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Die Fronten zwischen Bern und Brüssel bleiben hart

Gehen über die Bücher: Der Schweizer Bundespräsident Joseph Deiss (links) und der irische Premier und EU-Ratspräsident Bertie Ahern in Dublin. Keystone

Die Schweiz und die Europäische Union (EU) beharren in Sachen Bilaterale II auf ihren Positionen.

Der Besuch des Schweizer Bundespräsidenten Joseph Deiss in Dublin bei der irischen EU-Ratspräsidentschaft hat die Situation nicht entspannt.

Bei den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über die Bilateralen II ist demnach vorerst keine Einigung in Sicht.

Bundespräsident Joseph Deiss und der irische Finanzminister Charlie McCreevy haben am Montag in Dublin auf ihren bisherigen Positionen beharrt. Irland führt zur Zeit den Ratsvorsitz in der EU.

Nun soll ein Treffen auf höchster Ebene zum Durchbruch verhelfen: Der irische Premierminister Berty Ahern werde noch diese Woche mit EU-Kommissionspräsident Romano Prodi über ein solches Treffen sprechen, sagte Deiss nach seinem Gespräch mit Ahern in Dublin.

Paketlösung

Deiss machte in Irland bei der EU-Ratspräsidentschaft erneut deutlich, dass die Schweiz auf einem parallelen Abschluss aller neun Dossiers im Rahmen der Bilateralen II beharrt. Die EU will einzelne Dossiers – namentlich die Zinsbesteuerung von Geldern, die EU-Bürger und Firmen auf Schweizer Banken deponiert haben – vorziehen.

Nur eine Paketlösung komme für die Schweiz in Frage, habe Deiss dem Finanzminister erklärt, sagte sein Sprecher Manuel Sager.

Für die Schweiz sei es wichtig, dass vor allem bei den Dossiers Schengen und Dublin, der Betrugsbekämpfung sowie der Zinsbesteuerung ein kohärentes Ergebnis vorliege.

Für die Schweiz sei es deshalb nicht annehmbar, wenn einzelne Dossiers vorgezogen würden, wie dies die EU-Finanzminister gefordert hätten.

Der irische Finanzminister habe aber am Entscheid der EU-Finanzminister festgehalten, welche die Schweiz vergangene Woche aufgefordert hatten, das Dossier Zinsbesteuerung sofort und unabhängig von den anderen noch offenen Fragen zu unterzeichnen.

Kein Abkommen?

Die EU will über die Umsetzung ihrer Zinssteuer-Direktive auf Anfang 2005 im Juni beschliessen.

Sollten sich Brüssel und die Schweiz bis dann nicht geeinigt haben, könnte die EU intern eine Lösung finden. “Dann gibt es kein Abkommen mit der Schweiz”, erläuterte Laurent Goetschel in einem Interview mit der “Neuen Luzerner Zeitung” vom Montag.

Der Professor für Politologie am Europainstitut Basel hält aber eine Verzögerung der Verhandlungen für wahrscheinlicher. Vielleicht dauere es “ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr länger”, bis das Abkommen unter Dach sei.

Entgegenkommen der EU erwartet

Der Schweizer Bundespräsident hatte vor dem ersten Gespräch gesagt, die Schweiz sei der EU in der Zinsbesteuerung weit entgegengekommen und erwarte nun ein Entgegenkommen der EU.

Es sei an ihr, nach Lösungen zu suchen. Die Schweiz sehe keinen Verhandlungs-Spielraum mehr. Sie werde nicht hinter das bisher Erreichte zurückgehen.

Deiss zeigte sich jedoch zuversichtlich. Die EU sei wichtig für die Schweiz, aber die Schweiz sei auch wichtig für die EU, gab er zu bedenken. Er sei überzeugt, dass sich die EU dessen bewusst sei.

Wirtschaft wieder hinter Bundesrat

Für die von Brüssel geforderte vorgezogene Unterzeichnung des Zinsdossiers hatten sich seinerzeit auch die Spitzenverbände von Banken und Wirtschaft stark gemacht.

Bankiervereinigung und economiesuisse forderten den Bundesrat im November auf, eine Paraphierung in den sieben schon fertig ausgehandelten Bereichen zu erwägen.

Die Wirtschaft wollte damit vor allem das Erreichte in den Dossiers Zinsbesteuerung und verarbeitete Landwirtschafts-Produkte sichern. Durch ein Festhalten am Parallelismus, so wurde befürchtet, könnte das Bankgeheimnis durch Konzessionen in den hängigen Dossiers wieder unterlaufen werden.

Inzwischen haben sich die beiden Spitzenverbände aber wieder hinter die Position des Bundesrats gestellt. Dem Rückzieher ging offenbar eine Intervention von Bundesrat Pascal Couchepin voraus.

swissinfo und Agenturen

Bilaterale II

Die bilateralen Verhandlungen II umfassen insgesamt zehn Themen.

Die ersten sieben sind sogenannte “left-overs”, d.h. Fragen, die im Rahmen der letzten bilateralen Verhandlungen nicht behandelt werden konnten, für welche die Schweiz und die EU in der Schlussakte zu den bilateralen Abkommen I aber eine rasche Verhandlungsaufnahme vereinbart haben.

Die Themen Zinsbesteuerung und Betrugsbekämpfung sind von der EU eingebracht worden, das Thema Schengen und Dublin von der Schweiz.

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