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Die ersten Schweizer auf dem Dach der Welt

Dölf Reist am 24. Mai 1956 auf dem Gipfel des Mt. Everest. SSAF/Archiv Schweizerisches Alpines Museum

Der Schweizer Alpinismus feiert mit einer Ausstellung und Gedenkfeiern in diesem Jahr das 50-Jahr-Jubiläum der Schweizer Himalaja-Expedition von 1956.

Der Expedition gelang am 18. Mai 1956 die Erstbesteigung des Lhotse und die Zweitbesteigung des Everest.

Der Jubel war gross im Land, als am 8. Juli 1956 die Helden der Schweizer Everest-Lhotse-Expedition in Zürich-Kloten dem Flugzeug entstiegen.

Den 11 Expeditionsteilnehmern gelangen gleich drei Erfolge am Berg: Ernst Schmied und Jürg Marmet erreichten am 23. Mai 1956 als zweite Seilschaft und als erste Europäer den Gipfel des 8848 Meter hohen Mt. Everest.

Einen Tag später gelang die selbe Leistung der Seilschaft von Hans Rudolf von Gunten und Dölf Reist. Kurz zuvor, am 18. Mai, hatten Fritz Luchsinger und Ernst Reiss als erste den 8501 Meter hohen Lhotse bezwungen.

Nicht nur wurden die kühnen Männer in der Schweiz wie Stars gefeiert, ihr Erfolg strahlte in die ganze Welt aus. “Swiss Climb Everst and Lhotse”, titelte die New Yorker Herald Tribune.

“Gli Svizzeri sull’ Everst”, die italienische EPOCA . In Frankreich stand: “Les Vinqueurs de l’Himalaya” und eine deutsche Zeitung meinte schon ganz im Stile des Boulevard: “Mit Rucksack, Schirm und Wochenbärten”.

Dabei handelte es sich um die Beschreibung der Rückkehr der Schweizer Expedition und nicht etwa um die Ausrüstung beim Aufstieg auf Everest und Lhotse.

Tonnen von Material

Die Schweizer Expedition auf das Dach der Welt war sehr gut vorbereitet. Auftraggeber war die 1939 gegründete Schweizerische Stiftung für Alpine Forschung (SSAF).

Die 10 Tonnen Expeditionsmaterial wurden “mit generalstabsmässiger Planung”, wie geschrieben steht, zusammengestellt. Alle Ausrüstungsgegenstände wurden sorgfältig getestet, und wenn es im Gefrierraum einer Metzgerei sein musste.

Zudem studierten die Verantwortlichen die bereits erfolgten Expeditionen in den Himalaja und zogen ihre Lehren daraus.

Diese “kameradschaftlich-schweizerische Präzisionsarbeit” habe viel zu den Gipfelerfolgen von 1956 beigetragen, schreibt der SSAF heute.

Bergsteigen und Wissenschaft

Der Ernstfall der Präzisionsarbeit beginnt am 3. März 1956. Da stehen Bahnwagen aus Bombay kommend am nepalesischen Grenzbahnhof Jaynagar.

Einheimische und bereits wettergegerbte Schweizer verladen das Material auf 22 Ochsenkarren. 350 Trägerinnen und Träger werden angeheuert. Sie tragen 20 Tage lang 25 Kilo pro Person von Chisapani ins Bergkloster Thyangboche, das bereits auf 3860 Metern liegt.

Am 7. April steht das Basislager mit Wetterstation auf dem schuttbedeckten Khumbugletscher, 5450 Meter hoch. Die Expedition sollte zwar zu bergsteigerischen Glanzleistungen führen, gleichzeitig war sie auch eine Wissenschafts-Expedition.

Der Glaziologe Fritz Müller, der Chemiker und Sauerstoff-Spezialist Jürg Marmet, Zahnarzt Hans Grimm und der Mediziner Eduard Leuthold untersuchten die Natur, (glaziologische und meteorologische Beobachtungen im Khumbu-Gletschergebiet) und die Auswirkungen der Strapazen auf den Menschen.

Vom Spitalbett auf den Lhotse

Nach dem Aufbau des Basislagers geht es erst richtig los. Auf mitgeführten Metalleitern werden die Risse des Khumbugletschers überwunden. Hier haben die Männer bereits einen tollen Blick auf den Lhotse. Unten übersät mit Gletscherabbrüchen, oben nackt-dunkle Felswand.

Ab 7000 Metern Höhe kommen die Sauerstoff-Flaschen zum Einsatz. Auf Everesthöhe enthält die Luft noch rund einen Viertel des Sauerstoffgehaltes, wie er auf Meereshöhe normal ist.

Die mitgeführten neuen, verbesserten und leichten Höhenatmungsgeräte und die 4-Liter-Flasche à 6,6 Kilo haben denn – nebst den recht guten Wetterverhältnissen – einen entscheiden Anteil am Gelingen der Expedition. Eine Flasche fasst 1000 Liter Sauerstoff, der unter 250 Atmosphären Druck steht.

Heute blicken wir auf die Aufnahmen der “Vinqueurs de l’Himalaya”. Da steht Ernst Reiss auf dem Gipfel des Lhotse. Es ist der 18. Mai 1956. Auf 8516 Metern Höhe blickt uns sein kühn geschnittenes Gesicht entgegen. Eingepackt in eine dicke Fellmütze. Das bei rund minus 30 Grad.

Bekleidet war Luchsinger bereits mit einer Daunenjacke (die noch etwas steif gewesen sein soll und am Klettern hinderte). Rechts der Eispickel mit dem Wappen Nepals und der Schweiz. Und harte Männer waren es.

Luchsinger zum Beispiel war noch etwas mehr als einen Monat vor der Erstbesteigung mit einer akuten Blinddarmentzündung im improvisierten Spitalbett im Kloster Thyangboche gelegen.

Sponsoren

Die Neuzeit hatte begonnen. Nicht nur waren die Erfolge der Schweizer am Berg ein Medienspektakel, sie wurden auch bereits nach allen Regeln der Kunst vermarktet.

Die Schuhfabrik Bally pries etwa in ganzseitigen Inseraten den neu entwickelten Rentierfellstiefel auf dem “Dach der Welt”. Eine Art felliger Vorläufer der späteren Moonboots.

Oder die Berner Firma Wander: Sie schuf eigens einen Ovomaltine-Bilderdienst mit Fotos der Expediton und hob hervor, dass Ovo und Ovo-Sport zum “Bestandteil des Proviantes” der Gipfelstürmer gehörten.

swissinfo, Urs Maurer

Der Schweizerische Alpenclub und das Alpine Museum in Bern feiern das 50-Jahr Jubiläum der Schweizer Everest-Lhotse Expediton mit einer Ausstellung und einer Gedenkveranstaltung.

Die Ausstellung vom 28. April bis 13. August im Alpine Museum zeigt Fotos und Originalgegenstände der Expedition von 1956.

Der Schweizer Alpenclub rief in einer Feier Tradition und Bedeutung des Schweizer Expeditions-Alpinismus in Erinnerung.

Es wurde eine Direktschaltung zu einer “Gedenkexpedition”, die zur Zeit den Lhotse besteigt, eingerichtet.

11 Personen nahmen an der Everest-Lhotse-Expedition 1956 teil.

Der Lhotse, der vierthöchste Berg der Welt, wurde am 18. Mai 1956 zum ersten Mal bestiegen.

2 Seilschaften gelangten am 14. und 23. Mai 1956 auf den Mt. Everest.

Es waren weltweit die Besteigungen 2 und 3 des höchsten Berges der Welt.

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