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Der Vater des Schweizer Schlagers ist tot

Artur Beul begleitet seine Frau Lale Andersen am Flügel. Keystone

"Nach em Räge schint Sunne", "Übre Gotthard flüged Bräme" oder "Stägeli uf Stägeli ab": Artur Beuls Kompositionen pfiffen in den 1940er- und 50er-Jahren sogar die Spatzen von den Dächern. Sie wurden zu Evergreens und werden auch heute noch im Radio gespielt.

Beuls Privatsekretär, Ralph Aebi, sieht in dem am 9. Januar im Alter von 94 Jahren gestorbenen Schlagerkomponisten den “Dieter Bohlen seiner Zeit”. Aebi vergleicht damit nicht Bohlens aktuelle Auftritte in Fernsehjurys, in denen dieser mehr oder weniger talentlose Möchtegernstars zur Schnecke macht. Nein, wie Bohlen habe auch Beul mit seiner Musik, mit seinen Ohrwurmhits, fast eine ganze Generation geprägt.

Zur Musik kam Artur Beul als junger Lehrer. Offenbar gab es bei seiner Tätigkeit zu wenig Lieder für die Jugend. So schrieb Beul selber Stücke mit jugendgemässen Texten wie “Übre Gotthard flüged Bräme” oder “Stägeli uf, Stägeli ab”. Insgesamt komponierte er fast 2000 Lieder, die Mittelmeersuite für Orchester, viele Instrumentalstücke sowie eine kleine Singmesse.

Den Grundstein für seine Karriere legte er aber schon als 18-Jähriger, als er “Am Himmel staht es Sternli” schrieb, das eines seiner bekanntesten Lieder wurde.

Nachdem er das damals bekannte Gesangstrio Geschwister Schmid kennengelernt hatte, hängte er den Lehrerberuf an den Nagel und ging mit ihm als Komponist und Begleiter am Klavier auf Tournee.

Heimweh und Erfolg

Als die Geschwister Schmid in die USA eigeladen wurden, trennten sich ihre und Artur Beuls Wege. Jeweils sehr schnell einsetzendes Heimweh war laut Ralph Aebi der Hauptgrund dafür, dass Beul nicht in die USA mitgehen wollte.

“Er hätte auch in Deutschland oder Frankreich Karriere machen können”, sagt Aebi weiter. “Aber er wusste, dass er es nicht sehr lange in der Fremde aushalten würde.” So baute Beul in Zollikon ein Haus, an dem er zeitlebens sehr hing.

Im Jahr 1945 landete er seinen absolut grössten Hit: “Nach em Räge schint Sunne”, Dieses Lied schaffte es im Gegensatz zu seinem Komponisten über den Atlantik.

Die damals in den Vereinigten Staaten sehr bekannten Andrews Sisters mischten mit seiner englischen Version “When a Swiss Boy goes calling to a Swiss Miss in June” die US-Hitparaden auf. Der Song hielt sich ein halbes Jahr an der Spitze der Hitliste.

Artur Beul war somit der erste Schweizer, der einen internationalen Hit landen konnte.

Nach seiner Trennung von den Geschwistern Schmid komponierte er für verschiedene andere Interpretinnen und Interpreten. Unter anderen für den späteren Talkmaster Vico Torriani, die erste Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne-Gewinnerin Lys Assia oder die deutschen Schauspieler Ilse Werner und Hans Albers.

Heidi Squindo-Wild, deren Vater Beul in seinem Musikverlag betreute, kannte Beul schon als kleines Mädchen. “Während und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden keine Noten in die Schweiz geschickt. Man musste also auf Schweizer Komponisten zurückgreifen”, sagt Heidi Squindo-Wild.

“Beul kam dann mit den Schweizer Schlagern. Man könnte ihn deshalb als Vater des Schweizer Schlagers bezeichnen.”

Privates Glück, Frustration und neue Ufer

In der Nachkriegszeit lernte Beul die deutsche Lili Marleen-Interpretin Lale Andersen kennen. Für sie komponierte er zahlreiche Lieder, darunter ihren Lieblingstitel “In unserem Garten blühen Rosen”. 1949 läuteten dann für die beiden die Hochzeitsglocken.

Nach seinen grossen Erfolgen in den 1940er und 1950er Jahren zeichnete sich in Beuls Karriere ein Knick ab. “Swing und Rock ‘n Roll waren nicht seine Sache. Dies hat ihn sehr frustriert” erklärt Aebi. Es gelang ihm fortan nicht mehr, an seine grossen Erfolge anzuknüpfen.

1972, nach dem Tod von Lale Andersen zog Beul sich nach Südfrankreich zurück und widmete sich während fast zehn Jahren der Malerei. Diese scheint der Familie Beul in den Genen zu liegen. Sein Vater wie auch der Grossvater waren Maler. Bekannt wurde Artur Beul für seine Ballettbilder. Weniger bekannt sind seine Blumendarstellungen.

Stromstösse

Artur Beul blieb bis zu seinem Lebensende geistig klar. “Er hatte immer grosse Freude, wenn wir uns trafen” erinnert sich Heidi Squindo-Wild. Er sei ein sehr gutmütiger Mensch gewesen.

“Die Schlager aus den 1940er- und 50er-Jahren sind leider unter gegangen, aber am Radio wird er immer noch sehr oft gespielt, vor allem auf der Musikwelle 531. Da hört man fast jeden Tag etwas von seiner Musik”, so Heidi Squindo-Wild.

Und Ehemann Turi Squindo meint wehmütig: “Beul hat noch Melodien gemacht, die ins Ohr gingen, die Ohrwürmer waren. Und wo ist die Melodie bei der aktuellen Musik? Heute hat man nur noch Stromstösse.”

Etienne Strebel, swissinfo.ch

Geboren 1915 in Einsiedeln.

1940: Job als Aushilfelehrer.

1945: Bau seines Hauses in Zollikofen.

1949: Heirat mit Lale Andersen.

1972: Tod seiner Frau.

10 Jahre als Maler in Südfrankreich, wo er in Cannes Bilder vom Hafen und der Provence malte und diese an Touristen verkaufte.

1985: Goldene Schallplatte für 50’000 verkaufte Tonträger.

Auf seinen 80. Geburtstag erschienen seine Erinnerungen als Buch: “Nach Regen scheint Sonne” – Es heisst gleich wie sein grösstes Erfolgslied.

1995: Prix Walo für sein Lebenswerk.

2007: Goldene Ehrenmedaille des Kanton Zürich in Anerkennung seiner Verdienste für die Musikkunst.

Ende 2008: Tod seiner 2. Ehefrau Pat Gysin.

9. Januar 2010: Artur Beul stirbt in Küsnacht am Zürichsee.

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