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Schweizer Karawane in Aleppos Altstadt

Die Pianistin Galina Vracheva und der syrische Oud-Spieler Kinan Idnawi. Susanne Schanda

Von der Bedeutung der syrischen Stadt Aleppos als Umschlagplatz an der Seidenstrasse zeugen noch heute zahlreiche Karawansereien in der Altstadt. In einer davon ist das Schweizer Konsulat untergebracht. Dort präsentiert sich das Land während fünf Tagen als Kultur-, Wirtschafts- und Forschungsstandort.

Noch ein letzter Nescafé, dann löschen die Stände der Schweizer Unternehmen unter den historischen Arkaden im Khan el-Wazir ihre Lichter, während die Scheinwerfer auf die grosse Bühne gerichtet werden.

Ein lauer Spätsommerabend im Innenhof der ehemaligen Karawanserei in Aleppos Altstadt, die heute Sitz des Schweizer Honorarkonsulats ist. An den Mauern aus dem 17. Jahrhundert prangen die Flaggen der Schweizer Kantone, über den voll besetzten Stuhlreihen hängen syrische und Schweizer Fähnchen.

Ein vorwiegend syrisches Publikum, elegant oder lässig-bequem gekleidete Damen und Herren, jüngere Leute in Jeans und sommerlichem T-Shirt, nur wenige Kopftuchträgerinnen, lauschen den Klängen der aus Bulgarien stammenden Schweizer Pianistin Galina Vracheva und des syrischen Oud-Spielers Kinan Idnawi.

Die Kunst der Improvisation

Nach zwei Improvisationen zu klassischen Themen bittet die Pianistin Idnawi, dem Publikum auf Arabisch ein Schweizer Volkslied anzukünden. Sie gibt die ersten Takte vor, er setzt sofort ein, wiederholt und variiert die wehmütige Melodie des Guggisberglieds. Dann steuern die beiden improvisierend einem fulminanten Finale entgegen.

“Es ist phantastisch, mit Kinan zu spielen“, schwärmt Galina Vracheva nach dem begeistert beklatschten Konzert. Sie hätten vor dem Konzert überhaupt nicht geprobt, sondern alles aus dem Moment heraus entwickelt. “Ich habe dieses Lied heute zum ersten Mal gehört und gespielt“, ergänzt der syrische Oudspieler.

Kooperationen wie diese sind dem Schweizer Botschafter in Syrien, Martin Aeschbacher, wichtig. Zusammen mit seinen Mitarbeitern und dem Konsul in Aleppo hat er das Festival auf die Beine gestellt.

Neben Vorträgen über Stadtarchitektur, Solarenergie und Augenheilkunde standen eine syrisch-schweizerische Modeschau, weitere Konzerte, eine Filmvorführung und Präsentationen von Schweizer Firmen auf dem Programm.

“Das Interesse von Schweizer Unternehmen, aber auch von Kulturschaffenden und Touristen an Syrien ist in den letzten Jahren merklich gewachsen“, sagt Aeschbacher gegenüber swissinfo. Dieses Interesse zeigte sich auch an der Schweizer Karawane, die fünf Tage lang im Khan el-Wazir ihre Stände aufstellte und Waren präsentierte.

“Wir wollten nicht nur den Wirtschaftsstandort Schweiz zeigen“, sagt Aeschbacher. “Schon die historischen Karawanen haben neben Waren immer auch neue kreative Ideen und Informationen transportiert.“ Im Budget von 60’000 Franken seien höchstens zehn Prozent staatliche Gelder enthalten.

Show ist Show

Einen Höhepunkt, bei dem die besten Plätze schon lange vor Beginn besetzt waren, bildete die syrisch-schweizerische Modeschau. Studentinnen und Studenten der Fachhochschule Nordwestschweiz hatten Kleider aus syrischen Stoffen entworfen, während syrische Studierende des Fachs Modedesign das gleiche mit Schweizer Stoffen getan hatten.

Die Modeschau im ehrwürdigen Khan el-Wazir war ein Schock für das an die zahlreichen verschleierten Frauen im Strassenbild Aleppos gewöhnte Auge. Viel Haut war zu sehen, superkurze, verrückt dekorierte Miniröcke und endlos lange Beine auf abenteuerlichen Absätzen. Das Publikum nahm es gelassen. Show ist Show und der Alltag etwas anderes.

Erstes Konzert ausserhalb des Gazastreifens

Zusammen mit dem preisgekrönten Schweizer Dokumentarfilm über Gaza, “Aisheen“, von Nicolas Wadimoff und Beatrice Guelpa wurde auch die junge Rapband “Darg Team“ aus Gaza nach Aleppo eingeladen. Nachdem sie zuerst mehrmals in der Schweiz aufgetreten war, heizte sie mit ihrem rebellischen Sprechgesang dem Publikum in Aleppo ein. Es war ihr erstes Konzert im Nahen Osten ausserhalb des Gazastreifens.

Nach fünf Tagen ist wieder Ruhe eingekehrt im Khan el-Wazir und die letzten Kamele sind abgezogen. Schweizer Uhren, Pflanzenschutzmittel, Medikamente und gesüsste Kondensmilch sind im ganzen Land zu haben. Und das frisch gepflanzte Freundschaftsbäumchen neben dem Eingang des Konsulats kann nun in Ruhe wachsen.

Aleppo liegt im Norden Syriens und ist nach Damaskus die zweitgrösste Stadt Syriens. Während Damaskus das politische und kulturelle Zentrum des Landes ist, hat Aleppo eine grosse Bedeutung als Zentrum der syrischen Textilindustrie.

Aleppo war einst eine wichtige Handelsstadt auf der historischen Seidenstrasse zwischen Fernost und dem Mittelmeer. Mit ihrem gedeckten Basar, der sich über 30 Kilometer erstreckt, ist die Altstadt Aleppos ein Touristenmagnet. Vor 4000 Jahren wurde sie zum ersten Mal erwähnt.

Im Khan el-Wazir, einem der grössten und bedeutensten Handelshäuser, ist heute das Schweizer Honorarkonsulat untergebracht. Neben dem schweizerischen befindet sich sonst nur noch das belgische Konsulat in einem Khan. Alle anderen Konsulate wurden in die Neustadt verlegt.

Bereits im 19. Jahrhundert haben sich mehrere Schweizer Händlerfamilien vorwiegend aus der Textilindustrie in Aleppo niedergelassen.

Die Schweiz war 1946-58 durch eine Kanzlei in Damaskus vertreten, anschliessend durch ein Generalkonsulat. Dieses wurde 1962 zur Botschaft aufgewertet. Seit drei Jahren besteht zudem ein Honorarkonsulat in Aleppo.

Der Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern ist in den letzten Jahren gewachsen. Die Schweiz exportiert vor allem Maschinen, Uhren sowie pharmazeutische und chemische Produkte.

Bereits seit 1957 ist der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé in Syrien präsent. Nestlé war damals der grösste ausländische Investor ausserhalb der Erdölbranche. Weitere Schweizer Firmen sind Novartis, Syngenta Agro Services, die SGS Group und ABB.

In Syrien leben 196 Schweizerinnen und Schweizer (Statistik 2009), das sind 12 mehr als im Vorjahr.

Aleppo

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