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Die Fans wollen Fussball, und auch mal ein Bett

Die Fans verlangen Fussballfeste, aber irgendwo werden sie auch einmal schlafen wollen.

Sie werden in Massen erwartet: Die Fans für die Fussball-Europameisterschaft von nächstem Sommer in der Schweiz. Doch werden sie alle ein Dach über dem Kopf haben?

In den vier Austragungs-Städten Basel, Zürich, Bern und Genf reichen die Hotelbetten nicht aus. Andere Lösungen wie Fan-Camps sind gefragt. Das ergibt aber Probleme.

Im nächsten Sommer wird die Schweiz – zusammen mit Österreich – zum Fussball-Mekka: Zur Europameisterschaft, dem drittgrössten Sportanlass der Welt, werden insgesamt fünf Millionen Besucher erwartet, davon mehr als eine Million aus dem Ausland.

So willkommen die Fans auch sind, sie stellen die vier Schweizer Austragungs-Städte Basel, Zürich, Bern und Genf, die so genannten Host Cities, vor grosse Probleme. Eines davon ist die Unterbringung.

“Wir haben zu wenig Kapazitäten, zudem gibt’s während einer Woche eine Überschneidung mit der Kunstmesse Art Basel”, sagt der Basler Euro-2008-Delegierte Christoph Bosshardt gegenüber swissinfo.

Noch keine Erfahrung

Die Host City plant deshalb Fan-Camps. Die Zeltplätze werden von Privaten betrieben und sollen jeweils rund 2500 Fans günstige Übernachtungsmöglichkeiten bieten.

Doch es sind Probleme aufgetaucht: Fan-Camps erfordern im Kanton Basel-Landschaft, wo die vorgesehenen Standorte Aesch, Pratteln und Liestal liegen, eine Baubewilligung.

“Wir waren überrascht”, sagt der Basler Euro-2008-Delegierte. Aber weil die Fan-Camps nicht in Wohnzohnen liegen, rechnet Bosshardt eigentlich nicht mit Einsprachen.

Goodwill vorhanden

Falls es aber doch solche gibt? “Dann haben wir ein Problem”, gibt er zu. Theoretisch könnten Opponenten bis vor Bundesgericht gelangen.

Noch ist es aber nicht soweit. Bei den Gemeindebehörden von Pratteln und Liestal rennt die Host City offene Türen ein. Momentan ist das Auswahlverfahren im Gang, in dem Basel die Betreiber der Fan-Camps bestimmt.

Diese haben strenge Auflagen bezüglich Sicherheit und Ordnung, Nachhaltigkeit, Kommunikation, Infrastruktur etc. zu erfüllen. Wer schlussendlich die Zeltplätze – auf eigenes unternehmerisches Risiko – betreibt, wird im August bekannt.

Im Zivilschutzkeller

Ein Fan-Camp war auch in Bern ein Thema. Hier ging jedoch die Idee von Privaten aus, als Standort war Rubigen vorgesehen. Nach örtlichem Widerstand wurde das Projekt begraben. Auch ein Camp beim Sportstadion Neufeld kommt nicht zu Stande.

“Wir setzen auf eine Verknüpfung des Hotelbetten-Angebots in der ganzen Region”, sagt Marcel Brülhart, Euro-2008-Delegierter der Stadt Bern. Die Distanzen in der Schweiz seien ja äusserst gering.

Spielen grosse Fussball-Länder wie England oder Holland in Bern, reicht auch die Mobilisierung des letzten Hotelbetts nicht mehr aus. Dann bietet die Stadt laut Brühlhart Übernachtungsplätze in Zivilschutzanlagen an.

Öffnet Bevölkerung Zimmer?

Was in Bern mit seinen rund 7000 Hotelbetten die Situation erschwert: Die Euro 2008 überschneidet sich während einer Woche mit der Sommersession der eidgenössischen Parlamentarier. Ein Antrag der Stadtregierung auf Verschiebung der Session wurde von den Bundesbehörden abgelehnt.

Angesicht des knappen Angebots an Unterkünften appellieren beide Städte an die Bevölkerung. Basel sucht rund 500 Gastfamilien, die Fans aufnehmen. Ein weiteres Angebot sind Hotelschiffe auf dem Rhein, die aber wohl eher für ein “Cüpli”-Publikum gedacht sind.

In Bern können sich Private auf der Internetseite der Host City in der Rubrik “Marktplatz” eintragen, wenn sie Fans beherbergen wollen. “Solche Sachen funktionieren entweder sehr gut oder überhaupt nicht”, sagt Marcel Brülhart.

Am Ende der Welt

Genf kommt inklusive Bed & Breakfast-Angebote auf rund 5000 Betten. Deshalb setzen auch die Genfer Euro-2008-Verantwortlichen auf ein Fan-Camp.

Die Zeltstadt auf dem Areal des Sportzentrums Bout-du-Monde soll 3000 Menschen Platz bieten – “in der Atmosphäre eines Open Airs”, erklärt Michael Kleiner, der Genfer Euro-2008-Verantwortliche. Für den Betrieb des Camps hat seine Organisation eine Sonderbewilligung, welche die Stadt erteilte.

Dazu kommen Plätze für Wohnmobile sowie Boxen in den Turnhallen mit je einem Kajütenbett. “Alle Preise werden zwischen 15 und 30 Franken liegen”, so Kleiner.

Zürich setzt vorab auf die Hotelangebote. Doch auch an der Limmat sind Fan-Camps “vorgesehen, aber noch nicht spruchreif”, wie Daniela Leeb von der Projektleitung Euro 2008 sagt.

swissinfo, Renat Künzi

Die Euro 2008 findet vom 7. bis 29. Juni in der Schweiz und in Österreich statt.

Von den 31 Spielen werden 15 in der Schweiz und 16 in Österreich durchgeführt (mit Final in Wien).

Insgesamt werden 1’050’000 Tickets ausgestellt.

In der Schweiz werden bis zu 5,4 Mio. Zuschauer erwartet, darunter bis 1,4 Mio. aus dem Ausland.

2500 Journalisten werden die Spiele kommentieren, die für einige Milliarden TV-Zuschauer in 170 Ländern übertragen werden.

Die Gesamtkosten werden auf 182,1 Mio. Franken geschätzt. Der Beitrag des Bundes beläuft sich auf 82,8 Mio.

Basel erwartet 250’000 Fans im St.-Jakob-Stadion sowie 750’000 bei öffentlichen Leinwänden; 110’000 Logiernächte.

Bern: 100’000 bis 200’000 Gäste an den drei Spielen. Fanzonen in der Innenstadt sind für mehrere Zehntausend Besucher vorgesehen. Bis zu 80’000 zusätzliche Übernachtungen.

Zürich: Bis 1,4 Mio. Fans. 100’000 bis 180’000 Übernachtungen, davon 75’000 bis 110’000 in Hotels.

Genf: Zusätzlich zu den 12’000 Hotelbetten entsteht in einer Sportanlage ein Camping mit 3000 Plätzen. Das Stade de Genève hat 30’000 Plätze. Auf der “Plaine de Plainpalais” entsteht eine Fanzone für 30’000 bis 60’000 Besucher.

Der Europäische Fussball-Verband (UEFA) schätzt, dass die Euro 2008 in der Schweiz insgesamt 800’000 Übernachtungen generiert.

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