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Die Schweiz hat abgestimmt

Die Schweizer Stimmberechtigten haben am Wochenende über die Zukunft der Bildung entschieden. Keystone

Am Wochenende haben die Schweizer Stimmberechtigten über die Harmonisierung des Schweizer Bildungswesens entschieden - von der ersten Klasse bis zur Universität.

Die Ausgangslage war relativ klar: Eine grosse Mehrheit des Parlaments hatte die so genannte Bildungsverfassung befürwortet.

So viel Einigkeit gibt es selten: Praktisch das ganze Parlament, Bund, Kantone sowie alle grossen Verbände und Organisationen setzen sich für die Neuordnung der Verfassungsartikel ein, welche die Bildung betreffen.

Nur eine kleine Minderheit aus Vertretern der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP), der linken Partei der Arbeit (PdA) und der Katholischen Volkspartei (KVP) macht Stimmung gegen die Vorlage.

26 Systeme

In der Schweiz ist die Bildung kantonal geregelt. Jeder der 26 Kantone oder Halbkantone hat ein eigenes Schulsystem. Eintrittsalter, Schuldauer und Lehrplan weichen zum Teil weit voneinander ab.

Die Vereinheitlichung des Bildungssystems ist in der Schweiz schon lange Thema. Sie kam 1973 bereits einmal zur Abstimmung. Das Stimmvolk nahm sie damals zwar an, doch scheiterte sie knapp am Nein der Kantone, dem Ständemehr.

Dies dürfte wohl nicht mehr passieren, finden sich doch bei der neuen Vorlage praktisch alle Kantone im Lager der Befürworter. Obwohl sie im Rahmen der Neuordnung etwas von ihren Kompetenzen abgeben müssten.

Das betrifft besonders die Zusammenarbeit untereinander. Sollten nämlich die Kantone damit Mühe bekunden oder die Harmonisierung nicht freiwillig umsetzen, soll der Bund einschreiten und gewisse Schritte verordnen können. Die Schulhoheit jedoch soll bei den Kantonen bleiben.

Mehr Zusammenarbeit

Die Pflicht zur Koordination und Zusammenarbeit in der Bildung ist einer der Kernpunkte der Vorlage. Bund und Kantone sollen im gesamten Bereich der Bildung, vom Schuleintritt bis zur Universität, verschiedene Faktoren angleichen.

So sollen das Schuleintrittsalter, die Ausbildungsdauer, die Ziele der verschiedenen Bildungsstufen sowie die Anerkennung von Abschlüssen landesweit harmonisiert werden.

Um im internationalen Wettbewerb besser zu bestehen, soll der ganze Bildungsraum Schweiz neu als eine Einheit, als ein überblickbares Gesamtsystem, verstanden werden.

Pro

Die Schweiz werde durch die Bildungsverfassung zukunfts- und konkurrenzfähiger, betonen die Befürworter. Dank dieser Vorlage werde das schweizerische Bildungssystem mit dem europäischen kompatibler.

Die Harmonisierung sei ein wichtiger Schritt hin zu einem einheitlichen, durchlässigen und qualitativ hochstehenden Bildungsraum Schweiz. Sie sei eine wichtige Voraussetzung für mehr Chancengleichheit und würde dem steigenden Bedürfnis nach Mobilität Rechnung tragen.

Kontra

Die Bildungsverfassung entmachte die Kantone und schade dem Bildungsniveau, lautet der Grundtenor aus dem Gegnerlager. Sie befürchten hauptsächlich, dass der Bund als letzte Instanz über die Leitplanken des Schulwesens in der Schweiz entscheiden soll.

Eine Kritik, die auch von linken Gegnern geäussert wird: Ihre Hauptsorge gilt der “Ausschaltung” der Demokratie. Sie fürchten, Funktionäre zwischen Bund und Kantonen könnten die Bildungspolitik übernehmen.

Volks- und Ständemehr entscheidend

Weil die Neuordnung der Bildungsartikel eine Verfassungsänderung ist, kommt sie automatisch an die Urne. Am 21. Mai 2006 sind das Volks- und das Ständemehr (Mehrheit der Kantone) ausschlaggebend.

Bei einer Annahme der Vorlage würde die Bildungsverfassung sofort in Kraft treten.

swissinfo, Christian Raaflaub

In der föderalistischen Schweiz unterstehen die öffentlichen Schulen der Hoheit der jeweiligen Kantone.

Die Grundsätze des Schulsystems sind in der Verfassung verankert. Bei Verfassungsänderungen bedarf es einer Zustimmung von Volk und Kantonen.

Alle Versuche einer Harmonisierung der 26 unterschiedlichen Schulsysteme scheiterten bisher am Widerstand der Kantone (Ständemehr).

Einige Beispiele der Harmonisierung im Abstimmungs-Projekt vom 21. Mai 2006:
Kindergarten im ganzen Land
Gleiches Schuleintritts-Alter
Gleiche Dauer der obligatorischen Schulzeit (11 Jahre)
Gegenseitige Anerkennung von Diplomen zwischen Universitäten
Entwicklung von Bildungs-Standards
Koordination der Arbeit von universitären Forschungs-Instituten

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