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Die Nacht schützen

Das hellerleuchtete Sion im Kanton Wallis macht die Nacht zum Tag. Keystone

Ein Fünftel der Erdbevölkerung kann in der Nacht die Milchstrasse nicht mehr sehen. Es ist schlicht zu hell!

Der Verein “Dark Sky Switzerland” wehrt sich gegen die zu vielen künstlichen Lichtquellen.

Die Organisation “Dark Sky Switzerland” (DSS) gehört zur Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft und ist ein Ableger einer in den USA entstandenen Bewegung. Fast alle europäischen Länder haben sich “Dark Sky” angeschlossen.

Gegründet wurde die “International Dark Sky Association” (IDA) 1988. Sie hat heute gegen 10’000 Mitglieder in 70 Ländern. Der Schweizer Ableger DSS wurde 1996 gegründet und zählt heute 140 Mitglieder. Vor allem Astronomen, Ornithologen, aber auch Architekten, Lichttechniker und Biologen.

Schweiz ist lichtverschmutzt

Die Schweiz gehört zu den hell erleuchteten Gebieten der Erde. Die Hälfte der Lichtenergie verpufft gen Himmel. Als äusserst problematisch erweisen sich die zunehmenden Fassaden-Beleuchtungen.

Jede Sehenswürdigkeit wird heute in gleissendes Licht getaucht. “Wem nützt es eigentlich, wenn in allen Städten banale Bauten wie Märchenschlösser illuminiert werden”, fragt sich der Zürcher “TagesAnzeiger” in einem Artikel über die “Lichtveschmutzung” der Schweiz.

Lichtbeamer sind unnötig

Dabei hört das Beleuchten nicht bei den Stadtbauten auf. Immer öfter reicht es nicht mehr aus, die Berge am Tag zu betrachten. Sie werden mehr und mehr auch in der Nacht angeleuchtet. “Es ist als würden wir unsere Träume verscheuchen”, schreibt der “TagesAnzeiger”.

Kommt dazu, dass jede der zahlreichen Discos an den auch immer zahlreicheren Partys einen Lichtbeamer aufstellt, der rotierend in den Himmel zündet.

Das ist cool. Aber zum Beispiel nicht für die Vögel. “Sie orientieren sich beim Vogelzug auch am Sternenhimmel”, sagt Job Keers von DSS. “Durch die vielen Lichtquellen werden sie abgelenkt und verlieren den Kurs.”

Auswirkungen auf alle Lebewesen

Zum zweiten europäischen Dark-Sky-Symposium kürzlich in Luzern – das erste in der Schweiz – reiste auch IDA-Mitbegründer und Direktor David L. Crawford aus den USA an. Er setzt sich seit 40 Jahren dafür ein, dass die Nacht Nacht bleiben darf.

Der Schutz des Nachthimmels sei eine grosse Aufgabe. Es gebe zwar einige Erfolge, aber es bleibe noch viel zu tun, sagte Crawford in Luzern.

Dabei gehe es um weit mehr als um eigennützige Interessen von Himmelsguckern oder Vogel-Beobachtern, die “freie Sicht auf die Milchstrasse” wollen, hiess es am Symposium in Luzern.

Pflanzen, Tiere und Menschen gemeinsam sei, dass ihre Lebensrhythmen – insbesondere der Schlaf – gestört werden, wenn die Nacht zum Tag werde.

Gewisse Sensibilisierung

Die Schweiz ist nach Ansicht von Philipp Heck, dem Präsidenten von Dark-Sky Switzerland, in Sachen Lichtverschmutzung ein Entwicklungsland.

Eine gewisse Sensibilisierung finde zwar statt. Dennoch gebe es viel Handlungsbedarf. Als Beispiel nannte er die nächtliche Beleuchtung des Pilatus, des Stockhorns im Berner Oberland oder den Plan Lumières für die Stadt Zürich.

Tschechische Republik hat ein Gesetz

DSS erachtet es als nötig, dass Lichtverschmutzung als weitere Form von Umweltverschmutzung ernst genommen wird. Wünschenswert wäre ein Bundesgesetz zur Minimierung der Lichtverschmutzung, wie es die Tschechische Republik kennt.

“Wir sind nicht gegen künstliches Licht”, sagt IDA-Direktor Crawford, “nur gegen schlechtes und gegen zuviel Licht.” Auch Job Keers von “Dark Sky Switzerland” wäre froh, wenn uns wieder etwas mehr Nacht zurückgegeben würde.

“Viele kennen den Sternenhimmel kaum mehr”, sagt er in einem Interview mit der “Basler Zeitung”. Wenn einmal ein heller Stern am Himmel sichtbar sei, dann erhalte seine Sternwarte oft Anfragen, ob es sich da um ein UFO handle.

Urs Maurer und Agenturen

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