartiges technologisches Prinzip zu eigen. Ein normales digitales Bild speichert die im Raum verteilten Lichtreflexe. Dies kann zwar auch der Apparat ESPROS/TOF. Doch darüber hinaus werden neben dem Objektiv auch Infrarot-Strahlen gesammelt, die für das normale menschliche Auge unsichtbar sind.

Ein Mikroprozessor hinter dem Objektiv ist in der Lage, die Infrarot-Strahlen aufzuzeichnen, zu verarbeiten und die Zeit zu berechnen, die diese Strahlen für ihren Weg vom Objekt bis zur Kamera und zurück benötigen.

Im Prinzip handelt es sich um ein System, das dem konventionellen Radar ähnelt, das die Geschwindigkeit von Autos mit elektromagnetischen Wellen misst und Objekte im Raum orten kann. Doch erstmals wird bei der 3D-Mini-Kamera mit Lichtstrahlen gearbeitet und somit mit einer Geschwindigkeit von 300’000 Kilometern pro Sekunde.

Die Distanz wird zum einzelnen Pixel gemessen. Dies ermöglicht, die genaue Position eines Objekts im Raum zu errechnen. Durch die Sequenz der Bilder lässt sich somit die Bewegung eines Objekts in seiner Umgebung kontrollieren.

Öffentlich und privat an einem Strick

In der Mitte der 80-er Jahre war die Technologie digitaler Bilder, wie ein Grossteil der Grundlagenforschung, eine reine Domäne der Universitäten. Professor Seitz und der damalige Student Beat De Coi begegneten sich Anfang der 90-er Jahre und tüftelten bereits gemeinsam an der Idee einer intelligenten Kamera, um Bildern eine neue Dimension zu verleihen.

Beat De Coi wurde Direktor von Cedes, einer Firma mit Sitz in Landquart im Kanton Graubünden, die heute Weltleaderin in der Produktion optischer Sensoren ist. 130 Personen arbeiten bei Cedes.

Die gute Marktposition eines Unternehmens ist aber nicht ausreichend. “Eine kleine Firma kann sich kein vollständiges Forschungslabor leisten, das über Jahre an Produkten arbeitet, deren Vertrieb nicht garantiert ist”, sagt Peter Seitz.

Deswegen hat Cedes in Fall der preisgekrönten Miniatur-Kameras mit dem Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) SA aus Neuenburg zusammengearbeitet. Die mit öffentlichen und privaten Geldern finanzierte Firma ist ein Verbindungsglied zwischen akademischer und Wirtschaftswelt.

Dank der Unterstützung von Cedes konnte das Forschungsergebnis der CSEM in ein kommerzielles Produkt verwandelt werden. Die 3D-Kamera kann somit hoffentlich definitiv die akademische Gesellschaft verlassen und ihren Siegeszug um die Welt antreten.

swissinfo, Daniele Papacella
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

IST-Prize-Teilnehmer: 33 europäische Länder
Eingegangene Projekte: 420; 70 davon wurden ausgewählt
20 Preise zu 5000 Euro
3 Hauptpreise, dotiert mit je 200’000 Euro

Anfang Oktober wurde in Mailand der begehrte “IST-Prize”, die bedeutendste Auszeichnung für bahnbrechende technische Errungenschaften in der Informationstechnologie, für ein Schweizer Produkt vergeben.

Die Schweizer Firmen CEDES, zusammen mit CSEM SA, erhielten einen der Hauptpreise, der mit 200’000 Euro dotiert ist. Die Auszeichnung wurde für das Projekt ESPROS/TOF, einer miniaturisierten 3D-Kamera, vergeben.

Erstmals ist es möglich, mit einer Kamera 3D-Bilder zu erfassen und damit für Sensorzwecke einsetzen. Herkömmliche Kameras sind dazu nicht oder nur sehr schlecht geeignet, weil sie sich durch Schatten oder verändernde Umgebungsbeleuchtung stören lassen. Die neue Sensortechnologie könnte langfristig die Absicherung von Aufzugs- und anderen automatischen Türen und Maschinen grundlegend verändern.

Der IST-Preis wird von der Europäischen Kommission für Gesellschaft und Technologie sowie EURO-Case, der Vereinigung aller nationalen Akademien der technischen Wissenschaften in Europa vergeben. IST steht für Information Society Technology.

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