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Der Schweizer Honorarkonsul in Aleppo ist Syrer

Honorarkonsul Boulos Megarbane vor dem Schweizer Konsulat im historischen Khan. swissinfo.ch

Die nordsyrische Stadt Aleppo ist fast gleich gross und bedeutend wie die weit entfernte Hauptstadt Damaskus. Vor drei Jahren eröffnete die Schweiz in der Textilhochburg ein Konsulat. Ein Besuch beim Honorarkonsul im Souk.

Im weit verzweigten Souk von Aleppo kann man sich schon mal verlaufen. Da steht man plötzlich unverhofft am Eingang zur grossen Omayyaden-Moschee oder – ein paar Ecken weiter – im Innenhof des Khan al-Wazir, wo Händler ihre Stoffe und Teppiche zum Verkauf anbieten.

Im hinteren Teil des Khans, in dem einst die Karawanen auf der Seidenstrasse ihre Tiere tränkten und die Händler ihre Waren verkauften, befindet sich seit drei Jahren das Schweizer Konsulat.

Links neben der Tür hängt das offizielle Schild mit Schweizerkreuz: “Switzerland Consulate”, rechts eine erst kürzlich angebrachte Plakette, auf der die schweizerisch-syrische Freundschaft mit einem Handschlag dargestellt ist.

“In diesem Gebäude bin ich schon als Kind ein- und ausgegangen, als mein Grossvater hier sein Handelsbüro betrieb”, sagt Boulos Megarbane und nippt an seinem türkischen Kaffee.

Es ist zwölf Uhr mittags und der Honorarkonsul verabschiedet drei Freunde aus der Schweiz mit einem kulinarisch-medizinischen Ratschlag: “Zum syrischen Essen immer Arak (Anisschnaps) trinken, das hilft gegen Magenprobleme.”

Am Anfang stand ein Hotelprojekt

Der Syrer stammt aus einer Händlerfamilie, die seit Generationen im Textilgeschäft tätig ist. Als der gut vernetzte und perfekt Französisch sprechende Megarbane vor Jahren zusammen mit Schweizer Freunden in Aleppo ein Hotel bauen wollte, kam er zum ersten Mal mit der Schweizer Botschaft in Kontakt.

“Seither sind die Leute von der Botschaft immer wieder auf mich zugekommen, wenn sie in Aleppo einen Kontakt brauchten oder etwas veranstalten wollten”, sagt Megarbane.

Schliesslich sei der damalige Botschafter Jacques de Wattwyl auf die Idee gekommen, in Aleppo, das fünf Autostunden von Damaskus entfernt liegt, eine Antenne einzurichten. Er stellte beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) einen Antrag für ein Konsulat.

Als dieser angenommen und schliesslich auch von Syrien bestätigt wurde, funktionierte Megarbane das Handelsbüro seiner Familie im Khan al-Wazir, in dem er seit 1972 als Geschäftsmann wirkte, zum Konsulat um.

Zusammen mit einer Sekretärin erfüllt er hier sein Mandat: die Förderung der syrisch-schweizerischen Beziehungen und die Unterstützung der in Aleppo lebenden und durchreisenden Schweizerinnen und Schweizern.

Henri Dunant und die Alphornkünstlerin Eliana Burki

Der Standort mitten im überdachten Souk der Altstadt ist ideal gelegen, denn hier kommt jeder vorbei, der Aleppo auch nur einmal besucht. “Meine Tür steht allen offen, und so manches Projekt hat sich aus einem Gespräch beim Kaffee ergeben”, sagt Megarbane.

Bereits einige Monate nach Amtsantritt organisierte der rührige Unternehmer, der unter anderem Präsident des syrischen Automobilclubs ist, für die Jugend in Aleppo einen Kurs zur Verkehrssicherheit mit einem Schweizer Experten und Schulungsmaterial des Schweizer TCS.

Während der Tage der schweizerisch-syrischen Freundschaft 2009 fand neben einer Fotoausstellung und einer Hommage an Henri Dunant am Fuss der Zitadelle ein Konzert mit der jungen Alphornmusikerin und Sängerin Eliana Burki statt.

Höhepunkt seiner Aktivitäten im Dienste der Schweiz war die kürzlich in Kooperation mit der Schweizer Botschaft in Damaskus entstandene “Schweizer Karawane” im Khan al-Wazir, bei der während fünf Tagen Schweizer Forschung, Wirtschaft und Kultur sowie schweizerisch-syrische Koproduktionen präsentiert wurden.

“Die Schweiz steht für Qualität, Präzision und eine vielfältige Kultur. Dies will ich hier in Syrien vermitteln”, sagt Megarbane.

Schweizer oder Syrer

Im Jahr der syrischen Unabhängigkeit 1946 in eine von elf christlichen Glaubensgemeinschaften in Aleppo geboren, besuchte Boulos (Paul) Megarbane eine katholische Schule, bevor er in Beirut französisches und libanesisches Recht und Politik studierte. “Ich habe mich schon immer für die öffentlichen Angelegenheiten, die Res Publica interessiert”, betont er.

So wirkte er nicht nur als Präsident der Katholischen Jugend, sondern auch im Stadt- und im Landesparlament von Aleppo, wo er sich mit sozialen Themen beschäftigte. Als Jurist und Mitglied des syrischen Roten Kreuzes vertrat er sein Land bei zwei IKRK-Konferenzen in Genf.

Dass der Schweizer Honorarkonsul in Aleppo kein Schweizer, sondern ein Syrer ist, ist nichts Ungewöhnliches. “Die Person, die dieses Amt ausübt, muss das Land, die Leute und Verhältnisse gut kennen. Dies kann auch ein Schweizer sein, muss aber nicht”, sagt Megarbane.

Das Schweizer Konsulat in Aleppo ist täglich (ausser Freitag und Sonntag) von 10 bis 12.30 Uhr geöffnet.

In Syrien leben 196 Schweizerinnen und Schweizer, 32 von ihnen in Aleppo.

Zahlreiche Schweizer Unternehmen stehen im Handelsaustausch mit Syrien und haben teilweise Büros dort: Nestlé, Novartis, Syngenta, SGS, ABB und Swatch.

Bereits im 19. Jahrhundert haben sich mehrere Schweizer Händlerfamilien in der Textilhochburg Aleppo niedergelassen, unter ihnen die Familien Schuep, Zollinger, Streiff, Weber und Sigrist.

Aleppo war eine wichtige Station an der historischen Seidenstrasse, für die durchreisenden Karawanen wurden so genannte Khane gebaut.

Das sind meist zweistöckige Gebäude um einen rechteckigen Innenhof: Im Erdgeschoss wurden die Waren gelagert und verkauft, ausserdem befanden sich dort die Ställe für die Lasttiere; im Obergeschoss gab es Werkstätten und Unterkünfte für die durchreisenden Händler.

Die Karawansereien oder Khane Aleppos entstanden ab dem 15. Jahrhundert, einer Zeit wirtschaftlicher Blüte.

Sie liegen alle in der Nähe der Omayyaden-Moschee in der Altstadt.

Der Khan al-Wazir (Khan des Ministers) wurde 1681 durch den Gouverneur von Aleppo erbaut.

Der Gebäudekomplex ist gut erhalten, wurde allerdings 1950 verkleinert, als die Strasse zur Zitadelle verbreitert wurde.

Weitere grosse Khane sind der Khan al-Sabun (Seifen-Karawanserei), Khan al-Harir (Seiden-Karawanserei) und der Khan al-Gumruk (Zoll-Karawanserei).

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