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Die Familie braucht dringend Unterstützung

Familien in der Schweiz: Die Bilanz ist sehr durchzogen. swissinfo C Helmle

Kinder haben bedeutet heute in der Schweiz beinahe schon, ein Armutsrisiko einzugehen. Besonders in den Städten.

Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen weist auf die Schwachstellen hin, wie zum Beispiel die fehlende Mutterschafts-Versicherung.

Die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) und Pro Familia Schweiz ziehen zum zehnjährigen Jubiläum des Internationalen Jahres der Familie von 1994 eine ernüchternde Bilanz: Kinder sind in der Schweiz zu einem Armutsrisiko geworden.

Zudem gebe es noch immer keine Mutterschafts-Versicherung. Und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei nicht erfüllt.

Bereits Ende August hatte Innenminister Pascal Couchepin den Familienbericht 2004 vorgestellt. Fazit: die Schweiz verfügt über kein einheitliches familienpolitisches Konzept.

Angesichts zunehmender Familienarmut und der wachsenden Instabilität von Familien sei aber ein solches Konzept nötig. Damit steckte der Bundesrat den Rahmen für eine nationale Debatte ab.

Familienpolitische Resolution

Couchepins Vorgängerin, Ruth Dreifuss, hatte die EKFF ins Leben gerufen, nachdem die Nationale Kommission für das Jahr der Familie 1994 eine Resolution mit familienpolitischen Forderungen verabschiedet hatte.

Jürg Krummenacher, EKFF-Präsident und Direktor von Caritas Schweiz, erklärte vor den Medien in Bern, dass es seit 1994 (UNO-Jahr der Familie) auch einige Erfolge zu verzeichnen gebe.

Als Beispiel nannte er das Bundesgesetz über Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung und die Einführung der Erziehungs- und Betreuungsgutschriften in der AHV.

Keine der Forderungen vollständig erfüllt

In ihrem Fazit nach zehn Jahren stellt die EKFF jedoch fest, dass keine der Forderungen der Resolution von 1994 vollständig erfüllt worden sei.

Zu den Forderungen gehören Mutterschaftsversicherung, Elternurlaub, Familien- und Kinderzulagen, Familienlastenausgleich, Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben und die Schaffung eines Rates für Familienfragen.

Nicht erfüllt wurde beispielsweise die Forderung nach einer vollen Kinderzulage für jedes Kind. Zudem verfüge die Schweiz immer noch über keine Mutterschafts-Versicherung, obwohl der Auftrag seit 59 Jahren in der Bundesverfassung stehe.

Kinder in der Schweiz seien heute zu einem Armutsrisiko geworden, und in den Schweizer Städten sei rund jedes zehnte Kind auf Sozialhilfe angewiesen, so Krummenacher.

Rahmenbedingungen verbessern

In der Frage der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben habe in den vergangenen Jahren zwar eine Sensibilisierung stattgefunden.

Wesentliche Voraussetzungen für die Vereinbarkeit, wie Blockzeiten in der Schule oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit, seien aber nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.

Die Kommission fordert Rahmenbedingungen, die es erlaubten, Familien- und Erwerbsalltag aufeinander abzustimmen, denn wesentliche Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien noch nicht erfüllt.

Die EKFF ruft im weiteren dazu auf, das UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vorbehaltlos zu ratifizieren.

Grosse Unterschiede zwischen den Kantonen

Auch Pro Familia Schweiz, der Dachverband der Schweizer Familienorganisationen, bezeichnete die Bilanz nach zehn Jahren als durchzogen.

Es sei zwar gut, wenn nun auch der Bundesrat die Familie entdeckt habe, sagte Pro Familia-Präsidentin Michele Berger-Wildhaber. Die politischen Kreise hätten die Forderungen der Familien jedoch noch nicht effizient umgesetzt.

In der kommenden Zeit will der Dachverband seinen Schwerpunkt auf den Generationen-Dialog setzen. Mit einer Plakat-Kampagne soll an das Verständnis für die heutige Jugend appelliert und der Dialog zwischen den Generationen
gefördert werden.

Es bleibe noch viel Arbeit bis zu einer zukunftsgerichteten Familienpolitik, welche die Unterschiede zwischen den Kantonen aufhebe, denn diese beeinflussten ganz konkret die Lebensqualität von Familien.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz leben rund 120’000 Kinder in einem Haushalt, in dem das minimal benötigte Einkommen nicht erreicht wird.
In den Schweizer Städten ist eines von zehn Kindern auf Sozialhilfe angewiesen.
Ein Kind kostet im Durchschnitt 1400 Franken im Monat.

Merkmale der schweizerischen Familienpolitik (laut Bericht):

Ausgeprägt föderalistisch und subsidiär strukturiert.

Aufgabenverteilung zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und privaten Organisationen führt zur starken Zersplitterung.

Bund hat nur wenige familienpolitische Kompetenzen (Familienzulagen, Mutterschaft).

Bereiche der Familienpolitik: Kinderkosten, Familienzulagen, Mutterschaftsschutz, Familienarmut, Alimente, Besteuerung, Schulwesen, Kinderbetreuung, Kinderschutz.

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